SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Lokales
Serie Wandmalerei in Köln - Teil 9
Das Rembrandt-Fragment an der NORD-SÜD-FAHRT
Von Georg Giesing
Die Bilderwelten an den Wänden und Decken von Kirchen und Kapellen boomten regelrecht im Zusammenhang mit der Christianisierung. Mit möglichst eindringlichen Bildern verstanden es die Kirchenfürsten, des Lesens unkundige Menschen mit biblischen Darstellungen für ihre Religion zu gewinnen. Hierbei fehlte es nicht an Dramatik und visuellen Verführungskünsten. Sex and Crime - die christliche Religion hatte ein reichhaltiges Motivrepertoire zu bieten.

Wandbild an der Kreuzkirche
Foto: Brigitte Dannehl
Kirchen waren über Jahrhunderte die besten Auftraggeber für Bildhauer, Maler, Architekten, Holzschnitzer und Handwerker. Das Bemalen von Wänden war für Künstler immer eine große Herausforderung. Hier wurde das Können öffentlich gemacht, "auf Dauer" gemalt, vielleicht sogar bis zum "jüngsten Gericht". Der Anspruch und die Macht der Auftraggeber taten das ihre dazu. So entwickelte sich die Wandmalerei über viele Jahrhunderte zur reinen Kirchenmalerei und brachte großartige Künstler und Kunstwerke heraus. Erinnert sei hier nur an das fantastische Wandbild "Das letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci und seine Ausgestaltung der Sixtinischen Kapelle.
Der Zerfall der kirchlichen Macht, die Emanzipation von der Religion, eröffnete auch der Kunst neue Perspektiven. Die bildende Kunst war nicht mehr so kirchenzentriert und auch die Wandmalerei entwickelte einige lokale, volkstümliche Formen. Erneut entstanden Bilder auf Wänden, die Kunst ging im wahrsten Sinne des Wortes auch ins FREIE.
In dieser Tradition ist auch das große Wandbild an der Nord-Süd-Fahrt/Ecke Machabäerstraße an der evangelischen Kreuzkirche zu verstehen. Dieses Bild hat eine kleine Geschichte.

Wandbild an der Kreuzkirche - Ausschnitt
Foto: Brigitte Dannehl
Im November 1980 traf sich das erste Mal ein kleiner Personenkreis, um über die Idee eines Wandbildes an der damals noch kahlen Fassade der Kreuzkirche zu beraten. Bis zur Realisierung vergingen 12 (!) Jahre. Angeregt wurde die Initiative von der Evangelischen Gemeinde Köln Kreuzkirche. Die Realisierung erfolgte mit Hilfe des Internationalen Bundes für Sozialarbeit. Der Vorschlag der Kölner Künstlerin Brigitte Dannehl wurde unter mehreren Vorschlägen ausgewählt. Ihre Bildidee erläuterte die Künstlerin mit einer kleinen Rede nach der Fertigstellung des beeindruckenden Wandbildes im Jahre 1992:
"Viele Entwürfe entstanden, die mit Farben und Symbolen zur Meditation anregen sollten. Die Verantwortlichen zögerten, konnten sich nicht entscheiden, einen Entwurf zur Realisation auszusuchen. 6 Jahre später kam mir die Idee, ein Bildzitat der Kunst zu nehmen: Rembrandt - die Kreuzigungsszene aus dem Radierzyklus. Es war eine Abkehr von der Farbe, eine Abkehr von den individuellen Ideen und zeitgemäßen Bildchiffren. Das Bildzitat konnte nur ein Fragment sein. Fast sind die Bildbegrenzungen identisch mit dem Riss in der Wand, der z.Z. frisch verputzt und weggrundiert ist. Der sich aber wieder zeigen wird als Setzriss, entstanden durch den U-Bahntunnelbau vor ca. 20 Jahren."
Zum Inhalt des Bildes: der gefolterte Mensch! Ein Bild aus unserer Alltagswelt. Hier Christ Nr. 1, Jesus der Gemarterte. Die Folterhöllen in Guantanamo und Abu Ghraib erinnern uns an die Rembrandt-Szene. Nur sind es diesmal die Christen, die foltern und Foltern lassen. Ein altes Motiv mit einem aktuellen Thema.
Das Schicksal der Kreuzkirche scheint beschlossene Sache. Ende 2006 soll die Kirche verkauft werden. Der Kirchengemeinde geht es finanziell nicht gut. Was aus dem Bild wird, eines der seltenen Wandbilder in Köln, ist noch offen.
Völlig unverständlich ist, dass sich auf einer kleinen Tafel am Rande des Wandbildes das Kölner "Amt für Wirtschaftsförderung" und der "Internationale Bund für Sozialarbeit" verewigt haben. Die polnische Künstlerin Irene Kozik, die das Rembrandtmotiv meisterhaft auf die große Fassade umsetzte, findet auf der Tafel keine öffentliche Erwähnung.
So ist das Wandbild an der Kreuzkirche auch ein Dokument im Hinblick auf die geringe Wertschätzung von Künstlern in Köln. Das Niveau einer Kulturmetropole zeigt sich auch im Detail!
Georg Giesing, 1942 in Wuppertal-Barmen geboren, diplomierter Sozialpädagoge, war 28 Jahre Fachlehrer an einem Kölner Berufskolleg, nachdem er eine Lehre als Gärtner, eine Ausbildung als Erzieher und das Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik abgeschlossen hatte. Giesing ist freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Stadtmagazinen und Online-Zeitungen, schreibt Bücher und zeichnet. Eine Auswahl seiner Bücher: "Hexenball im Königsforst", Erzählungen,1985 und 1986, "Rheinpiraten vor Köln", Erzählungen, 1990, "Zwischen Strunde und Flehbach", Erzählungen, 1990, "Wir sind doch ein Leut´, - Auf der Suche nach dem jüdischen Viehhändler Siegfried Forst auf Brodenbach", Erzählung, 2000, "Rheinische Frikadellen" - Geschichten & Grotesken, 2005 .
Online-Flyer Nr. 38 vom 04.04.2006
Serie Wandmalerei in Köln - Teil 9
Das Rembrandt-Fragment an der NORD-SÜD-FAHRT
Von Georg Giesing
Die Bilderwelten an den Wänden und Decken von Kirchen und Kapellen boomten regelrecht im Zusammenhang mit der Christianisierung. Mit möglichst eindringlichen Bildern verstanden es die Kirchenfürsten, des Lesens unkundige Menschen mit biblischen Darstellungen für ihre Religion zu gewinnen. Hierbei fehlte es nicht an Dramatik und visuellen Verführungskünsten. Sex and Crime - die christliche Religion hatte ein reichhaltiges Motivrepertoire zu bieten.

Wandbild an der Kreuzkirche
Foto: Brigitte Dannehl
Kirchen waren über Jahrhunderte die besten Auftraggeber für Bildhauer, Maler, Architekten, Holzschnitzer und Handwerker. Das Bemalen von Wänden war für Künstler immer eine große Herausforderung. Hier wurde das Können öffentlich gemacht, "auf Dauer" gemalt, vielleicht sogar bis zum "jüngsten Gericht". Der Anspruch und die Macht der Auftraggeber taten das ihre dazu. So entwickelte sich die Wandmalerei über viele Jahrhunderte zur reinen Kirchenmalerei und brachte großartige Künstler und Kunstwerke heraus. Erinnert sei hier nur an das fantastische Wandbild "Das letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci und seine Ausgestaltung der Sixtinischen Kapelle.
Der Zerfall der kirchlichen Macht, die Emanzipation von der Religion, eröffnete auch der Kunst neue Perspektiven. Die bildende Kunst war nicht mehr so kirchenzentriert und auch die Wandmalerei entwickelte einige lokale, volkstümliche Formen. Erneut entstanden Bilder auf Wänden, die Kunst ging im wahrsten Sinne des Wortes auch ins FREIE.
In dieser Tradition ist auch das große Wandbild an der Nord-Süd-Fahrt/Ecke Machabäerstraße an der evangelischen Kreuzkirche zu verstehen. Dieses Bild hat eine kleine Geschichte.

Wandbild an der Kreuzkirche - Ausschnitt
Foto: Brigitte Dannehl
Im November 1980 traf sich das erste Mal ein kleiner Personenkreis, um über die Idee eines Wandbildes an der damals noch kahlen Fassade der Kreuzkirche zu beraten. Bis zur Realisierung vergingen 12 (!) Jahre. Angeregt wurde die Initiative von der Evangelischen Gemeinde Köln Kreuzkirche. Die Realisierung erfolgte mit Hilfe des Internationalen Bundes für Sozialarbeit. Der Vorschlag der Kölner Künstlerin Brigitte Dannehl wurde unter mehreren Vorschlägen ausgewählt. Ihre Bildidee erläuterte die Künstlerin mit einer kleinen Rede nach der Fertigstellung des beeindruckenden Wandbildes im Jahre 1992:
"Viele Entwürfe entstanden, die mit Farben und Symbolen zur Meditation anregen sollten. Die Verantwortlichen zögerten, konnten sich nicht entscheiden, einen Entwurf zur Realisation auszusuchen. 6 Jahre später kam mir die Idee, ein Bildzitat der Kunst zu nehmen: Rembrandt - die Kreuzigungsszene aus dem Radierzyklus. Es war eine Abkehr von der Farbe, eine Abkehr von den individuellen Ideen und zeitgemäßen Bildchiffren. Das Bildzitat konnte nur ein Fragment sein. Fast sind die Bildbegrenzungen identisch mit dem Riss in der Wand, der z.Z. frisch verputzt und weggrundiert ist. Der sich aber wieder zeigen wird als Setzriss, entstanden durch den U-Bahntunnelbau vor ca. 20 Jahren."
Zum Inhalt des Bildes: der gefolterte Mensch! Ein Bild aus unserer Alltagswelt. Hier Christ Nr. 1, Jesus der Gemarterte. Die Folterhöllen in Guantanamo und Abu Ghraib erinnern uns an die Rembrandt-Szene. Nur sind es diesmal die Christen, die foltern und Foltern lassen. Ein altes Motiv mit einem aktuellen Thema.
Das Schicksal der Kreuzkirche scheint beschlossene Sache. Ende 2006 soll die Kirche verkauft werden. Der Kirchengemeinde geht es finanziell nicht gut. Was aus dem Bild wird, eines der seltenen Wandbilder in Köln, ist noch offen.
Völlig unverständlich ist, dass sich auf einer kleinen Tafel am Rande des Wandbildes das Kölner "Amt für Wirtschaftsförderung" und der "Internationale Bund für Sozialarbeit" verewigt haben. Die polnische Künstlerin Irene Kozik, die das Rembrandtmotiv meisterhaft auf die große Fassade umsetzte, findet auf der Tafel keine öffentliche Erwähnung.
So ist das Wandbild an der Kreuzkirche auch ein Dokument im Hinblick auf die geringe Wertschätzung von Künstlern in Köln. Das Niveau einer Kulturmetropole zeigt sich auch im Detail!

Online-Flyer Nr. 38 vom 04.04.2006