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Kultur und Wissen
ARTCORE erinnert an die jüdische Künstlerin Charlotte Salomon
„Leben? Oder Theater?“
Von Sandra Evertz

Gemälde von Charlotte Salomon (Sam-
mlung Jüdisch-Historisches Museum,
Amsterdam/ © Charlotte-Salomon-Stiftung
Sie hätte ein unbeschwertes, normales Leben haben können. Hineingeboren in eine gut situierte Familie wächst Charlotte Salomon in den Goldenen Zwanziger Jahren in Berlin auf, vom Umfeld geliebt und gefördert und, wie sich schon in ihrer Jugend herausstellt, gesegnet mit großem künstlerischen Talent. Und damit, in ihrer ganzen künstlerischen Vielfalt, hätte sie sicher einigen Ruhm und Anerkennung erlangen können.
Die Vorsehung ist eine andere. Neben dem Aufkommen des Nationalsozialismus, der für die jüdische Familie Salomon in Deutschland nicht nur Existenz bedrohend, sondern bald zu einer tödlichen Gefahr wird, sie entwurzelt und in die Flucht ins Ausland treibt, lastet ein schweres Schicksal auf den Salomons. Fünf nahe Verwandte – darunter Mutter, Tante und Großmutter – begehen Selbstmord und konfrontieren Charlotte mit dem für Kinder kaum begreiflichen Tod.

Im französischen Exil (Sammlung Jüdisch-
Historisches Museum, Amsterdam)
Die junge Künstlerin sieht sich mit Anfang 20 schließlich vor die Frage gestellt, sich auch „das Leben zu nehmen oder etwas ganz Verrückt-Besonderes zu unternehmen.“ Verzweifelt, mit dem Tod als ständigem Begleiter, aber überwiegendem Lebensmut schafft sie in 18 Monaten, zwischen 1940 und 1942 im französischen Exil, ein Mammutkunstwerk: einen Zyklus aus über 1.000 Bildern, mit zahlreichen erläuternden Texten und Hinweisen auf Musik. Die Arbeit ist stark autobiografisch geprägt, wirkt wie eine rauschhafte, intensive Aufarbeitung ihres kurzen Lebens. Im Herbst 1943, nur wenige Monate nach der Fertigstellung des Werks, werden Charlotte und ihr noch ungeborenes Baby im KZ ermordet.
Für Andreas Schäfer und Claudia Gahrke, die Köpfe des Künstlerkollektivs ARTCORE, war es nach den ersten Berührungspunkten mit Charlotte Salomon – in einer Ausstellung letztes Jahr im Jüdischen Museum Berlin – ein Muss, ihre Geschichte zu inszenieren. „Wir wollten unbedingt, dass sie nicht in Vergessenheit gerät! Für die Bühnenadaption haben wir viel im virtuellen Exil-Archiv recherchiert und uns die gesamte Literatur von und über Charlotte besorgt“, berichtet Regisseur Schäfer, der über die jüdische Künstlerin wie über eine lieb gewonnene Freundin spricht.
Gemeinsam mit Schauspielerin und Sprecherin Gahrke hat er monatelang die Bild-, Musik- und Textauswahl getroffen. Dabei musste viel gekürzt werden. Schäfer: „Wir fanden es wichtig, uns an die Vorgaben von Charlotte zu halten. Uns ging es aber nicht um eine museale Umsetzung, sondern darum, den Text in die Gegenwart zu heben.“

Sprecher des Hörspiels Mark Weigel, Claudia Gahrke und Bodo Primus
Auf die Bühne gelangte das Live-Hörspiel erstmals im Rahmen des XIV. Forums der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft im Rex-Theater Wuppertal: mit den drei Sprechern Claudia Gahrke, Bodo Primus und Mark Weigel, den Musikern Ruthilde Holzenkamp und Herbert Mitschke und Michael König als Live-VJ.
Dem Visual Jockey gelang es auf faszinierende Weise, ausgewählte Bilder aus Charlotte Salomons „Leben? Oder Theater?“-Zyklus mit Live-Kameraaufnahmen der Sprecher und der Musiker auf der Bühne zu verschmelzen. Der Einsatz dieser verschiedenen und auch neuen Medien war als verbindendes Element das Tüpfelchen auf dem „i“ der Inszenierung. Es gab ihr einen zeitgemäßen, modernen Anstrich, ohne aber auch nur einmal künstlich oder aufgesetzt zu wirken.
Insgesamt war es ein sehr kurzweiliger Abend, bei dem auf originelle, liebevolle und respektvolle Weise eine Künstlerin vorgestellt wurde, die bis dato vielen im Publikum sicherlich unbekannt war. Eine berührende Aufführung, die traurig und nachdenklich stimmte, bei der die unglaublich positive Energie der Charlotte Salomon aber nie fehlte. (CH)
Online-Flyer Nr. 175 vom 03.12.2008
ARTCORE erinnert an die jüdische Künstlerin Charlotte Salomon
„Leben? Oder Theater?“
Von Sandra Evertz

Gemälde von Charlotte Salomon (Sam-
mlung Jüdisch-Historisches Museum,
Amsterdam/ © Charlotte-Salomon-Stiftung
Die Vorsehung ist eine andere. Neben dem Aufkommen des Nationalsozialismus, der für die jüdische Familie Salomon in Deutschland nicht nur Existenz bedrohend, sondern bald zu einer tödlichen Gefahr wird, sie entwurzelt und in die Flucht ins Ausland treibt, lastet ein schweres Schicksal auf den Salomons. Fünf nahe Verwandte – darunter Mutter, Tante und Großmutter – begehen Selbstmord und konfrontieren Charlotte mit dem für Kinder kaum begreiflichen Tod.

Im französischen Exil (Sammlung Jüdisch-
Historisches Museum, Amsterdam)
Für Andreas Schäfer und Claudia Gahrke, die Köpfe des Künstlerkollektivs ARTCORE, war es nach den ersten Berührungspunkten mit Charlotte Salomon – in einer Ausstellung letztes Jahr im Jüdischen Museum Berlin – ein Muss, ihre Geschichte zu inszenieren. „Wir wollten unbedingt, dass sie nicht in Vergessenheit gerät! Für die Bühnenadaption haben wir viel im virtuellen Exil-Archiv recherchiert und uns die gesamte Literatur von und über Charlotte besorgt“, berichtet Regisseur Schäfer, der über die jüdische Künstlerin wie über eine lieb gewonnene Freundin spricht.
Gemeinsam mit Schauspielerin und Sprecherin Gahrke hat er monatelang die Bild-, Musik- und Textauswahl getroffen. Dabei musste viel gekürzt werden. Schäfer: „Wir fanden es wichtig, uns an die Vorgaben von Charlotte zu halten. Uns ging es aber nicht um eine museale Umsetzung, sondern darum, den Text in die Gegenwart zu heben.“

Sprecher des Hörspiels Mark Weigel, Claudia Gahrke und Bodo Primus
Auf die Bühne gelangte das Live-Hörspiel erstmals im Rahmen des XIV. Forums der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft im Rex-Theater Wuppertal: mit den drei Sprechern Claudia Gahrke, Bodo Primus und Mark Weigel, den Musikern Ruthilde Holzenkamp und Herbert Mitschke und Michael König als Live-VJ.
Dem Visual Jockey gelang es auf faszinierende Weise, ausgewählte Bilder aus Charlotte Salomons „Leben? Oder Theater?“-Zyklus mit Live-Kameraaufnahmen der Sprecher und der Musiker auf der Bühne zu verschmelzen. Der Einsatz dieser verschiedenen und auch neuen Medien war als verbindendes Element das Tüpfelchen auf dem „i“ der Inszenierung. Es gab ihr einen zeitgemäßen, modernen Anstrich, ohne aber auch nur einmal künstlich oder aufgesetzt zu wirken.
Insgesamt war es ein sehr kurzweiliger Abend, bei dem auf originelle, liebevolle und respektvolle Weise eine Künstlerin vorgestellt wurde, die bis dato vielen im Publikum sicherlich unbekannt war. Eine berührende Aufführung, die traurig und nachdenklich stimmte, bei der die unglaublich positive Energie der Charlotte Salomon aber nie fehlte. (CH)
Online-Flyer Nr. 175 vom 03.12.2008