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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Arbeit und Soziales
Kölner Linke will mit anderen gegen "Hartz IV" kämpfen
"Widerstand bündeln - Betroffene stärken"
Von Hans-Dieter Hey

Unter diesem Motto hat am Donnerstag die neue Linksfraktion im Kölner Stadtrat zur Diskussion eingeladen. Es soll über gemeinsame Strategien gegen die Folgen von "Hartz IV" nachgedacht werden. Das Bündnis aus PDS, WASG und "Gemeinsam gegen Sozialraub" will zunächst den "Köln-Paß" wieder durchsetzen. Doch "Die Linke" hat im Rat keine Mehrheit. Deshalb stehen die Chancen trotz des guten Willens ungünstig. Mit Aufklärungsarbeit und außerparlamentarischer Opposition soll nun in breiten Bündnissen mehr Druck auf den Rat ausgeübt werden, um die Lebenssituation von Kölner Bürgerinnen und Bürgern zu verbessern.

Widerstand soll durch breite Basis wachsen

Unterstützung bekommt die Veranstaltung durch Helga Spindler, Professsorin für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Arbeitsrecht an der Universität Essen. Die Kölnerin setzt sich seit Jahren mit den Themen Erwerbsloser und Sozialhilfeempfänger fachlich auseinander und tritt für deren Rechte ein. In ihrer Rede macht sie deutlich, dass die Stadt Köln an der Entrechtung und Verarmung ihrer erwerbslosen Bürgerinnen und Bürger eine große Verantwortung trägt. Seit 1993 habe die Kölner Verwaltung den Schwerpunkt nicht auf Qualifizierung und Vermittlung, sondern auf Einsparungen im städtischen Haushalt gelegt. Mit Pilotprojekten wie "Sprungbrett" und "Mozart" war Köln unter der sozialdemokratischen Führung von Norbert Rüther schon damals Vorreiter der so genannten Hartz-Reformen.

Willige Helfer dieser Kölner Sonderpraxis seien der "Internationale Bund für Sozialarbeit" (IB), "Zug um Zug" und andere Träger gewesen, die sich für entsprechendes Entgelt gern einspannen liessen. Vor allem für Jugendliche bestand kaum die Chance einer Gegenwehr, weil, so Helga Spindler, "die Wohlfahrtsverbände und vor allem die Gewerkschaften ihre Hand darüber hatten, deren Geschäftsführer fast alle parteipolitisch organisiert sind. Das war also sauber abgesichert bis heute."

Die unrühmliche Rolle der Gewerkschaften beklagt auch ein ehemaliges Präsidiumsmitglied des Erwerbslosenausschusses von ver.di: "Viele Forderungen der Erwerbslosen wurden in den nächst höheren Gremien wieder zunichte gemacht. Es ist nicht auszuschließen, dass Parteibücher hier eine Rolle spielten." Durch die Sonderpraxis der Kölner Verwaltung unter Druck gesetzt und eingeschüchtert, hätten die Betroffenen wenig Widerstand aufbringen können. Mit diesen Erfahrungen sei es dann leicht gewesen, "Hartz IV" bundesweit durchzusetzen.

Inzwischen habe sich gezeigt, dass "Hartz IV" ein völlig falscher Weg war und die Probleme am Arbeitsmarkt noch verschärft hat. "Hartz IV" sei nicht nur Armut per Gesetz. Mit "Hartz IV" habe ein Wechsel stattgefunden, "der sehr, sehr ernst zu nehmen ist. Es geht viel tiefer, als die meisten Menschen glauben", zog die Professorin für Arbeits- und Sozialrecht ihr Fazit.

Die Teilnehmer der Veranstaltungen waren sich daher einig, dass Veränderungen nur gelingen können, wenn ein breites öffentliches Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Umkehr hergestellt werden kann. Außer Wohlfahrtsverbänden, sozialen Organisationen, dem Kölner Erwerbslosenrat, der Frauen gegen Erwerbslosigkeit, der Montagsdemo und Attac will man auch die Gewerkschaften trotz der teilweise schlechten Erfahrungen wieder mit ins Boot nehmen, um gemeinsam mehr Widerstand entwickeln zu können.

Professorin Helga Spindler: Stadt Köln trägt Verantwortung für Verarmung und Entrechtung
Professorin Helga Spindler: Stadt Köln trägt Verantwortung für Verarmung und Entrechtung
Foto: Hans-Dieter Hey



Die nächsten Ziele: Gegen 1-Euro-Jobs und für den "Köln-Paß'"

Der Erwerbslosenrat Köln lehnt in seinem diskutierten Positionspapier die Ausweitung der 1-Euro-Jobs ab. Er erinnert daran, dass damit die Erwerbslosigkeit nicht gesenkt werden konnte, sondern dass im Gegenteil normale Beschäftigungsverhältnisse verdrängt und das Ansehen qualifizierter Berufsausbildungen entwertet wurden. Deshalb soll darauf gedrängt werden, 1-Euro-Jobs nur für Menschen mit ganz besonders starken Integrationsschwierigkeiten anzuwenden. Für diese Fragen sollen vor allem Betriebs- und Personalräte sensibilisiert werden.

Als aktuelle Maßnahme soll über die Linkspartei im Stadtrat durchgesetzt werden, dass der Köln-Pass wieder eingeführt wird, damit verarmte Kölner am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Hierzu hat der Zusammenschluss der Kölner Erwerbslosengruppen die neue Linksfraktion zu einem Gespräch eingeladen. Dass sich Grüne und SPD einen ähnlichen Vorschlag ausgedacht haben, erschien Teilnehmern des Treffens als politisches Kaspertheater. Denn als Köln-Pass wurde er zuerst von der rot-grünen Regierung und später als Familien-Pass von der rot-schwarzen Regierung eingestampft.

Dem Forum vom Donnerstag sollen weitere folgen. Auf die Ergebnisse kann mit Spannung gewartet werden. Auf jeden Fall liegt in Köln wieder Politik in der Luft.


Online-Flyer Nr. 30  vom 07.02.2006



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