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Europäische Kunstaktion sorgt für Aufregung in Wien
Erst finanziert, dann zensiert
Von Christel Mertens
75 KünstlerInnen aus ganz Europa beteiligen sich in Wien bis Ende Januar - zur ironischen Begrüßung des österreichischen EU-Ratsvorsitzes - an einem Projekt der Kulturinitiative "euroPART". Name des Projekts: "25 Peaces - Peace gerollt". Die Reaktion von Medien und Politik auf die entlang der Hauptstadt-Straßen auf 400 rollenden Werbeflächen ausgestellten Werke ist alles andere als friedlich. Schließlich boten die von Kanzler Schüssel unter Druck gesetzten Künstler an, die drei umstrittensten Plakate "freiwillig zurückzuziehen."
Möglicherweise hätten Wiens Passanten das von "Graz 2003"-Macher Wolfgang Lorenz und Bundestheaterholding-Chef Georg Springer gestaltete Kunstprojekt augenzwinkernd akzeptiert, wenn nicht die "Kronen-Zeitung" - die, durchaus vergleichbar Kölns EXPRESS und Springers BILD, ihre Papier- und online-Seiten täglich massenhaft mit Pornobildern garniert - plötzlich eine Antiporno-Kampagne losgetreten hätte. "EU-Vorsitz mit wüsten Sexplakaten eröffnet", schlagzeilte das Blatt. Es sei nicht auszudenken, was die betroffenen Politiker denken könnten, wenn sie in den kommenden Monaten Wien besuchten.

Foto: Carlos Aires
Bush, Chirac und die Queen beim Gruppensex
Die "betroffenen Politiker" sind Bush, Chirac und die Queen, unter deren Masken der spanische Künstler Carlos Aires auf zwei Bildern drei Schauspieler fröhlich Gruppensex darstellen ließ. "Extrem frauenfeindlich", sekundierte der "Kronen-Zeitung" tags darauf die SPÖ- Bundesfrauengeschäftsführerin Bettina Stadlbauer. Sie meinte den Unterleib einer Frau, bekleidet nur mit einem blauen Slip, der mit gelben EU-Sternen verziert ist. Dass die "Frauenfeindlichkeit" von einer Frau - der in Berlin lebenden Künstlerin Tanja Ostojic - propagiert wurde, hatte sie in der Aufregung nicht mitgekriegt. So "empörend" fand sie es, "dass der Bundeskanzler frauenfeindliche Darstellungen im öffentlichen Raum mit Steuergeldern fördert".
Weil darauf auch noch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Fernsehen protestierte, da zeige sich "einmal mehr das Sittenbild dieser österreichischen schwarz-orange Bundesregierung". Nicht zuletzt werde "diese Aktion vom Bundeskanzleramt unterstützt - also auch mit österreichischen Steuergeldern bezahlt", musste Kanzler Wolfgang Schüssel reagieren: "Kanzleramt: Kein Steuergeld verwendet. Das Bundeskanzleramt stellte am Mittwoch klar, dass die EU-Kampagne der Kulturinitiative "euroPART" ein unabhängiges Kunstprojekt sei. Dieses werde ganz sicher nicht mit Steuergeld subventioniert", erklärte Heidi Glück, die Sprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), gegenüber APA, der Austria Presse Agentur. Im Übrigen habe "Schüssel die Sujets vorher nicht gekannt", betonte Glück.
Erinnerungsprobleme im Kanzleramt
Dass der Kanzler und EU-Ratsvorsitzende und seine unglückliche Sprecherin Glück das Projekt eigentlich doch gekannt haben müssten, ergibt sich aus der Internetseite von "25 Peaces", auf der die Veranstalter immer noch ihre Anstoß erregenden Werke zeigen. Dort kann man über die Ausstellung nämlich lesen: "Dauer: 27. Dezember 2005 - 30. Jänner 2006. Ort: Ca. 400 Rolling Boards in Wien. Gefördert durch: Republik Österreich/ Bundeskanzleramt." Die Förderung betrug immerhin eine Million Euro. Und weil er sich schließlich doch an seine Sponsorenrolle erinnerte, forderte der Kanzler, dass die drei von der "Kronen-Zeitung" besonders aufs Korn genommenen "Porno-Plakate" aus der Öffentlichkeit verschwinden müssten.
Ob die "euroPART"-Veranstalter ihre Internet-Seite noch lange unzensiert halten können, nachdem Carlos Aires und Tanja Ostojic ihre drei laut "Kronen-Zeitung" "wüsten Sex-Plakate" inzwischen "freiwillig" aus dem Straßenverkehr gezogen haben, ist fraglich. Deshalb haben wir "25Peaces" unsere aktuelle NRhZ-Fotogalerie gewidmet. Für die künstlerische Freiheit im Land sei dies "ein trauriger Rückschritt", erklärte nach dem Kanzler-Eingriff Ausstellungskurator Walter Seidl. Aber, so betonte er: "Für uns ist das ein Aufruf an alle Künstler, noch radikaler zu arbeiten."
Wer mehr über das Projekt erfahren will, klickt:
http://www.25peaces.at
Online-Flyer Nr. 26 vom 11.01.2006
Europäische Kunstaktion sorgt für Aufregung in Wien
Erst finanziert, dann zensiert
Von Christel Mertens
75 KünstlerInnen aus ganz Europa beteiligen sich in Wien bis Ende Januar - zur ironischen Begrüßung des österreichischen EU-Ratsvorsitzes - an einem Projekt der Kulturinitiative "euroPART". Name des Projekts: "25 Peaces - Peace gerollt". Die Reaktion von Medien und Politik auf die entlang der Hauptstadt-Straßen auf 400 rollenden Werbeflächen ausgestellten Werke ist alles andere als friedlich. Schließlich boten die von Kanzler Schüssel unter Druck gesetzten Künstler an, die drei umstrittensten Plakate "freiwillig zurückzuziehen."
Möglicherweise hätten Wiens Passanten das von "Graz 2003"-Macher Wolfgang Lorenz und Bundestheaterholding-Chef Georg Springer gestaltete Kunstprojekt augenzwinkernd akzeptiert, wenn nicht die "Kronen-Zeitung" - die, durchaus vergleichbar Kölns EXPRESS und Springers BILD, ihre Papier- und online-Seiten täglich massenhaft mit Pornobildern garniert - plötzlich eine Antiporno-Kampagne losgetreten hätte. "EU-Vorsitz mit wüsten Sexplakaten eröffnet", schlagzeilte das Blatt. Es sei nicht auszudenken, was die betroffenen Politiker denken könnten, wenn sie in den kommenden Monaten Wien besuchten.

Foto: Carlos Aires
Bush, Chirac und die Queen beim Gruppensex
Die "betroffenen Politiker" sind Bush, Chirac und die Queen, unter deren Masken der spanische Künstler Carlos Aires auf zwei Bildern drei Schauspieler fröhlich Gruppensex darstellen ließ. "Extrem frauenfeindlich", sekundierte der "Kronen-Zeitung" tags darauf die SPÖ- Bundesfrauengeschäftsführerin Bettina Stadlbauer. Sie meinte den Unterleib einer Frau, bekleidet nur mit einem blauen Slip, der mit gelben EU-Sternen verziert ist. Dass die "Frauenfeindlichkeit" von einer Frau - der in Berlin lebenden Künstlerin Tanja Ostojic - propagiert wurde, hatte sie in der Aufregung nicht mitgekriegt. So "empörend" fand sie es, "dass der Bundeskanzler frauenfeindliche Darstellungen im öffentlichen Raum mit Steuergeldern fördert".
Weil darauf auch noch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Fernsehen protestierte, da zeige sich "einmal mehr das Sittenbild dieser österreichischen schwarz-orange Bundesregierung". Nicht zuletzt werde "diese Aktion vom Bundeskanzleramt unterstützt - also auch mit österreichischen Steuergeldern bezahlt", musste Kanzler Wolfgang Schüssel reagieren: "Kanzleramt: Kein Steuergeld verwendet. Das Bundeskanzleramt stellte am Mittwoch klar, dass die EU-Kampagne der Kulturinitiative "euroPART" ein unabhängiges Kunstprojekt sei. Dieses werde ganz sicher nicht mit Steuergeld subventioniert", erklärte Heidi Glück, die Sprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), gegenüber APA, der Austria Presse Agentur. Im Übrigen habe "Schüssel die Sujets vorher nicht gekannt", betonte Glück.
Erinnerungsprobleme im Kanzleramt
Dass der Kanzler und EU-Ratsvorsitzende und seine unglückliche Sprecherin Glück das Projekt eigentlich doch gekannt haben müssten, ergibt sich aus der Internetseite von "25 Peaces", auf der die Veranstalter immer noch ihre Anstoß erregenden Werke zeigen. Dort kann man über die Ausstellung nämlich lesen: "Dauer: 27. Dezember 2005 - 30. Jänner 2006. Ort: Ca. 400 Rolling Boards in Wien. Gefördert durch: Republik Österreich/ Bundeskanzleramt." Die Förderung betrug immerhin eine Million Euro. Und weil er sich schließlich doch an seine Sponsorenrolle erinnerte, forderte der Kanzler, dass die drei von der "Kronen-Zeitung" besonders aufs Korn genommenen "Porno-Plakate" aus der Öffentlichkeit verschwinden müssten.
Ob die "euroPART"-Veranstalter ihre Internet-Seite noch lange unzensiert halten können, nachdem Carlos Aires und Tanja Ostojic ihre drei laut "Kronen-Zeitung" "wüsten Sex-Plakate" inzwischen "freiwillig" aus dem Straßenverkehr gezogen haben, ist fraglich. Deshalb haben wir "25Peaces" unsere aktuelle NRhZ-Fotogalerie gewidmet. Für die künstlerische Freiheit im Land sei dies "ein trauriger Rückschritt", erklärte nach dem Kanzler-Eingriff Ausstellungskurator Walter Seidl. Aber, so betonte er: "Für uns ist das ein Aufruf an alle Künstler, noch radikaler zu arbeiten."
Wer mehr über das Projekt erfahren will, klickt:
http://www.25peaces.at
Online-Flyer Nr. 26 vom 11.01.2006