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Literatur
Der Fortsetzungsroman in der NRhZ - Folge 9
"Zwielicht"
von Erasmus Schöfer
Das Mannesmann-Management hat beschlossen, den Düsseldorfer Betrieb stillzulegen. Daraufhin wird der unbotmäßige und darum abgehalfterte Betriebsrat Manfred Anklam von seinen Kollegen wieder zu Hilfe gerufen, um Aktionen vorzubereiten. Im Werk herrschen Unruhe und Empörung.
Andre Vorarbeiter versuchten sich hervorzutun durch unnachsichtiges Antreiben der Renitenten und Widerwilligen, der Lustlosen und Deprimierten - die bevorstehende Schließung und ihre Umsetzung in einen andern Konzernbetrieb schon fest im Blick. Die Facharbeiter - die Belegschaft dieses Betriebs der Metallverarbeitung bestand überwiegend aus solchen - hielten sich aufgrund ihrer Qualifikation und Berufserfahrung für kaum bedroht durch Arbeitslosigkeit. Sie beunruhigte mehr die Aussicht, stundenlange Anfahrten zu den Konzernbetrieben in andern Orten des Ruhrgebiets in Kauf nehmen zu müssen oder durch einen Umzug mit ihren Familien die Kinder aus ihrer gewohnten Lebensumwelt herausreißen zu sollen. Sie erwarteten von den Verhandlungen ihres Betriebsrates mit der Geschäftsleitung genauere Informationen über die in Aussicht gestellten Ersatzarbeitsplätze.
Anklam, den die freigestellten Kollegen nicht zu diesen Gesprächen mitnahmen, nutzte die Zeit im Betriebsratbüro zum Telefonieren mit den Kollegen in Rath, Lierenfeld und Hilden und erfuhr, was er erwartet hatte: dass dort eher Personalabbau als die Einstellung neuer Facharbeiter angesagt war. Über die Vertrauensleute gab er diese Nachricht weiter an die Belegschaft.
Am dritten Tag nach der Hiobsbotschaft war die Stimmung im Werk merkbar deutlich umgeschlagen von erbitterter Ratlosigkeit in den Wunsch, das verhängte Schicksal nicht tatenlos hinzunehmen. Einige Arbeiter im Schmiedewerk hatten sich die Bestimmungen der Gewerbeaufsicht besorgt, die Lärmschutzverordnung, die Sicherheitsauflagen für die Maschinen, arbeiteten gezielt langsamer. Als der Vorarbeiter dagegen einschreiten wollte, hielten sie ihm die Papiere unter die Nase: Da - lies mal, wie hier gegen die Schutzbestimmungen verstoßen wird! Sorg erst mal für die Einhaltung der Vorschriften, eh du uns antreibst!
Erich Kleiner, ein bekannter Scharfmacher, blies in die Glut, faule Ausreden, noch nie habt ihr euch an die Vorschriften gehalten, wenns um eure Leistungszulagen ging! Da stoben dann die Funken: Auf dich haben wir gewartet Erich! Hältst besser das Maul jetzt, bist mitschuld an dem Schlamassel, bist mit der Unterschriftsliste rumgerannt gegen den Kollegen Anklam, dass der abgeschossen wurde, weil er nämlich was unternehmen wollte gegen die Entlassungen, mit dem hätten wir nicht über Nacht in der Scheiße gesessen, sondern hätten denen gezeigt, dass sie uns nicht um den Finger wickeln können!
Als der nicht aufgab, mit hochrotem Kopf versprach, ihnen eine halbe Stunde vom Lohn abzuziehn, da fackelten sie nicht weiter, zogen, wie die glorreichen Vier von Wicküler, aber im Blaumann, zur Ausübung ihres Beschwerderechts wegen nicht eingehaltener Sicherheitsvorschriften, zum Betriebsratbüro.
Dort saß Manfred Anklam als Stallwache mit Unterstützung der Sekretärin Elfriede, versorgte das Telefon. Die fünf Mitglieder des Betriebsausschusses verhandelten zum dritten Mal mit der GL, seit einer Stunde. Vorher hatten sie gemeinsam die Marschlinie beraten. Es sollte vor allem um die Einberufung einer außerordentlichen Betriebsversammlung gehn, für Donnerstag mittag. Kemperdieks Befürchtung, die Geschäftsleitung würde den Termin ablehnen mit der Begründung, nicht rechtzeitig informiert worden zu sein, widerlegten sie mit der unabweisbaren Dringlichkeit, die durch den NachtundNebel Beschluss des Konzerns verursacht worden war. Per Abstimmung hatten sie ihren Verhandlungsführer verpflichtet, auf dem Termin zu bestehn, der auch im Intresse der Leitung liegen müsse, um dort durch entsprechende Erklärungen die in der Belegschaft brodelnde Empörung zu beschwichtigen. Anklam war sich ziemlich sicher, dass das Gegenteil von Beruhigung bei der Versammlung herausspringen würde, aber das sagte er nicht.
Als die vier Arbeiter aus der Schmiede ins Büro polterten und sich vor Anklams Schreibtisch aufpflanzten, klingelte das Telefon. Entschuldigt einen Augenblick Kollegen - bin gleich für euch da! Am andern Apparat war Erich Kleiner, fast zu Sprachlosigkeit erstaunt, als er Anklams Namen und Stimme hörte. Den Kollegen Kemperdiek wollte er sprechen, wieso denn er da sitze? Anklam stellte sich vor, schmunzelnd, als Mitglied von Kemperdieks Krisenstab und Feuerwehr, ob er ihm helfen könne? Nee danke, wollte nur von Kurt mal hörn was läuft.
So Kollegen, zu euch. Grad war euer Vorarbeiter an der Strippe. Ist ganz blass geworden, als er mich hörte statt den Kollegen Kemperdiek. Versteht ihr das?
Sie grinsten und verstanden allerdings sehr gut und waren doppelt sauer zugleich auf diesen Kollegen Vorarbeiter, der den Vorsitzenden schon mal schnell einstimmen wollte für den Empfang der Protestler, gut dass du wieder hier sitzt Manfred, das ist ein Lichtblick, bei uns sind viele der Meinung, dass was geschehn muss von der Belegschaft, nicht nur Verhandlungen da oben, wir wolln von unsern Vertretern wissen, wie wir die Karre aus dem Dreck ziehn können.
Der Betriebsausschuss verhandelt mit der GL, dass wir morgen eine außerordentliche Betriebsversammlung durchführn. Die wird kommen. Da könnt ihr dann Dampf ablassen.
Dampf ablassen geschenkt, Manfred. Wir wolln echt was tun! Wir müssen auf die Straße, verstehst du!
Da sagt ihr nichts Falsches Kollegen, teilte Anklam ihnen scheinbar gleichmütig mit, im Vertrauenskörper ist das auch gefordert worden. Eine Mehrheit ist dafür. Die Frage ist noch, ob die IG Metall einen Warnstreik unterstützt. So würde das nämlich heißen. Habt ihr schon auf der Verwaltungsstelle angerufen, dem Kollegen Eupers eure Forderung vorgetragen?
Die Arbeiter sahen sich an. Keiner hatte. Verdammt Manfred, da haste recht. Die gehörn auch geweckt
Fortsetzung folgt
Foto: Erasmus Schöfer
Quelle: privat
Mehr über Erasmus Schöfer und seine Bücher finden Sie unter: www.dittrich-verlag.de
Am Montag, 6. Februar liest Erasmus Schöfer in der Buchhandlung Klinger, Rochusstraße 93, 50827 Köln-Bickendorf aus "Sonnenflucht", dem dritten Teil seiner Tetratologie "Die Kinder des Sisyfos", Dittrich-Verlag, Köln, deren zweiten Teil wir hier veröffentlichen. Beginn, 20 Uhr, Einlass 19.30 Uhr, UKB 7,50 Euro.
Online-Flyer Nr. 28 vom 25.01.2006
Der Fortsetzungsroman in der NRhZ - Folge 9
"Zwielicht"
von Erasmus Schöfer
Das Mannesmann-Management hat beschlossen, den Düsseldorfer Betrieb stillzulegen. Daraufhin wird der unbotmäßige und darum abgehalfterte Betriebsrat Manfred Anklam von seinen Kollegen wieder zu Hilfe gerufen, um Aktionen vorzubereiten. Im Werk herrschen Unruhe und Empörung.
Andre Vorarbeiter versuchten sich hervorzutun durch unnachsichtiges Antreiben der Renitenten und Widerwilligen, der Lustlosen und Deprimierten - die bevorstehende Schließung und ihre Umsetzung in einen andern Konzernbetrieb schon fest im Blick. Die Facharbeiter - die Belegschaft dieses Betriebs der Metallverarbeitung bestand überwiegend aus solchen - hielten sich aufgrund ihrer Qualifikation und Berufserfahrung für kaum bedroht durch Arbeitslosigkeit. Sie beunruhigte mehr die Aussicht, stundenlange Anfahrten zu den Konzernbetrieben in andern Orten des Ruhrgebiets in Kauf nehmen zu müssen oder durch einen Umzug mit ihren Familien die Kinder aus ihrer gewohnten Lebensumwelt herausreißen zu sollen. Sie erwarteten von den Verhandlungen ihres Betriebsrates mit der Geschäftsleitung genauere Informationen über die in Aussicht gestellten Ersatzarbeitsplätze.
Anklam, den die freigestellten Kollegen nicht zu diesen Gesprächen mitnahmen, nutzte die Zeit im Betriebsratbüro zum Telefonieren mit den Kollegen in Rath, Lierenfeld und Hilden und erfuhr, was er erwartet hatte: dass dort eher Personalabbau als die Einstellung neuer Facharbeiter angesagt war. Über die Vertrauensleute gab er diese Nachricht weiter an die Belegschaft.
Am dritten Tag nach der Hiobsbotschaft war die Stimmung im Werk merkbar deutlich umgeschlagen von erbitterter Ratlosigkeit in den Wunsch, das verhängte Schicksal nicht tatenlos hinzunehmen. Einige Arbeiter im Schmiedewerk hatten sich die Bestimmungen der Gewerbeaufsicht besorgt, die Lärmschutzverordnung, die Sicherheitsauflagen für die Maschinen, arbeiteten gezielt langsamer. Als der Vorarbeiter dagegen einschreiten wollte, hielten sie ihm die Papiere unter die Nase: Da - lies mal, wie hier gegen die Schutzbestimmungen verstoßen wird! Sorg erst mal für die Einhaltung der Vorschriften, eh du uns antreibst!
Erich Kleiner, ein bekannter Scharfmacher, blies in die Glut, faule Ausreden, noch nie habt ihr euch an die Vorschriften gehalten, wenns um eure Leistungszulagen ging! Da stoben dann die Funken: Auf dich haben wir gewartet Erich! Hältst besser das Maul jetzt, bist mitschuld an dem Schlamassel, bist mit der Unterschriftsliste rumgerannt gegen den Kollegen Anklam, dass der abgeschossen wurde, weil er nämlich was unternehmen wollte gegen die Entlassungen, mit dem hätten wir nicht über Nacht in der Scheiße gesessen, sondern hätten denen gezeigt, dass sie uns nicht um den Finger wickeln können!
Als der nicht aufgab, mit hochrotem Kopf versprach, ihnen eine halbe Stunde vom Lohn abzuziehn, da fackelten sie nicht weiter, zogen, wie die glorreichen Vier von Wicküler, aber im Blaumann, zur Ausübung ihres Beschwerderechts wegen nicht eingehaltener Sicherheitsvorschriften, zum Betriebsratbüro.

Als die vier Arbeiter aus der Schmiede ins Büro polterten und sich vor Anklams Schreibtisch aufpflanzten, klingelte das Telefon. Entschuldigt einen Augenblick Kollegen - bin gleich für euch da! Am andern Apparat war Erich Kleiner, fast zu Sprachlosigkeit erstaunt, als er Anklams Namen und Stimme hörte. Den Kollegen Kemperdiek wollte er sprechen, wieso denn er da sitze? Anklam stellte sich vor, schmunzelnd, als Mitglied von Kemperdieks Krisenstab und Feuerwehr, ob er ihm helfen könne? Nee danke, wollte nur von Kurt mal hörn was läuft.
So Kollegen, zu euch. Grad war euer Vorarbeiter an der Strippe. Ist ganz blass geworden, als er mich hörte statt den Kollegen Kemperdiek. Versteht ihr das?
Sie grinsten und verstanden allerdings sehr gut und waren doppelt sauer zugleich auf diesen Kollegen Vorarbeiter, der den Vorsitzenden schon mal schnell einstimmen wollte für den Empfang der Protestler, gut dass du wieder hier sitzt Manfred, das ist ein Lichtblick, bei uns sind viele der Meinung, dass was geschehn muss von der Belegschaft, nicht nur Verhandlungen da oben, wir wolln von unsern Vertretern wissen, wie wir die Karre aus dem Dreck ziehn können.
Der Betriebsausschuss verhandelt mit der GL, dass wir morgen eine außerordentliche Betriebsversammlung durchführn. Die wird kommen. Da könnt ihr dann Dampf ablassen.
Dampf ablassen geschenkt, Manfred. Wir wolln echt was tun! Wir müssen auf die Straße, verstehst du!
Da sagt ihr nichts Falsches Kollegen, teilte Anklam ihnen scheinbar gleichmütig mit, im Vertrauenskörper ist das auch gefordert worden. Eine Mehrheit ist dafür. Die Frage ist noch, ob die IG Metall einen Warnstreik unterstützt. So würde das nämlich heißen. Habt ihr schon auf der Verwaltungsstelle angerufen, dem Kollegen Eupers eure Forderung vorgetragen?
Die Arbeiter sahen sich an. Keiner hatte. Verdammt Manfred, da haste recht. Die gehörn auch geweckt
Fortsetzung folgt
Foto: Erasmus Schöfer
Quelle: privat
Mehr über Erasmus Schöfer und seine Bücher finden Sie unter: www.dittrich-verlag.de
Am Montag, 6. Februar liest Erasmus Schöfer in der Buchhandlung Klinger, Rochusstraße 93, 50827 Köln-Bickendorf aus "Sonnenflucht", dem dritten Teil seiner Tetratologie "Die Kinder des Sisyfos", Dittrich-Verlag, Köln, deren zweiten Teil wir hier veröffentlichen. Beginn, 20 Uhr, Einlass 19.30 Uhr, UKB 7,50 Euro.
Online-Flyer Nr. 28 vom 25.01.2006