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Inland
Spanien wehrt sich gegen Endesa-Übernahme durch E.ON
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Von Hans Georg

Gerade dort haben deutsche Firmen nur in geringem Ausmaß an den großen Privatisierungen der 1990er Jahre partizipiert und wegen ihrer vordringlichen Aktivitäten in Osteuropa der spanischen Konkurrenz den Vortritt überlassen. Deshalb soll jetzt soll Endesa aufgekauft werden. E.ON wäre überdies nach einer Endesa-Übernahme in allen wichtigen europäischen Ländern präsent: Ein Erfolg kontinentaler Einigungsbestrebungen ("einheitlicher europäischer Markt"), meint der E.ON-Vorstandsvorsitzende Wulf Bernotat.

Wie der spanische Ministerpräsident verlauten ließ, wird sich seine Regierung nicht ohne weiteres mit der von E.ON geplanten Endesa-Übernahme abfinden. "Die Märkte sind sehr wichtig, aber die Bürger sind wichtiger", erklärte Zapatero unter Verweis auf den Verlust nationaler Souveränität, der mit einer Kontrolle strategisch wichtiger Sektoren wie etwa der Energiebranche durch ausländische Interessenten verbunden wäre. Endesa ist der führende Strom- und Gasversorger Spaniens und Kernelement von Plänen Madrids, durch eigens genehmigte Firmenzusammenschlüsse einen starken spanischen Energiekonzern zu schmieden - ähnlich der deutschen E.ON AG, die für die Übernahme der Ruhrgas AG und die folgende rasante Expansion ebenfalls auf eine Sondererlaubnis der Bundesregierung angewiesen war.[1] Ein fusionierter spanischer Strom- und Gasriese könnte nach gegenwärtigem Stand kaum noch aufgekauft werden; um daher eine rasche deutsche Übernahme politisch abzusichern, hat Bundeskanzlerin Merkel Gespräche mit ihrem spanischen Amtskollegen aufgenommen.

WAMS: `Greift nach der Krone´ - Vorstand Wulf Bernotat
WAMS: `Greift nach der Krone´ - Vorstand Wulf Bernotat
Foto: E.ON, W.v.Brauchitsch



65 Milliarden Jahresumsatz

Mit einer Übernahme der Endesa würde E.ON zum weltweit führenden Strom- und Gaskonzern überhaupt. Die Firma steht in enger Verbindung zu mehreren ehemaligen rot-grünen Regierungspolitikern [2] und hat erst kürzlich mit der bisherigen Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Simone Probst (Grüne) einen Beraterinnenvertrag ausgehandelt. Sie beliefert bereits jetzt rund 30 Millionen Kunden in 20 europäischen Ländern und den USA und hat im vergangenen Jahr ihren Umsatz um 21 Prozent von 46,7 Milliarden Euro auf 56,4 Milliarden Euro gesteigert. Nach der Endesa-Übernahme würde sich die Kundenzahl der deutschen Firma auf 500 Millionen Menschen in mehr als 30 Staaten summieren, für die E.ON-Gewinne arbeiteten dann weltweit mehr als 107.000 Beschäftigte. Der Gesamtjahresumsatz beliefe sich auf geschätzte 65 Milliarden Euro.

Einheitlich europäisch

Die Endesa-Übernahme gilt als geeignet, die Marktmacht des deutschen Energiekonzerns auf ganz Europa auszudehnen. [3] Neben der starken Stellung in Spanien und Portugal hebt die Düsseldorfer Konzernzentrale die Position der Endesa in Italien hervor, wo sie derzeit drittgrößter Wettbewerber ist. Zusammen mit ihr besäße die deutsche Firma in allen großen europäischen Ländern eine einflussreiche Marktposition, die die dominierende Stellung in einigen Staaten Mittel- und Osteuropas ergänzte; dort gerät E.ON wegen seines monopolartigen Einflusses immer stärker in Konflikt mit den Kartellbehörden. [4] Die dichter werdende deutsche Kontrolle über den strategisch bedeutsamen Energiemarkt lobt Konzern-Chef Wulf Bernotat als Erfolg kontinentaler Einigungsbestrebungen: "E.ON geht damit einen bedeutenden Schritt zur Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Marktes für Energie." [5]

Strategisches Engagement

Große Bedeutung für die Übernahme haben außerdem die lateinamerikanischen Endesa-Ableger. Auf dem Subkontinent ist Spanien im Verlauf der großen Privatisierungen der 1990er Jahre (Telefon, Energie) zum zweitgrößten Auslandsinvestor hinter den Vereinigten Staaten aufgestiegen. Im Jahr 1999 etwa flossen von den gesamten spanischen Auslandsinvestitionen im Umfang von rund 40 Milliarden Euro mehr als 30 Milliarden nach Lateinamerika - 53 Prozent des Geldes, das ausländische Unternehmen dort in diesem Jahr investierten. Dies habe große Bedeutung für "die neuen Beziehungen zwischen Spanien und den Staaten Lateinamerikas", beschrieb der damalige spanische Außenminister Joseph Piqué im November 2000 vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik die Einflussnahme in der unmittelbaren außenpolitischen Interessensphäre seines Landes: Der "Investitionsfluß" fundiere "ein langfristiges strategisches Engagement Spaniens und der spanischen Unternehmen in den Ländern Lateinamerikas". [6]

E.ONs ganzer Stolz: Kernkraftwerk Brokdorf
E.ONs ganzer Stolz: Kernkraftwerk Brokdorf
Foto: E.ON, Strauß



Abtreten

An den strategischen Lateinamerika-Aktivitäten Spaniens hat Endesa einen bedeutenden Anteil. Der Konzern ist Marktführer in Chile, Argentinien, Kolumbien und Peru sowie stärkster privater Anbieter in weiteren Staaten des Subkontinents. Mit der Übernahme des Unternehmens würde Eon deutsche Versäumnisse der 1990er Jahre wettmachen. Damals hätten deutsche Firmen "vergleichsweise verhalten" von den länderübergreifenden Privatisierungsmaßnahmen in Lateinamerika profitiert, heißt es im Auswärtigen Amt; Grund waren die zu dieser Zeit als vorrangig betrachteten Bemühungen der deutschen Wirtschaft, ihre traditionell dominierende Stellung in Mittel- und Osteuropa nach dem Zusammenbruch des Systemkonkurrenten erneut durchzusetzen. [7] Mit der Endesa-Übernahme gelänge es der E.ON AG, mit einem Paukenschlag das in den 1990er Jahren vernachlässigte Expansionsgebiet südlich der Vereinigten Staaten zu betreten - auf Kosten Spaniens, das eine wichtige Machtbasis an die europäische Hegemonialmacht abtreten müsste.

Los von Madrid

Der Einbruch in seine lateinamerikanische Interessensphäre droht Madrid zu einer Zeit, da die Einheit Spaniens aufgrund immer stärkerer Autonomieforderungen in der nordöstlichen Region Katalonien unter Druck gerät. Erst am vergangenen Wochenende verlangten Hunderttausende in Barcelona eine stärkere Trennung von der Hauptstadt, zahlreiche Demonstranten traten für die vollständige Abspaltung des Landesteils ein. Ebenso wie die aktuelle Bedrohung seines außenpolitischen Einflusses hängt auch die innere Bedrohung Madrids mit deutschen Wirtschaftsaktivitäten zusammen, die Katalonien über eine enge regionale Kooperation zu exklusivem Wohlstand verholfen und damit die Autonomiebewegung gestärkt haben ("Vier Motoren für Europa"). [8] Die "Los von Madrid"-Kräfte, die auf ein zersplittertes "Europa der Regionen" mit einem starken deutschen Hegemonialzentrum abzielen, werden zudem politisch aus Deutschland unterstützt. [9]

[1] s. dazu Deutscher "global player" soll strategischen Einfluss auf Energiequellen sichern und Eon: Europas größter privater Energiekonzern
[2] s. dazu Brückenkopf
[3] s. dazu Weltweit in Führung und Oligopol
[4] s. dazu Lückenschluss
[5] E.ON kündigt Barangebot in Höhe von ca. 29,1 Mrd. Euro für Endesa an; Pressemitteilung der Eon AG 21.02.2006
[6] Rede von Joseph Piqué, Außenminister von Spanien, Berlin, 28. November 2000; www.dgap.org
[7] s. auch Klassenverweis
[8] s. dazu Deutsche Sozialisten: "Baskenland" nicht spanisch
[9] s. dazu Los von Madrid und Zukunft als Volk

Siehe auch: http://www.german-foreign-policy.com



Online-Flyer Nr. 33  vom 28.02.2006



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