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Inland
Buchbesprechung: Düsseldorfs OB spielt Foul gegen Krimi-Autor
"Blutgrätsche" vor der WM
Von Georg Giesing

Blutgrätschen sind verdammt gemein. Meistens brutal, oft hinterhältig, immer dumm und äußerst unsportlich. Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Erwin kennt sich mit Blutgrätschen aus. Das ist bekannt. Seit Jahren rackert der Mann für das sportliche Image seiner Stadt. Vergebens! Deshalb versuchte er sich jetzt als Foulspieler gegen einen Krimi-Autor. Ging aber auch daneben.

Die Stadt an der Düssel ließ ein Stadion bauen. Das Ding heißt LTU-Arena. Kosten: 218 Millionen Euro! Vor einem Jahr war die Einweihung. Aber WM-Spiele gibt es keine. Die Düsseldorfer Fortuna pflügt in der Regionalliga den Rasen um. Das alles ist nicht schön. OB Erwin kotzt auch schon mal fiese Verbalbrocken. OB Erwin spielt nicht im Team mit Viererkette, Erwin ist ein Treter alter Schule, wie "Katsche Schwarzenbeck" oder Anno Dunnebacke "Hammer" Juskowiak von Fortuna Düsseldorf.

Düsseldorf. Das selbstgefällige Image dieser Stadt: modern, weltoffen, kulturell niveauvoll und sportiv. Nachdem die Stadt keinen Zuschlag für WM- Spiele bekommen hat, erfolgte kurz vor WM-Beginn ein übles Foul in Sachen Meinungsfreiheit.

Es geht um ein Buch. Eine Sammlung von Kriminalstorys. Fiktive Geschichten. Gut geschrieben. Spannend. Sehr zeitnah. Und witzig. Das Buch hat den Titel: "Blutgrätsche". Der Untertitel verrät, es sind "Weltmeister-Krimis". Es geht um "Krawalle in Kaiserslautern", "Countdown in Dortmund", "La Ola in Frankfurt", "Chancengleichheit in Hamburg" oder es wird vom "Mann, der Lukas Podolski das Leben rettete" erzählt. Krimi-Leckerbissen. Vergnüglichkeiten.

Der Dortmunder "Grafit - Verlag", der sich mit guten Autoren und einer soliden, ideenreichen Arbeit seit Jahren zu einem der führenden Krimi-Verlage in der Republik entwickelt hat, versammelte Krimi-Autor/Innen und ließ diese zu den jeweiligen Austragungsorten (oder Möchtegern-Austragungsorten) Storys schreiben. Die Krimi-Farcen erhielten eine passende Struktur. Sie wurden unterteilt in Vorrunde, Achtelfinale... Vorspiel, Finale, Abpfiff usw. Allein für dieses kreative Konzept müsste der Verlag Freikarten für das Endspiel erhalten, wären sie denn erhältlich und zu finanzieren.

Im März 2006 organisierte der "Grafit-Verlag", wie es Verlage eben tun, eine Lesereise für die Autoren. Horst Eckert ist einer von ihnen. Der in Düsseldorf lebende Autor ist einer der Promis des Verlages. Eckert hat eine  gesellschaftskritische Serie von Kriminalromanen geschrieben. Tatort: Düsseldorf. In allen Bänden, immer mittenmang dabei, die Polizei, die Politik und jede Menge Filz. Auf diese Anhäufung könnten die Kölner fast neidisch werden, hätten sie nicht selbst reichlich davon.  Spannung Humor und Fantasie sind in dem Buch gut gemixt, es wird auch immer wird an der Realität gekratzt. 

Bevor es nun zu einer Lesung mit dem Krimi-Preisträger Hort Eckert in der Stadtbücherei kam, wurde die Veranstaltung verboten. Vom Presse-Büro des Düsseldorfer OB. In der Story "Wege zum Ruhm" geht es um Klüngel und Korruption rund um die LTU-Arena,  in deren Zentrum ein fiktiver, glatzköpfiger Oberbürgermeister Dagobert Kroll steht. Eine Glosse also. Doch die Düsseldorfer CDU-Spitze hatte mit rheinischem Humor wenig zu tun. Die Saison war ja auch gerade beendet. Der wahre OB Erwin, der weder Text noch Autor kannte, blieb beim Leseverbot für Eckert in städtischen Räumen. Dem EXPRESS gegenüber zeigte Erwin dann, wessen Geistes Kind er ist: " Ich kenne weder das parasitäre Geschreibsel noch den Autor des Buches. Ich weiß von nichts. Es interessiert mich auch nicht." Und der Stadt-Sprecher Schumacher beschied in autoritärer Arroganz: "Wir entscheiden was wir promoten. Dieses Buch in unseren Mauern nicht."

Literatur zum "parasitären Geschreibsel" zu machen kennen wir aus einer schlimmen Zeit. Düsseldorf hat mit Erwin einen humorlosen Mann an der Spitze, der einen Sachverhalt zwar nicht kennt, sich darüber aber schon eine Meinung gebildet hat.

Im Kontext mit der Absage eines Konzertes von Konstantin Wecker durch einen CDU-Landrat in Halberstadt ist das Leseverbot für den prämierten  Autor Horst Eckert durch einen CDU-Bürgermeister ein weiterer Akt der Zensur, der nicht zu akzeptieren ist. (Siehe das Interview mit Wecker in dieser Ausgabe.)

Erwin ruderte zwar nach heftiger öffentlicher Kritik ein wenig zurück, doch eine Entschuldigung kam ihm bisher  nicht über die Lippen. Für diese "Blutgrätsche" von OB Erwin gegen die Freiheit des Wortes gibt es nur eins: Rote Karte! Spätestens bei der nächsten Wahl.
 
Seine Kurzgeschichte "Wege zum Ruhm" durfte Horst Eckert am 30. März schließlich doch noch in Düsseldorf lesen. Im "Haus der Freude". Bis dahin reicht der Arm des OB noch nicht. Im Gegenteil. Das Interesse von Erwins Bürgern an der Lesung war so groß, dass eine Zweite Anfang April stattfinden soll. 


Blutgrätsche
Weltmeister-Krimis
Originalausgabe
222 Seiten, 8,50 Euro
Grafit-Verlag Dortmund
ISBN-13:978-3-89425-314-1




Online-Flyer Nr. 38  vom 04.04.2006



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