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Inland
Engagierter Verfassungsschützer wird vom "Verfassungsschutz" überwacht
Rolf Gössner klagt in Köln gegen die Bundesrepublik
Von Christel Mertens
Der Präsident der "Internationalen Liga für Menschenrechte" (ILMR) hat beim Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage erhoben. Seine Klagebegründung enthält den Vorwurf, dass er weiterhin unter geheimdienstlicher Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) steht. Das geht aus einem Dossier des Bundesamtes hervor.
Die Liga hat öffentlich gegen diese Ausforschung ihres Vorsitzenden durch den deutschen Inlandsgeheimdienst protestiert. Es bestehe "die große Gefahr, dass damit auch eine international anerkannte Menschenrechtsvereinigung ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist und weiterhin gerät".
Rechtsanwalt Gössners Klage ist zunächst auf eine vollständige Auskunft des BfV über alle zu seiner Person gespeicherten Daten gerichtet, da das Amt weitergehende Auskünfte wegen "Geheimhaltungsbedürftigkeit" und "Ausforschungsgefahr" sowie zum Schutz von "Quellen" verweigert hat; in einem weiteren Schritt soll die Rechtmäßigkeit der Erfassung gerichtlich überprüft und eine Löschung der Daten erstritten werden. Das Verfahren hat nach Auffassung der Liga "über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, denn es geht um ein brisantes Problem, das auch andere Publizisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtler betrifft: Welche Grenzen sind den kaum kontrollierbaren Nachrichtendiensten und ihren geheimen Aktivitäten gezogen - besonders im Umgang mit Berufsgeheimnisträgern und ihm Rahmen unabhängiger Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen?" heißt es in ihrem Protest.
Zur Vorgeschichte:
Im Jahr 2005 hatte Rolf Gössner auf seinen Antrag vom BfV das vorerst letzte Dossier über die ihm zur Last gelegten Aktivitäten erhalten. Grund für seine Überwachung ist laut BfV, dass er Kontakte zu Gruppen und Personen hat, die der Verfassungsschutz (VS) als "linksextremistisch" oder "linksextremistisch beeinflusst" einstuft, ohne jedoch Kriterien für diese Einstufung zu benennen. Dazu zählen etwa die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) und die Rechtshilfegruppe "Rote Hilfe e.V.".
Bei den über ihn gesammelten "Sünden" handelt es sich um Gössner-Artikel, Reden und Interviews, die in Zeitungen und Zeitschriften wie "Junge Welt", "Neues Deutschland", "Geheim", "Unsere Zeit", "antifa" (VVN), "Gegenwind", "anti atom aktuell", "Özgür Genclik", "Die Woche", "Frankfurter Rundschau", "Weser-Kurier" veröffentlicht wurden - bei letzteren vor allem, wenn es darin den Verfassungsschutz selbst geht. Gesammelt wurden aber auch Lesungen und andere Veranstaltungen mit bestimmten Veranstaltern, wie etwa der VVN oder der "Rosa-Luxemburg-Stiftung". Hier wird Rolf Gössner eine Art "Kontaktschuld" zur Last gelegt, nicht etwa eigene verfassungswidrige Bestrebungen.

Rolf Gössner
Foto: Heide Schneider-Sonnemann
Bei den inkriminierten Beiträgen handelt es sich, wie Gössner sagt, ausschließlich um Berufskontakte im Rahmen seiner vielfältigen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, insbesondere seiner Bürger- und Menschenrechtsarbeit. In zahlreichen Publikationen hat er sich kritisch u.a. mit den Praktiken der Sicherheitsorgane, besonders auch der Geheimdienste befasst, so etwa in seinem letzten Buch "Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Kriminelle im Dienst des Staates" (Knaur-Verlag, Müchen 2003).
Oft von Bundestag und Landtagen eingeladen
Immer wieder laden ihn Bundestag und Landtage als Sachverständigen ein, um in Gesetzgebungsverfahren u.a. Polizei- und Geheimdienst-Gesetzentwürfe zu begutachten. Auch von der Polizeiführungsakademie, von Polizeifachhochschulen und selbst vom Verfassungsschutz ist er als Experte zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen worden. Gössner ist auch Mitglied der Jury zur Vergabe des Negativpreises "BigBrotherAward", der an Institutionen und Personen verliehen wird, die besonders gegen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstoßen haben. Als der Preis im Oktober 2005 dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verliehen wurde, hielt Gössner die "Laudatio". Die NRhZ berichtete darüber in ihrem online-Flyer Nr. 16. Vier Beiträge Gössners, die die NRhZ seit August 2005 veröffentlicht hat, sind dem BfV bislang offenbar noch nicht aufgefallen.
Besonders bemerkenswert für die Richter am Kölner Verwaltungsgericht dürfte sein, dass in der BfV-Akten auch öffentliche Aufrufe aufgelistet sind - so einer "zur Unterstützung
antirassistischen und antifaschistischen Engagements vor Ort" der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA), ein Aufruf der "Roten Hilfe" ("Die Archive öffnen!") und ein kurdischer Aufruf "Verboten ist, den Frieden zu verbieten!". Alle drei Aufrufe, so der "Vorwurf" des BfV, habe Gössner als (Erst-) Unterzeichner unterstützt. Darüber hinaus finden sich in der BfV-Liste auch noch seine Referate auf einer Tagung im Rahmen der "Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Kriegs" (zur politischen Justiz der 50er und 60er Jahre) sowie der "Peter-Immandt-Gesellschaft e.V." und der "Rosa-Luxemburg-Stiftung" (zu den Sicherheitsgesetzen).
In der Protesterklärung der Liga heißt es dazu: "Mit Rolf Gössner wird ausgerechnet ein Streiter gegen den permanenten Abbau von Bürgerrechten behandelt wie ein "Verfassungsfeind" - und nicht etwa jene "Sicherheitspolitiker", die in der Vergangenheit, insbesondere im Zuge der Terrorismusbekämpfung, der Verfassung und den Grundrechten schweren Schaden zufügt haben. Erinnert sei insoweit nur an die Demontage des Asylgrundrechts und an eine ganze Reihe hochproblematischer "Antiterrorgesetze" mit ihren tief greifenden Eingriffen in die Substanz der Bürgerrechte; des Weiteren an den Großen Lauschangriff, die präventive Telekommunikationsüberwachung und das Luftsicherheitsgesetz, die vom Bundesverfassungsgericht für weitgehend verfassungswidrig erklärt wurden."
Seit 1970 unter BfV-Beobachtung
Der Verfassungsschutz beobachtet Rolf Gössner schon seit 1970, also seit nunmehr 35 Jahren. Kurz nach dem ersten Bekanntwerden vor zehn Jahren hatte diese Affäre erhebliche öffentliche Reaktionen hervorgerufen. Der Verband Deutscher Schriftsteller, die IG Medien, die Deutsche Journalisten-Union, Juristenorganisationen, acht Bürgerrechtsgruppen - darunter die Liga - sowie zahlreiche prominente Schriftsteller des deutschen P.E.N.-Zentrums hatten sich damals in Offenen Briefen an das BfV gewandt und gegen die geheimdienstliche Erfassung ihres Kollegen protestiert; auch der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben sich mit seinem Fall befasst - allerdings ohne Ergebnis. Die Beobachtung ging jedenfalls weiter, auch unter der rot-grünen Regierungskoalition, und dauert nachweislich bis heute an. Der Vorstand der Liga fordert das Bundesamt für Verfassungsschutz und die für den Inlandsgeheimdienst verantwortliche Bundesregierung auf, die Überwachung ihres Präsidenten unverzüglich einzustellen und ihm gegenüber sämtliche erfassten Daten offen zulegen!
Weitere Informationen: Email: rolf-goessner@ilmr.de und www.ilmr.org.
Online-Flyer Nr. 33 vom 28.02.2006
Engagierter Verfassungsschützer wird vom "Verfassungsschutz" überwacht
Rolf Gössner klagt in Köln gegen die Bundesrepublik
Von Christel Mertens
Der Präsident der "Internationalen Liga für Menschenrechte" (ILMR) hat beim Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage erhoben. Seine Klagebegründung enthält den Vorwurf, dass er weiterhin unter geheimdienstlicher Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) steht. Das geht aus einem Dossier des Bundesamtes hervor.
Die Liga hat öffentlich gegen diese Ausforschung ihres Vorsitzenden durch den deutschen Inlandsgeheimdienst protestiert. Es bestehe "die große Gefahr, dass damit auch eine international anerkannte Menschenrechtsvereinigung ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist und weiterhin gerät".
Rechtsanwalt Gössners Klage ist zunächst auf eine vollständige Auskunft des BfV über alle zu seiner Person gespeicherten Daten gerichtet, da das Amt weitergehende Auskünfte wegen "Geheimhaltungsbedürftigkeit" und "Ausforschungsgefahr" sowie zum Schutz von "Quellen" verweigert hat; in einem weiteren Schritt soll die Rechtmäßigkeit der Erfassung gerichtlich überprüft und eine Löschung der Daten erstritten werden. Das Verfahren hat nach Auffassung der Liga "über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, denn es geht um ein brisantes Problem, das auch andere Publizisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtler betrifft: Welche Grenzen sind den kaum kontrollierbaren Nachrichtendiensten und ihren geheimen Aktivitäten gezogen - besonders im Umgang mit Berufsgeheimnisträgern und ihm Rahmen unabhängiger Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen?" heißt es in ihrem Protest.
Zur Vorgeschichte:
Im Jahr 2005 hatte Rolf Gössner auf seinen Antrag vom BfV das vorerst letzte Dossier über die ihm zur Last gelegten Aktivitäten erhalten. Grund für seine Überwachung ist laut BfV, dass er Kontakte zu Gruppen und Personen hat, die der Verfassungsschutz (VS) als "linksextremistisch" oder "linksextremistisch beeinflusst" einstuft, ohne jedoch Kriterien für diese Einstufung zu benennen. Dazu zählen etwa die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) und die Rechtshilfegruppe "Rote Hilfe e.V.".
Bei den über ihn gesammelten "Sünden" handelt es sich um Gössner-Artikel, Reden und Interviews, die in Zeitungen und Zeitschriften wie "Junge Welt", "Neues Deutschland", "Geheim", "Unsere Zeit", "antifa" (VVN), "Gegenwind", "anti atom aktuell", "Özgür Genclik", "Die Woche", "Frankfurter Rundschau", "Weser-Kurier" veröffentlicht wurden - bei letzteren vor allem, wenn es darin den Verfassungsschutz selbst geht. Gesammelt wurden aber auch Lesungen und andere Veranstaltungen mit bestimmten Veranstaltern, wie etwa der VVN oder der "Rosa-Luxemburg-Stiftung". Hier wird Rolf Gössner eine Art "Kontaktschuld" zur Last gelegt, nicht etwa eigene verfassungswidrige Bestrebungen.

Rolf Gössner
Foto: Heide Schneider-Sonnemann
Bei den inkriminierten Beiträgen handelt es sich, wie Gössner sagt, ausschließlich um Berufskontakte im Rahmen seiner vielfältigen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, insbesondere seiner Bürger- und Menschenrechtsarbeit. In zahlreichen Publikationen hat er sich kritisch u.a. mit den Praktiken der Sicherheitsorgane, besonders auch der Geheimdienste befasst, so etwa in seinem letzten Buch "Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Kriminelle im Dienst des Staates" (Knaur-Verlag, Müchen 2003).
Oft von Bundestag und Landtagen eingeladen
Immer wieder laden ihn Bundestag und Landtage als Sachverständigen ein, um in Gesetzgebungsverfahren u.a. Polizei- und Geheimdienst-Gesetzentwürfe zu begutachten. Auch von der Polizeiführungsakademie, von Polizeifachhochschulen und selbst vom Verfassungsschutz ist er als Experte zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen worden. Gössner ist auch Mitglied der Jury zur Vergabe des Negativpreises "BigBrotherAward", der an Institutionen und Personen verliehen wird, die besonders gegen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstoßen haben. Als der Preis im Oktober 2005 dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verliehen wurde, hielt Gössner die "Laudatio". Die NRhZ berichtete darüber in ihrem online-Flyer Nr. 16. Vier Beiträge Gössners, die die NRhZ seit August 2005 veröffentlicht hat, sind dem BfV bislang offenbar noch nicht aufgefallen.
Besonders bemerkenswert für die Richter am Kölner Verwaltungsgericht dürfte sein, dass in der BfV-Akten auch öffentliche Aufrufe aufgelistet sind - so einer "zur Unterstützung
antirassistischen und antifaschistischen Engagements vor Ort" der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA), ein Aufruf der "Roten Hilfe" ("Die Archive öffnen!") und ein kurdischer Aufruf "Verboten ist, den Frieden zu verbieten!". Alle drei Aufrufe, so der "Vorwurf" des BfV, habe Gössner als (Erst-) Unterzeichner unterstützt. Darüber hinaus finden sich in der BfV-Liste auch noch seine Referate auf einer Tagung im Rahmen der "Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Kriegs" (zur politischen Justiz der 50er und 60er Jahre) sowie der "Peter-Immandt-Gesellschaft e.V." und der "Rosa-Luxemburg-Stiftung" (zu den Sicherheitsgesetzen).
In der Protesterklärung der Liga heißt es dazu: "Mit Rolf Gössner wird ausgerechnet ein Streiter gegen den permanenten Abbau von Bürgerrechten behandelt wie ein "Verfassungsfeind" - und nicht etwa jene "Sicherheitspolitiker", die in der Vergangenheit, insbesondere im Zuge der Terrorismusbekämpfung, der Verfassung und den Grundrechten schweren Schaden zufügt haben. Erinnert sei insoweit nur an die Demontage des Asylgrundrechts und an eine ganze Reihe hochproblematischer "Antiterrorgesetze" mit ihren tief greifenden Eingriffen in die Substanz der Bürgerrechte; des Weiteren an den Großen Lauschangriff, die präventive Telekommunikationsüberwachung und das Luftsicherheitsgesetz, die vom Bundesverfassungsgericht für weitgehend verfassungswidrig erklärt wurden."
Seit 1970 unter BfV-Beobachtung
Der Verfassungsschutz beobachtet Rolf Gössner schon seit 1970, also seit nunmehr 35 Jahren. Kurz nach dem ersten Bekanntwerden vor zehn Jahren hatte diese Affäre erhebliche öffentliche Reaktionen hervorgerufen. Der Verband Deutscher Schriftsteller, die IG Medien, die Deutsche Journalisten-Union, Juristenorganisationen, acht Bürgerrechtsgruppen - darunter die Liga - sowie zahlreiche prominente Schriftsteller des deutschen P.E.N.-Zentrums hatten sich damals in Offenen Briefen an das BfV gewandt und gegen die geheimdienstliche Erfassung ihres Kollegen protestiert; auch der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben sich mit seinem Fall befasst - allerdings ohne Ergebnis. Die Beobachtung ging jedenfalls weiter, auch unter der rot-grünen Regierungskoalition, und dauert nachweislich bis heute an. Der Vorstand der Liga fordert das Bundesamt für Verfassungsschutz und die für den Inlandsgeheimdienst verantwortliche Bundesregierung auf, die Überwachung ihres Präsidenten unverzüglich einzustellen und ihm gegenüber sämtliche erfassten Daten offen zulegen!
Weitere Informationen: Email: rolf-goessner@ilmr.de und www.ilmr.org.
Online-Flyer Nr. 33 vom 28.02.2006