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Kultur und Wissen
Der Fern-Seher - Folge 11
Wie ich einmal beinahe Johann Wolfgang
von Goethe war
Von Ekkes Frank
Es hat mich schon seit Januar umgetrieben, jetzt endlich wollte ich es wissen: bin ich´s oder bin ich´s nicht? "Du bist Johann Wolfgang von Goethe" sprang es mir beim Lesen des SZ-Magazins aus einer Anzeige ins Auge. Geahnt hatte ich das ja schon immer so ein bisschen.
Und jetzt wurde es mir von überaus kompetenter Seite bestätigt, nämlich von der Initiative "Partner für Innovation". www.du-bist-deutschland.de. Leider knicken diese Partner schon im dritten Satz wieder ein: "Du bist wahrscheinlich nicht Goethe." Heißt es da. Ja was denn nu? Meine Verwirrung wuchs. Heißt das, wir sind sehr wahrscheinlich auch nicht Papst? Und wenn ich schon nicht Goethe bin, um wie viel unwahrscheinlicher ist es dann, dass ich Deutschland bin? Das aber nehmen sie nirgends zurück. Ich lese also weiter: "...wäre es nicht interessant, herauszufinden, ob ein wenig von ihm nicht auch in dir steckt?" Äh - von wem? In wem? Von Goethe in Deutschland? Von Deutschland in Goethe? Von beidem in mir? Von mir in beiden?
"Außer der Briefmarke und einen Umschlag kostet es nichts, genau das herauszufinden", ermutigt mich die Aktion deutscher Medien, die hinter alledem steckt. Aber weil ich ja Rentner bin und deshalb jeden Brief dreimal umdrehen muss, bevor ich ihn aufgebe, lese ich erst nochmal weiter. Was habe ich denn davon, wenn ich das herausfinde? "Der Profit könnten Kinder sein", lese ich. Kinder? Ein Profit? In dieser deutschen Gesellschaft??? Wieso? "...die dich verfluchen, weil sie deine Gedichte aufsagen müssen." Kinder, die mich verfluchen - will ich das? Natürlich nicht! Aber dann kommt es: "...und ein netter Geldregen." Na toll! Also her mit dem Umschlag und - tja, was pack ich da aber hinein? Auch hier wird mir Hilfe aus der Anzeige: "...deine Buchidee", die schon seit 25 Jahren "in der Schublade liegt". Ich also zur Schublade - und tatsächlich, da liegt eine ganze Menge drin! Satiren, die keine Rundfunkanstalt senden mochte, weil sie die CSU oder die SPD aufs Korn nahmen. Lieder, die zu politisch waren. Parodien auf deutsche Nationalheiligtümer wie Martin Luther, Joschka Fischer, Ernst Jünger, Sabine Christiansen, Klaus Rainer Röhl, Carolin Rrrrraibrrr und Goethes Faust - äh, äh...
Nee, nee Das wird nix, seh ich schon. Und wenn die freundlichen Partner mir noch so sehr Honig ums Maul schmieren wollen: "Egal wie das Ergebnis aussieht", locken sie mich, "eins ist sicher: Deine Texte haben mehr verdient, als ungelesen zu bleiben. Geschichten müssen gelesen werden - sonst sind es einfach nur Buchstaben." Das ist ja gar nicht so falsch und lang nicht so dumm, wie man nach dem bisherigen Anzeigentext annehmen müsste.

Unser Fern-Seher
Foto: NRhZ-Archiv
Andererseits: da ich weiß, wie das Ergebnis aussieht (ich hab die meisten dieser Texte ja schon mal verschickt), spare ich mir das Porto, geh dafür schön essen und lebe auch weiterhin mit der schmerzenden Gewissheit, dass ich "wahrscheinlich nicht Goethe" bin, vermutlich auch nicht Schiller, Büchner, Beethoven, Beckenbauer, Zlatko, Jürgens (weder Curd noch Udo), und schon gleich gar nicht Müntefering, Schily oder Struck. Die Wahrheit ist viel bitterer, die (u.a. auch vom Süddeutschen Verlag unterstützte) Kampagne haut sie mir unablässig und in immer neuen Varianten um meine armen Ohren: Du bist Deutschland... Du bist Deutschland... Du bist Deutschland...
Online-Flyer Nr. 32 vom 21.02.2006
Der Fern-Seher - Folge 11
Wie ich einmal beinahe Johann Wolfgang
von Goethe war
Von Ekkes Frank
Es hat mich schon seit Januar umgetrieben, jetzt endlich wollte ich es wissen: bin ich´s oder bin ich´s nicht? "Du bist Johann Wolfgang von Goethe" sprang es mir beim Lesen des SZ-Magazins aus einer Anzeige ins Auge. Geahnt hatte ich das ja schon immer so ein bisschen.
Und jetzt wurde es mir von überaus kompetenter Seite bestätigt, nämlich von der Initiative "Partner für Innovation". www.du-bist-deutschland.de. Leider knicken diese Partner schon im dritten Satz wieder ein: "Du bist wahrscheinlich nicht Goethe." Heißt es da. Ja was denn nu? Meine Verwirrung wuchs. Heißt das, wir sind sehr wahrscheinlich auch nicht Papst? Und wenn ich schon nicht Goethe bin, um wie viel unwahrscheinlicher ist es dann, dass ich Deutschland bin? Das aber nehmen sie nirgends zurück. Ich lese also weiter: "...wäre es nicht interessant, herauszufinden, ob ein wenig von ihm nicht auch in dir steckt?" Äh - von wem? In wem? Von Goethe in Deutschland? Von Deutschland in Goethe? Von beidem in mir? Von mir in beiden?

Nee, nee Das wird nix, seh ich schon. Und wenn die freundlichen Partner mir noch so sehr Honig ums Maul schmieren wollen: "Egal wie das Ergebnis aussieht", locken sie mich, "eins ist sicher: Deine Texte haben mehr verdient, als ungelesen zu bleiben. Geschichten müssen gelesen werden - sonst sind es einfach nur Buchstaben." Das ist ja gar nicht so falsch und lang nicht so dumm, wie man nach dem bisherigen Anzeigentext annehmen müsste.

Unser Fern-Seher
Foto: NRhZ-Archiv
Andererseits: da ich weiß, wie das Ergebnis aussieht (ich hab die meisten dieser Texte ja schon mal verschickt), spare ich mir das Porto, geh dafür schön essen und lebe auch weiterhin mit der schmerzenden Gewissheit, dass ich "wahrscheinlich nicht Goethe" bin, vermutlich auch nicht Schiller, Büchner, Beethoven, Beckenbauer, Zlatko, Jürgens (weder Curd noch Udo), und schon gleich gar nicht Müntefering, Schily oder Struck. Die Wahrheit ist viel bitterer, die (u.a. auch vom Süddeutschen Verlag unterstützte) Kampagne haut sie mir unablässig und in immer neuen Varianten um meine armen Ohren: Du bist Deutschland... Du bist Deutschland... Du bist Deutschland...
Online-Flyer Nr. 32 vom 21.02.2006