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"Europa erlesen: Köln" - Text 3
Zu Cöllen kam ich spät Abends an
HEINRICH HEINE
Zu Cöllen kam ich spät Abends an,
Da hörte ich rauschen den Rheinfluß,
Da fächelte mich schon deutsche Luft,
Da fühlt ich ihren Einfluß -
Auf meinen Appetit. Ich aß
Dort Eierkuchen mit Schinken,
Und da er sehr gesalzen war,
Mußt ich auch Rheinwein trinken.
Der Rheinwein glänzt noch immer wie Gold
Im grünen Römerglase,
Und trinkst du etwelche Schoppen zu viel,
So steigt er dir in die Nase.
In die Nase steigt ein Prickeln so süß,
Man kann sich vor Wonne nicht lassen!
Es trieb mich hinaus in die dämmernde Nacht,
In die widerhallenden Gassen.
Die steinernen Häuser schauten mich an,
Als wollten sie mir berichten
Legenden aus altverschollener Zeit,
Der heiligen Stadt Cöllen Geschichten.
Ja, hier hat einst die Klerisei
Ihr frommes Wesen getrieben,
Hier haben die Dunkelmänner geherrscht,
Die Ulrich von Hütten beschrieben.
Der Cancan des Mittelalters ward hier
Getanzt von Nonnen und Mönchen;
Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Cöln,
Die giftgen Denunziaziönchen.

Heinrich Heine
Foto: Wikipedia
Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
Bücher und Menschen verschlungen;
Die Glocken wurden geläutet dabei
Und Kyrie Eleison gesungen.
Dummheit und Bosheit buhlten hier
Gleich Hunden auf freier Gasse;
Die Enkelbrut erkennt man noch heut
An ihrem Glaubenshasse. -
Doch siehe! dort im Mondenschein
Den kolossalen Gesellen!
Er ragt verteufelt schwarz empor,
Das ist der Dom von Cöllen.
Er sollte des Geistes Bastille sein,
Und die listigen Römlinge dachten:
In diesem Riesenkerker wird
Die deutsche Vernunft verschmachten!
Da kam der Luther, und er hat
Sein großes »Halt!« gesprochen -
Seit jenem Tage blieb der Bau
Des Domes unterbrochen.
Er ward nicht vollendet - und das ist gut.
Denn eben die Nichtvollendung
Macht ihn zum Denkmal von Deutschlands Kraft
Und protestantischer Sendung.

Der junge Heinrich Heine
Foto: Wikipedia
Ihr armen Schelme vom Domverein,
Ihr wollt mit schwachen Händen
Fortsetzen das unterbrochene Werk
Und die alte Zwingburg vollenden!
O törichter Wahn! Vergebens wird
Geschüttelt der Klingelbeutel,
Gebettelt bei Ketzern und Juden sogar,
Ist alles fruchtlos und eitel.
Vergebens wird der große Franz Liszt
Zum Besten des Doms musizieren,
Und ein talentvoller König wird
Vergebens deklamieren!
Er wird nicht vollendet, der Cölner Dom,
Obgleich die Narren in Schwaben
Zu seinem Fortbau ein ganzes Schiff
Voll Steine gesendet haben.
Es wird nicht vollendet, trotz allem Geschrei
Der Raben und der Eulen,
Die, altertümlich gesinnt, so gern
In hohen Kirchtürmen weilen.
Ja, kommen wird die Zeit sogar,
Wo man, statt ihn zu vollenden,
Die inneren Räume zu einem Stall
Für Pferde wird verwenden.
»Und wird der Dom ein Pferdestall,
Was sollen wir dann beginnen
Mit den heiligen drei Köngen, die da ruhn
Im Tabernakel da drinnen?«
So höre ich fragen. Doch brauchen wir uns
In unserer Zeit zu genieren?
Die heiligen drei Könge aus Morgenland
Sie können wo anders logieren.
Folgt meinem Rat und steckt sie hinein
In jene drei Körbe von Eisen,
Die hoch zu Münster hängen am Turm,
Der Sankt Lamberti geheißen.
Der Schneiderkönig saß darin
Mit seinen beiden Räten,
Wir aber benutzen die Körbe jetzt
Für andre Majestäten.
Zur Rechten soll Herr Balthasar,
Zur Linken Herr Melchior schweben,
In der Mitte Herr Gaspar - Gott weiß, wie einst
Die drei gehaust im Leben!
Die heilige Allianz des Morgenlands,
Die jetzt kanonisieret,
Sie hat vielleicht nicht immer schön
Und fromm sich aufgeführet.
Der Balthasar und der Melchior,
Das waren vielleicht zwei Gäuche,
Die in der Not eine Konstitution
Versprochen ihrem Reiche,
Und später nicht Wort gehalten -
Es hat Herr Gaspar, der König der Mohren,
Vielleicht mit schwarzem Undank sogar
Belohnt sein Volk, die Toren!
Fotos: Wikipedia


In seiner im Wieser-Verlag erschienenen Anthologie "Europa erlesen: Köln" hat der Autor und Regisseur Joachim Dennhardt bekannte und unbekannte historische Texte über Köln zusammengestellt - u. a. von Petrarca, Casanova, Goethe, Bettina von Arnim, Heine, Hugo, Jakob Burckhardt, Bebel, Apollinaire, Celan - sowie neue Texte von Beikircher, Böll, Heidenreich, Kermani, Neukirchen, Nowottny, Pachl, Pleitgen, Wallraff und vielen anderen.
Am Dienstag, 21.Februar, ab 20 Uhr wird das Buch im Literaturhaus im Kölner Mediapark vorgestellt. Kölner AutorInnen werden ihre eigenen und historische Texte über die Stadt vorlesen, in der einst Rolf Dieter Brinkmann ein Gedicht mit den Versen schloss: "Ich / schrieb das schnell auf, bevor / der Moment in der verfluchten / dunstigen Abgestorbenheit Kölns / wieder erlosch."
Wir bringen heute den dritten Teil einer sechsteiligen Serie aus diesem Köln-Buch - mit je drei Texten von "alten" und lebenden AutorInnen. Sie begann mit Petrarca in NRhZ 28.



"Europa erlesen: Köln",
Hg. Joachim Dennhardt,
ISBN 3 85129 572 2,
Wieser-Verlag , Klagenfurt
Online-Flyer Nr. 30 vom 07.02.2006
"Europa erlesen: Köln" - Text 3
Zu Cöllen kam ich spät Abends an
HEINRICH HEINE
Zu Cöllen kam ich spät Abends an,
Da hörte ich rauschen den Rheinfluß,
Da fächelte mich schon deutsche Luft,
Da fühlt ich ihren Einfluß -
Auf meinen Appetit. Ich aß
Dort Eierkuchen mit Schinken,
Und da er sehr gesalzen war,
Mußt ich auch Rheinwein trinken.
Der Rheinwein glänzt noch immer wie Gold
Im grünen Römerglase,
Und trinkst du etwelche Schoppen zu viel,
So steigt er dir in die Nase.
In die Nase steigt ein Prickeln so süß,
Man kann sich vor Wonne nicht lassen!
Es trieb mich hinaus in die dämmernde Nacht,
In die widerhallenden Gassen.
Die steinernen Häuser schauten mich an,
Als wollten sie mir berichten
Legenden aus altverschollener Zeit,
Der heiligen Stadt Cöllen Geschichten.
Ja, hier hat einst die Klerisei
Ihr frommes Wesen getrieben,
Hier haben die Dunkelmänner geherrscht,
Die Ulrich von Hütten beschrieben.
Der Cancan des Mittelalters ward hier
Getanzt von Nonnen und Mönchen;
Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Cöln,
Die giftgen Denunziaziönchen.

Heinrich Heine
Foto: Wikipedia
Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
Bücher und Menschen verschlungen;
Die Glocken wurden geläutet dabei
Und Kyrie Eleison gesungen.
Dummheit und Bosheit buhlten hier
Gleich Hunden auf freier Gasse;
Die Enkelbrut erkennt man noch heut
An ihrem Glaubenshasse. -
Doch siehe! dort im Mondenschein
Den kolossalen Gesellen!
Er ragt verteufelt schwarz empor,
Das ist der Dom von Cöllen.
Er sollte des Geistes Bastille sein,
Und die listigen Römlinge dachten:
In diesem Riesenkerker wird
Die deutsche Vernunft verschmachten!
Da kam der Luther, und er hat
Sein großes »Halt!« gesprochen -
Seit jenem Tage blieb der Bau
Des Domes unterbrochen.
Er ward nicht vollendet - und das ist gut.
Denn eben die Nichtvollendung
Macht ihn zum Denkmal von Deutschlands Kraft
Und protestantischer Sendung.

Der junge Heinrich Heine
Foto: Wikipedia
Ihr armen Schelme vom Domverein,
Ihr wollt mit schwachen Händen
Fortsetzen das unterbrochene Werk
Und die alte Zwingburg vollenden!
O törichter Wahn! Vergebens wird
Geschüttelt der Klingelbeutel,
Gebettelt bei Ketzern und Juden sogar,
Ist alles fruchtlos und eitel.
Vergebens wird der große Franz Liszt
Zum Besten des Doms musizieren,
Und ein talentvoller König wird
Vergebens deklamieren!
Er wird nicht vollendet, der Cölner Dom,
Obgleich die Narren in Schwaben
Zu seinem Fortbau ein ganzes Schiff
Voll Steine gesendet haben.
Es wird nicht vollendet, trotz allem Geschrei
Der Raben und der Eulen,
Die, altertümlich gesinnt, so gern
In hohen Kirchtürmen weilen.
Ja, kommen wird die Zeit sogar,
Wo man, statt ihn zu vollenden,
Die inneren Räume zu einem Stall
Für Pferde wird verwenden.
»Und wird der Dom ein Pferdestall,
Was sollen wir dann beginnen
Mit den heiligen drei Köngen, die da ruhn
Im Tabernakel da drinnen?«
So höre ich fragen. Doch brauchen wir uns
In unserer Zeit zu genieren?
Die heiligen drei Könge aus Morgenland
Sie können wo anders logieren.
Folgt meinem Rat und steckt sie hinein
In jene drei Körbe von Eisen,
Die hoch zu Münster hängen am Turm,
Der Sankt Lamberti geheißen.
Der Schneiderkönig saß darin
Mit seinen beiden Räten,
Wir aber benutzen die Körbe jetzt
Für andre Majestäten.
Zur Rechten soll Herr Balthasar,
Zur Linken Herr Melchior schweben,
In der Mitte Herr Gaspar - Gott weiß, wie einst
Die drei gehaust im Leben!
Die heilige Allianz des Morgenlands,
Die jetzt kanonisieret,
Sie hat vielleicht nicht immer schön
Und fromm sich aufgeführet.
Der Balthasar und der Melchior,
Das waren vielleicht zwei Gäuche,
Die in der Not eine Konstitution
Versprochen ihrem Reiche,
Und später nicht Wort gehalten -
Es hat Herr Gaspar, der König der Mohren,
Vielleicht mit schwarzem Undank sogar
Belohnt sein Volk, die Toren!
Fotos: Wikipedia


In seiner im Wieser-Verlag erschienenen Anthologie "Europa erlesen: Köln" hat der Autor und Regisseur Joachim Dennhardt bekannte und unbekannte historische Texte über Köln zusammengestellt - u. a. von Petrarca, Casanova, Goethe, Bettina von Arnim, Heine, Hugo, Jakob Burckhardt, Bebel, Apollinaire, Celan - sowie neue Texte von Beikircher, Böll, Heidenreich, Kermani, Neukirchen, Nowottny, Pachl, Pleitgen, Wallraff und vielen anderen.
Am Dienstag, 21.Februar, ab 20 Uhr wird das Buch im Literaturhaus im Kölner Mediapark vorgestellt. Kölner AutorInnen werden ihre eigenen und historische Texte über die Stadt vorlesen, in der einst Rolf Dieter Brinkmann ein Gedicht mit den Versen schloss: "Ich / schrieb das schnell auf, bevor / der Moment in der verfluchten / dunstigen Abgestorbenheit Kölns / wieder erlosch."
Wir bringen heute den dritten Teil einer sechsteiligen Serie aus diesem Köln-Buch - mit je drei Texten von "alten" und lebenden AutorInnen. Sie begann mit Petrarca in NRhZ 28.



"Europa erlesen: Köln",
Hg. Joachim Dennhardt,
ISBN 3 85129 572 2,
Wieser-Verlag , Klagenfurt
Online-Flyer Nr. 30 vom 07.02.2006