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Serie Sprühende Ideen - Teil 7
Graffiti Klassiker: Der Totentanz in Köln
Von Georg Giesing

Foto eines Skeletts von Harald Naegeli
Foto: Georg Giesing
Naegeli hat in frühen 1980ger Jahren bizarre und eindringliche Figuren anonym an Brückenpfeiler und Betonarchitektur gesprüht. Tausende Schreckensbilder. Signale, Aufschreie. Sparsam und perfekt gezeichnet. Warnungen gleich. Symbolhafte Zeichen gegen die Zerstörung des Lebensraums.
Neageli zeichnete seine Figuren mit der Farbdose in Zürich, Frankfurt, Köln und anderswo. Empörung, Verfemung, Verfolgung und Kriminalisierung aller Orten. Volkes Stimme, von der Boulevard -Presse ordentlich angeheizt, hatte sich schnell festgelegt: Schmiererei! Kriminelle Handlung! Schadensersatz! Sprayer hinter Gitter!
In der Domstadt am Rhein hinterließ "Der Sprayer von Zürich" auch seine Kunstwerke. Dürre Gerippe an Betonwänden, sterilen Brückenpfeilern, Tiefgaragen, morbiden Fabrikgebäuden. Was nächtens geschaffen wurde, wurde tags drauf wieder entfernt. Ordentlich und sauber sollte die Stadt sein. Die miefigen Ordnungsvorstellungen der bundesdeutschen Gesellschaft gerieten ein wenig durcheinander. Die Putz- und Schrubbkolonnen in der christ-katholischen Kulturmetropole hatten Hochkonjunktur.
Als der Züricher Sprayer entdeckt war, ihm riesige Schadensersatzklagen angedroht wurden, verweigerte er die Rückkehr in die Schweiz. Es entwickelte sich so etwas wie eine Solidaritätsbewegung für den Street-Art-Künstler. Autoren, Bühnenleute, Filmemacher, bildende Künstler, Politiker, von Joseph Beuys, Willy Brandt, Hilmar Hoffmann über Sarah Kirsch bis zu Klaus Staeck. Das waren Stimmen für Harald Naegeli.
Der "Kölner Kunstverein" organisierte den "Kölner Totentanz" als fotografische Ausstellung unter dem Titel: "Eine andere Malerei" in der später abgerissenen Kunsthalle am Neumarkt. Ein solidarischer Akt. Mit dieser Ausstellung verließen die Bilder die Straße und landeten erstmalig in den "Hallen der Kunst."
Die Situation im Köln der frühen 1980ger Jahre war geprägt vom Verfall und der Zerstörung alter Industrien. Die Batterien-Fabrik Hagen in Kalk, die Schokoladenfabrik Stollwerck, Böcking in Mülheim, Gummi Radium in Dellbrück. Betrieb auf Betrieb wurde aufgegeben, wurde kaputtgeschrumpft oder gesundfusioniert. Zehntausende Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. Der "Kölner Totentanz" war für viele Menschen zur Realität geworden.
Dort, wo der "Kölner Kunstverein" seine verdienstvolle Ausstellung über die Graffiti des "Züricher Sprayers" zeigte, ist immer noch ein großes Loch. Von einer vermauerten Kirchentüre blickt ein Skelett auf diese abgrundtiefe Hässlichkeit im Herzen der Stadt. Es ist eine der letzten Figuren des Künstlers in dieser Stadt.
Georg Giesing, 1942 in Wuppertal-Barmen geboren, diplomierter Sozialpädagoge, war 28 Jahre Fachlehrer an einem Kölner Berufskolleg, nachdem er eine Lehre als Gärtner, eine Ausbildung als Erzieher und das Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik abgeschlossen hatte. Giesing ist freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Stadtmagazinen und Online-Zeitungen, schreibt Bücher und zeichnet. Eine Auswahl seiner Bücher: "Hexenball im Königsforst", Erzählungen,1985 und 1986, "Rheinpiraten vor Köln", Erzählungen, 1990, "Zwischen Strunde und Flehbach", Erzählungen, 1990, "Wir sind doch ein Leut´, - Auf der Suche nach dem jüdischen Viehhändler Siegfried Forst auf Brodenbach", Erzählung, 2000, "Rheinische Frikadellen" - Geschichten & Grotesken, 2005 .

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing
Online-Flyer Nr. 36 vom 21.03.2006
Serie Sprühende Ideen - Teil 7
Graffiti Klassiker: Der Totentanz in Köln
Von Georg Giesing

Foto eines Skeletts von Harald Naegeli
Foto: Georg Giesing
Naegeli hat in frühen 1980ger Jahren bizarre und eindringliche Figuren anonym an Brückenpfeiler und Betonarchitektur gesprüht. Tausende Schreckensbilder. Signale, Aufschreie. Sparsam und perfekt gezeichnet. Warnungen gleich. Symbolhafte Zeichen gegen die Zerstörung des Lebensraums.
Neageli zeichnete seine Figuren mit der Farbdose in Zürich, Frankfurt, Köln und anderswo. Empörung, Verfemung, Verfolgung und Kriminalisierung aller Orten. Volkes Stimme, von der Boulevard -Presse ordentlich angeheizt, hatte sich schnell festgelegt: Schmiererei! Kriminelle Handlung! Schadensersatz! Sprayer hinter Gitter!
In der Domstadt am Rhein hinterließ "Der Sprayer von Zürich" auch seine Kunstwerke. Dürre Gerippe an Betonwänden, sterilen Brückenpfeilern, Tiefgaragen, morbiden Fabrikgebäuden. Was nächtens geschaffen wurde, wurde tags drauf wieder entfernt. Ordentlich und sauber sollte die Stadt sein. Die miefigen Ordnungsvorstellungen der bundesdeutschen Gesellschaft gerieten ein wenig durcheinander. Die Putz- und Schrubbkolonnen in der christ-katholischen Kulturmetropole hatten Hochkonjunktur.
Als der Züricher Sprayer entdeckt war, ihm riesige Schadensersatzklagen angedroht wurden, verweigerte er die Rückkehr in die Schweiz. Es entwickelte sich so etwas wie eine Solidaritätsbewegung für den Street-Art-Künstler. Autoren, Bühnenleute, Filmemacher, bildende Künstler, Politiker, von Joseph Beuys, Willy Brandt, Hilmar Hoffmann über Sarah Kirsch bis zu Klaus Staeck. Das waren Stimmen für Harald Naegeli.
Der "Kölner Kunstverein" organisierte den "Kölner Totentanz" als fotografische Ausstellung unter dem Titel: "Eine andere Malerei" in der später abgerissenen Kunsthalle am Neumarkt. Ein solidarischer Akt. Mit dieser Ausstellung verließen die Bilder die Straße und landeten erstmalig in den "Hallen der Kunst."
Die Situation im Köln der frühen 1980ger Jahre war geprägt vom Verfall und der Zerstörung alter Industrien. Die Batterien-Fabrik Hagen in Kalk, die Schokoladenfabrik Stollwerck, Böcking in Mülheim, Gummi Radium in Dellbrück. Betrieb auf Betrieb wurde aufgegeben, wurde kaputtgeschrumpft oder gesundfusioniert. Zehntausende Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. Der "Kölner Totentanz" war für viele Menschen zur Realität geworden.
Dort, wo der "Kölner Kunstverein" seine verdienstvolle Ausstellung über die Graffiti des "Züricher Sprayers" zeigte, ist immer noch ein großes Loch. Von einer vermauerten Kirchentüre blickt ein Skelett auf diese abgrundtiefe Hässlichkeit im Herzen der Stadt. Es ist eine der letzten Figuren des Künstlers in dieser Stadt.


Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing

Foto: Georg Giesing
Online-Flyer Nr. 36 vom 21.03.2006