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Inland
Auf der Suche nach Filmaufnahmen vor der Bombardierung Iraks
BND meldet sich beim WDR
Von Peter Kleinert
Unmittelbar vor den ersten US-Luftangriffen auf den Irak haben Beamte des BND versucht, sich über eventuelle Bombenziele deutsches Bildmaterial aus dem WDR zu verschaffen. Bei ihrem Versuch des "Abschöpfens" verfolgte der BND die gerade von Filmaufnahmen im Irak zurückgekehrte Kölner WDR-Mitarbeiterin Ingelis Gnutzmann bis in die Schneideräume des Senders und bot ihr dort geheimdienstliche Zusammenarbeit an. Dem BND ist die Inlandsaufklärung ebenso untersagt wie die Indienststellung deutscher Journalisten. Bundesregierung, Große Koalition und inzwischen auch Die Grünen wollen offenbar verhindern, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Allein die Linksfraktion im Bundestag und die FDP blieben am Montag bei ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss, der die verdeckten Aktivitäten des BND im Irak und in Deutschland sowie die des BKA im Zusammenhang mit Folter-Verhören aufklären könnte.
Zur Zusammenarbeit aufgefordert
Wie die Kollegen des vor allem deutsche Außenpolitik recherchierenden Internetportals german-foreign-policy.com (gfp) berichten, hatte die Kölner Fernsehjournalistin Ingelis Gnutzmann für eine Auslandsreportage Gelegenheit erhalten, von der Bush-Regierung behauptete Produktionsstätten von Massenvernichtungswaffen zu filmen. Es handelte sich tatsächlich nur um stillgelegte Fabrikanlagen. Ingelis Gnutzmann wurde vom BND im Kölner TV-Schneideraum des WDR kontaktiert. Trotz der beruflichen und strafrechtlichen Folgen, die Spionagetätigkeit von Journalisten nach sich ziehen kann, legte der BND der WDR-Mitarbeiterin die Weitergabe des Filmmaterials für Geheimdienstzwecke nahe - mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das BND-Interesse an Aufnahmen von angeblichen ABC-Lagerstätten. Zum Zeitpunkt dieses geheimdienstlichen Kooperationsangebots an deutsche Journalisten im Inland suchte die US-Regierung nach Vorwänden für den bereits beschlossenen Überfall auf den Irak. US-Quellen bestätigen laut gfp, dass der BND in jener Phase der Kriegsvorbereitung Informationen über angebliche Massenvernichtungswaffen und ihre (tatsächlich nicht existenten) Lagerstätten und Lagerorte an Washington übermittelt hat.

Merkel-Regierung deckt Schröder-Regierung
Foto: NRhZ-Archiv
Krisensitzung im Kanzleramt
In der Krisensitzung im Bundeskanzleramt vom Montag wollte die Regierungsspitze den sofortigen Abbruch der parlamentarischen Erörterungen über die deutsche Kriegsbeteiligung im Irak und ein Ende der öffentlichen Wahrnehmung geheimer Operationen gegen Grundrechte der Verfassung erreichen. Zu dem Krisentreffen hatte die Bundeskanzlerin eingeladen. Beteiligt waren der Chef des Bundeskanzleramts (auch zuständig für die Geheimdienste) und der Bundesinnenminister. Bereits im Vorfeld dieses ungewöhnlichen Treffens mit den Spitzen aller Fraktionen hatten Regierungsmitglieder erklärt, weitere öffentliche Diskussionen über die deutsche Zusammenarbeit mit Deportations- und Folterabteilungen von Drittstaaten müssten wegen der monatelangen Beunruhigung unbedingt verhindert werden. Neue Enthüllungen über ungesetzliche Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der übrigen Sicherheitsapparate seien für die Staatsraison abträglich.
Regierung unter Druck der Exekutive
Laut gfp scheint die Berliner Regierung unter starkem Druck ihrer eigenen Exekutiv-Apparate zu stehen, die mit Konsequenzen drohen, sollte die Aufdeckung geheimdienstlicher Kriegsoperationen und polizeilicher Folterzusammenarbeit fortgeführt werden. In diese Maßnahmen sind BND, Bundeskriminalamt (BKA) und offenkundig auch mehrere Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) verwickelt. Bei dem Montagstreffen sollte den Parteien nahe gebracht werden, dass mit einem "unverantwortliche(n) Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik" zu rechnen sei, würde das Parlament den Untersuchungsausschuss einsetzen. Während maßgebliche Medien glauben machen wollen, das angebliche Sicherheitsrisiko gehe von geheimhaltungsbedürftigen Informationen aus, wird in Wirklichkeit befürchtet, es könnte zu Konfrontationen mit den betroffenen Exekutiv-Apparaten kommen. Ihre Führungen sind seit Wochen in Alarmbereitschaft und müssen bei Bekanntwerden ungesetzlicher Aktionen mit strafrechtlichen Folgen rechnen. Diese Argumentation hatte offensichtlich bei den Grünen Erfolg. Während deren Fraktion an den Tagen zuvor noch gemeinsam mit Linksfraktion und FDP für die Einberufung eines Untersuchungsausschusses plädiert hatte, ließ sie diese Forderung nun fallen. Kommentar eines Berliner TV-Korrespondenten: Das "Denkmal Joschka Fischer" solle nach Auffassung eines Teils der Grünen Fraktion "nicht beschädigt werden".

...vor allem durch BND-Einsätze im Irak und Folter
Foto: NRhZ-Archiv
Vier Komplexe klärungsbedürftig
Der öffentlichen parlamentarischen Klärung sollten im wesentlichen vier Aktions-Komplexe unterzogen werden:
> Teilnahme an völkerrechtswidrigen Handlungen zur Vorbereitung eines Angriffskrieges (Sammlung von Nachrichten über den Angriffsgegner und direkte oder indirekte Weitergabe an den Aggressor);
> Beihilfe bei der Durchführung des Angriffskrieges (operative Ausspähungen im Angriffsgebiet und direkte oder indirekte Übermittlung an den Angreifer);
> Weitergabe von Erkenntnissen über deutsche und andere Bürger an eine fremde Macht mit der Folge von Entführungen und Verschleppungen der Zielpersonen;
> Teilhaberschaft an Folter verschleppter deutscher und anderer Bürger durch Indienststellung des Folterpersonals aus Drittstaaten ("Outsourcing" von Folter im Libanon und in Syrien).
Jeder dieser Aktionskomplexe lässt hohe Strafen erwarten, sollten die Tatsachen den Untersuchungsverdacht bestätigen. Rücktritte der Exekutivspitzen im BND, im BKA, im Bundesinnenministerium, im Justizministerium sowie beim Generalbundesanwalt wären ebenso unausweichlich wie der Amtsverzicht des gegenwärtigen Außenministers, der in der SPD/Grünen-Koalition im Kanzleramt Gerhard Schröders für die Geheimdienste verantwortlich war. Die damit einhergehende Verfassungskrise würde eine öffentliche Infragestellung des militärischen Kurses der deutschen Außenpolitik nach sich ziehen. Sie wird deswegen auch in Armeekreisen gefürchtet.
Bereits bewiesene Verfassungsbrüche
In mindestens zwei der vier Aktionskomplexe ist der Verdacht schon jetzt unter Beweis gestellt: Nach Eigenauskünften der deutschen Auslandsspionage (BND) haben sich ihre Agenten an operativen Ausspähungen im Angriffsgebiet beteiligt und die Informationen über ihre Zentrale an den Angreifer weitergegeben - ein schweres Verbrechen gegen die UN-Charta und die deutsche Verfassung. Ebenfalls verbrecherisch war das deutsche "Outsourcing" von Folter, wie es mehrere Tatzeugen beschreiben, darunter der BKA- Beamte Ralph Trede.


Von der NRhZ um eine Stellungnahme zum Verhalten des BND gebeten, erklärte der ehemalige Bundesvorsitzende der Deutschen Journalisten-Union Eckart Spoo:
Die "Enttabuisierung des Militärischen", deren sich Gerhard Schröder rühmt, war nicht allein sein Werk. Vorausgegangen war ihr eine Militarisierung der Medien, dieinzwischen weitergegangen ist. Leidergibt esnur wenige Ausnahmen. Eine große Ausnahmeist die Arbeit von Ingelies Gnutzmann(WDR). Einige Wochen, bevor 2003 der Einmarsch der US-Streitkräfte und ihrer Hilfswilligen in den Irak begann, wollte Ingelies Gnutzmannmit einem Kameramann nach Bagdad reisen, um von dort unter dem Arbeitstitel "Dem Feind ein Gesicht geben" zu berichten. Das wäre Aufklärung im besten Sinne des Wortes gewesen - genau das,was geradein Konfliktsituationen das Allernötigste wäre, jedenfalls dann, wenn man verhindern will, daß der Konflikt eskaliert. Das WDR-Team flog nach Ammann, durfte dann aber nicht in den Irak einreisen. Das lag nicht etwa an Saddam Hussein und seinem Regime, sondern am WDR, derdas Team zurückrief. Die Aufgabe, dem Feind ein Gesicht zu geben, blieb unerfüllt. Eine Fratze, wie sie in den Medien fast ausnahmslos verbreitet wurde, läßt sich leichter bombardieren. Die Berliner Zweiwochenschrift "Ossietzky" berichtete damals ausführlich über diesen Fall.
Die jetzige Nachricht, daß der BND versuchte, Filmmaterial von einem früheren Aufenthalt Ingelies Gnutzmanns im Irak zu ergattern, um es zur Konstruktion von Vorwänden für die US-amerikanische Aggression zu verwenden, müßte den Intendanten und die Aufsichtsgremien des Senders auf den Plan rufen, schon um die journalistische Unabhängigkeit gegen die Anmaßungen des deutschen Auslandsgeheimdienstes zu verteidigen. Alle WDR-Redakteure mit demokratischem Berufsverständnisund alle Journalistenorganisationenwerden sich jetzt hoffentlich herausgefordert sehen.FAlls jemand es vergessen haben sollte: Handlungen zur Vorbereitung eines Angriffskriegsmüssen laut Grundgesetz und Strafgesetzbuchschwer bestraft werden.
Mit herzlichem Gruß
Eckart Spoo


Die täglich neuen Enthüllungen haben in Justizkreisen den Eindruck bestärkt, dass weite Teile der deutschen Sicherheitsapparate außer Kontrolle geraten sind. Als Auslöser dieser Entwicklung gelten Maßnahmen der früheren Bundesregierung, die auf Verlangen der USA mit der Deregulierung rechtsstaatlicher Bindungen der Exekutive begonnen habe. Die gegenwärtige Regierungskoalition vertieft diese Politik, vermutet die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. In einem Interview mit german-foreign-policy.com befürchtete die FDP-Politikerin in der vergangenen Woche, die "Duldung und Kooperation (bei) menschenrechtswidrige(n) Aktivitäten der CIA" könnte sich fortsetzen - eine Umschreibung für den offenkundigen Souveränitätsverlust durch Verschmelzung der deutschen Apparate mit den Sicherheitsbehörden einer fremden Macht.

Was sagt Intendant Pleitgen zur BND-Anfrage?
Foto: NRhZ-Archiv
Publizistische Leitorgane spielen mit
Wegen ihrer Opposition gegen die Preisgabe der parlamentarischen Rechte gerät die FDP in eine schwierige Lage. Sie wird der Nähe zu Kommunisten geziehen, weil auch die Linkspartei.PDS von öffentlichen Untersuchungen im Bundestag nicht abrücken will. Parlamentsmehrheit und sämtliche einflussreichen Medien halten die offenbar gewordenen Rechtsbrüche bei der Unterstützung eines Angriffskrieges hingegen für verzeihlich. Publizistische Leitorgane der deutschen Außenpolitik sind dazu übergegangen, die Völkerrechtsverbrechen und Verhöhnungen der deutschen Verfassung ausdrücklich zu begrüßen. So heißt es in einem Kommentar der Hamburger "Zeit" über die vermutete Ausspähung von Bombenzielen durch BND-Agenten in Bagdad: "Hätten sie das etwa nicht an die Amerikaner weiter melden sollen? Der Sinn des amerikanischen Bombardements vor Kriegsausbruch war es ja, den Krieg schon im Keim zu ersticken, indem man dem Regime den 'Kopf abschlägt'. Ein solcher decapitation strike (Militärjargon) zu Beginn des Krieges hätte Tausende Menschenleben während des Krieges gerettet - keine schlechte moralische Bilanz." Die verworrene Rechtfertigung tödlicher Angriffe auf Unbewaffnete erinnert an ähnliche Kommentare der patriotischen Kriegspresse des deutschen Kaiserreichs und wurde den Lesern des Hamburger Blattes mit einer zynischen Überschrift präsentiert: "Lob der Doppelzüngigkeit".
Weitere Informationen unter www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 28 vom 25.01.2006
Auf der Suche nach Filmaufnahmen vor der Bombardierung Iraks
BND meldet sich beim WDR
Von Peter Kleinert
Unmittelbar vor den ersten US-Luftangriffen auf den Irak haben Beamte des BND versucht, sich über eventuelle Bombenziele deutsches Bildmaterial aus dem WDR zu verschaffen. Bei ihrem Versuch des "Abschöpfens" verfolgte der BND die gerade von Filmaufnahmen im Irak zurückgekehrte Kölner WDR-Mitarbeiterin Ingelis Gnutzmann bis in die Schneideräume des Senders und bot ihr dort geheimdienstliche Zusammenarbeit an. Dem BND ist die Inlandsaufklärung ebenso untersagt wie die Indienststellung deutscher Journalisten. Bundesregierung, Große Koalition und inzwischen auch Die Grünen wollen offenbar verhindern, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Allein die Linksfraktion im Bundestag und die FDP blieben am Montag bei ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss, der die verdeckten Aktivitäten des BND im Irak und in Deutschland sowie die des BKA im Zusammenhang mit Folter-Verhören aufklären könnte.
Zur Zusammenarbeit aufgefordert
Wie die Kollegen des vor allem deutsche Außenpolitik recherchierenden Internetportals german-foreign-policy.com (gfp) berichten, hatte die Kölner Fernsehjournalistin Ingelis Gnutzmann für eine Auslandsreportage Gelegenheit erhalten, von der Bush-Regierung behauptete Produktionsstätten von Massenvernichtungswaffen zu filmen. Es handelte sich tatsächlich nur um stillgelegte Fabrikanlagen. Ingelis Gnutzmann wurde vom BND im Kölner TV-Schneideraum des WDR kontaktiert. Trotz der beruflichen und strafrechtlichen Folgen, die Spionagetätigkeit von Journalisten nach sich ziehen kann, legte der BND der WDR-Mitarbeiterin die Weitergabe des Filmmaterials für Geheimdienstzwecke nahe - mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das BND-Interesse an Aufnahmen von angeblichen ABC-Lagerstätten. Zum Zeitpunkt dieses geheimdienstlichen Kooperationsangebots an deutsche Journalisten im Inland suchte die US-Regierung nach Vorwänden für den bereits beschlossenen Überfall auf den Irak. US-Quellen bestätigen laut gfp, dass der BND in jener Phase der Kriegsvorbereitung Informationen über angebliche Massenvernichtungswaffen und ihre (tatsächlich nicht existenten) Lagerstätten und Lagerorte an Washington übermittelt hat.

Merkel-Regierung deckt Schröder-Regierung
Foto: NRhZ-Archiv
Krisensitzung im Kanzleramt
In der Krisensitzung im Bundeskanzleramt vom Montag wollte die Regierungsspitze den sofortigen Abbruch der parlamentarischen Erörterungen über die deutsche Kriegsbeteiligung im Irak und ein Ende der öffentlichen Wahrnehmung geheimer Operationen gegen Grundrechte der Verfassung erreichen. Zu dem Krisentreffen hatte die Bundeskanzlerin eingeladen. Beteiligt waren der Chef des Bundeskanzleramts (auch zuständig für die Geheimdienste) und der Bundesinnenminister. Bereits im Vorfeld dieses ungewöhnlichen Treffens mit den Spitzen aller Fraktionen hatten Regierungsmitglieder erklärt, weitere öffentliche Diskussionen über die deutsche Zusammenarbeit mit Deportations- und Folterabteilungen von Drittstaaten müssten wegen der monatelangen Beunruhigung unbedingt verhindert werden. Neue Enthüllungen über ungesetzliche Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der übrigen Sicherheitsapparate seien für die Staatsraison abträglich.
Regierung unter Druck der Exekutive
Laut gfp scheint die Berliner Regierung unter starkem Druck ihrer eigenen Exekutiv-Apparate zu stehen, die mit Konsequenzen drohen, sollte die Aufdeckung geheimdienstlicher Kriegsoperationen und polizeilicher Folterzusammenarbeit fortgeführt werden. In diese Maßnahmen sind BND, Bundeskriminalamt (BKA) und offenkundig auch mehrere Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) verwickelt. Bei dem Montagstreffen sollte den Parteien nahe gebracht werden, dass mit einem "unverantwortliche(n) Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik" zu rechnen sei, würde das Parlament den Untersuchungsausschuss einsetzen. Während maßgebliche Medien glauben machen wollen, das angebliche Sicherheitsrisiko gehe von geheimhaltungsbedürftigen Informationen aus, wird in Wirklichkeit befürchtet, es könnte zu Konfrontationen mit den betroffenen Exekutiv-Apparaten kommen. Ihre Führungen sind seit Wochen in Alarmbereitschaft und müssen bei Bekanntwerden ungesetzlicher Aktionen mit strafrechtlichen Folgen rechnen. Diese Argumentation hatte offensichtlich bei den Grünen Erfolg. Während deren Fraktion an den Tagen zuvor noch gemeinsam mit Linksfraktion und FDP für die Einberufung eines Untersuchungsausschusses plädiert hatte, ließ sie diese Forderung nun fallen. Kommentar eines Berliner TV-Korrespondenten: Das "Denkmal Joschka Fischer" solle nach Auffassung eines Teils der Grünen Fraktion "nicht beschädigt werden".

...vor allem durch BND-Einsätze im Irak und Folter
Foto: NRhZ-Archiv
Vier Komplexe klärungsbedürftig
Der öffentlichen parlamentarischen Klärung sollten im wesentlichen vier Aktions-Komplexe unterzogen werden:
> Teilnahme an völkerrechtswidrigen Handlungen zur Vorbereitung eines Angriffskrieges (Sammlung von Nachrichten über den Angriffsgegner und direkte oder indirekte Weitergabe an den Aggressor);
> Beihilfe bei der Durchführung des Angriffskrieges (operative Ausspähungen im Angriffsgebiet und direkte oder indirekte Übermittlung an den Angreifer);
> Weitergabe von Erkenntnissen über deutsche und andere Bürger an eine fremde Macht mit der Folge von Entführungen und Verschleppungen der Zielpersonen;
> Teilhaberschaft an Folter verschleppter deutscher und anderer Bürger durch Indienststellung des Folterpersonals aus Drittstaaten ("Outsourcing" von Folter im Libanon und in Syrien).
Jeder dieser Aktionskomplexe lässt hohe Strafen erwarten, sollten die Tatsachen den Untersuchungsverdacht bestätigen. Rücktritte der Exekutivspitzen im BND, im BKA, im Bundesinnenministerium, im Justizministerium sowie beim Generalbundesanwalt wären ebenso unausweichlich wie der Amtsverzicht des gegenwärtigen Außenministers, der in der SPD/Grünen-Koalition im Kanzleramt Gerhard Schröders für die Geheimdienste verantwortlich war. Die damit einhergehende Verfassungskrise würde eine öffentliche Infragestellung des militärischen Kurses der deutschen Außenpolitik nach sich ziehen. Sie wird deswegen auch in Armeekreisen gefürchtet.
Bereits bewiesene Verfassungsbrüche
In mindestens zwei der vier Aktionskomplexe ist der Verdacht schon jetzt unter Beweis gestellt: Nach Eigenauskünften der deutschen Auslandsspionage (BND) haben sich ihre Agenten an operativen Ausspähungen im Angriffsgebiet beteiligt und die Informationen über ihre Zentrale an den Angreifer weitergegeben - ein schweres Verbrechen gegen die UN-Charta und die deutsche Verfassung. Ebenfalls verbrecherisch war das deutsche "Outsourcing" von Folter, wie es mehrere Tatzeugen beschreiben, darunter der BKA- Beamte Ralph Trede.


Von der NRhZ um eine Stellungnahme zum Verhalten des BND gebeten, erklärte der ehemalige Bundesvorsitzende der Deutschen Journalisten-Union Eckart Spoo:
Die "Enttabuisierung des Militärischen", deren sich Gerhard Schröder rühmt, war nicht allein sein Werk. Vorausgegangen war ihr eine Militarisierung der Medien, dieinzwischen weitergegangen ist. Leidergibt esnur wenige Ausnahmen. Eine große Ausnahmeist die Arbeit von Ingelies Gnutzmann(WDR). Einige Wochen, bevor 2003 der Einmarsch der US-Streitkräfte und ihrer Hilfswilligen in den Irak begann, wollte Ingelies Gnutzmannmit einem Kameramann nach Bagdad reisen, um von dort unter dem Arbeitstitel "Dem Feind ein Gesicht geben" zu berichten. Das wäre Aufklärung im besten Sinne des Wortes gewesen - genau das,was geradein Konfliktsituationen das Allernötigste wäre, jedenfalls dann, wenn man verhindern will, daß der Konflikt eskaliert. Das WDR-Team flog nach Ammann, durfte dann aber nicht in den Irak einreisen. Das lag nicht etwa an Saddam Hussein und seinem Regime, sondern am WDR, derdas Team zurückrief. Die Aufgabe, dem Feind ein Gesicht zu geben, blieb unerfüllt. Eine Fratze, wie sie in den Medien fast ausnahmslos verbreitet wurde, läßt sich leichter bombardieren. Die Berliner Zweiwochenschrift "Ossietzky" berichtete damals ausführlich über diesen Fall.
Die jetzige Nachricht, daß der BND versuchte, Filmmaterial von einem früheren Aufenthalt Ingelies Gnutzmanns im Irak zu ergattern, um es zur Konstruktion von Vorwänden für die US-amerikanische Aggression zu verwenden, müßte den Intendanten und die Aufsichtsgremien des Senders auf den Plan rufen, schon um die journalistische Unabhängigkeit gegen die Anmaßungen des deutschen Auslandsgeheimdienstes zu verteidigen. Alle WDR-Redakteure mit demokratischem Berufsverständnisund alle Journalistenorganisationenwerden sich jetzt hoffentlich herausgefordert sehen.FAlls jemand es vergessen haben sollte: Handlungen zur Vorbereitung eines Angriffskriegsmüssen laut Grundgesetz und Strafgesetzbuchschwer bestraft werden.
Mit herzlichem Gruß
Eckart Spoo


Die täglich neuen Enthüllungen haben in Justizkreisen den Eindruck bestärkt, dass weite Teile der deutschen Sicherheitsapparate außer Kontrolle geraten sind. Als Auslöser dieser Entwicklung gelten Maßnahmen der früheren Bundesregierung, die auf Verlangen der USA mit der Deregulierung rechtsstaatlicher Bindungen der Exekutive begonnen habe. Die gegenwärtige Regierungskoalition vertieft diese Politik, vermutet die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. In einem Interview mit german-foreign-policy.com befürchtete die FDP-Politikerin in der vergangenen Woche, die "Duldung und Kooperation (bei) menschenrechtswidrige(n) Aktivitäten der CIA" könnte sich fortsetzen - eine Umschreibung für den offenkundigen Souveränitätsverlust durch Verschmelzung der deutschen Apparate mit den Sicherheitsbehörden einer fremden Macht.

Was sagt Intendant Pleitgen zur BND-Anfrage?
Foto: NRhZ-Archiv
Publizistische Leitorgane spielen mit
Wegen ihrer Opposition gegen die Preisgabe der parlamentarischen Rechte gerät die FDP in eine schwierige Lage. Sie wird der Nähe zu Kommunisten geziehen, weil auch die Linkspartei.PDS von öffentlichen Untersuchungen im Bundestag nicht abrücken will. Parlamentsmehrheit und sämtliche einflussreichen Medien halten die offenbar gewordenen Rechtsbrüche bei der Unterstützung eines Angriffskrieges hingegen für verzeihlich. Publizistische Leitorgane der deutschen Außenpolitik sind dazu übergegangen, die Völkerrechtsverbrechen und Verhöhnungen der deutschen Verfassung ausdrücklich zu begrüßen. So heißt es in einem Kommentar der Hamburger "Zeit" über die vermutete Ausspähung von Bombenzielen durch BND-Agenten in Bagdad: "Hätten sie das etwa nicht an die Amerikaner weiter melden sollen? Der Sinn des amerikanischen Bombardements vor Kriegsausbruch war es ja, den Krieg schon im Keim zu ersticken, indem man dem Regime den 'Kopf abschlägt'. Ein solcher decapitation strike (Militärjargon) zu Beginn des Krieges hätte Tausende Menschenleben während des Krieges gerettet - keine schlechte moralische Bilanz." Die verworrene Rechtfertigung tödlicher Angriffe auf Unbewaffnete erinnert an ähnliche Kommentare der patriotischen Kriegspresse des deutschen Kaiserreichs und wurde den Lesern des Hamburger Blattes mit einer zynischen Überschrift präsentiert: "Lob der Doppelzüngigkeit".
Weitere Informationen unter www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 28 vom 25.01.2006