SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Kultur und Wissen
Das Wort am Sonntag: „Mit Gott und den Faschisten“ Folge X
Tschechoslowakei, Polen, Norwegen
Von Karlheinz Deschner
Das römische Papsttum – durch Krieg und Betrug groß geworden, durch Krieg und Betrug groß geblieben – hatte die Heraufkunft des Faschismus entscheidend gefördert, hatte maßgeblich Mussolinis Raubüberfall auf Abessinien 1935 unterstützt, in den folgenden Jahren Francos Spanischen Bürgerkrieg und selbstverständlich auch Hitlers Annexion Österreichs 1938. All dies geschah unter dem wohl einflußreichsten Papst dieses Jahrhunderts, Pius XI., nach dem Zeugnis Kardinal Faulhabers von München „der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuen Reiches”. Und es geschah mit dem kaum minder gewichtigen Beistand des Kardinalstaatssekretärs Pacelli, der gerade Hitler seit langem in die Hände gearbeitet hatte.
Als Eugenio Pacelli am 2. März 1939 als Pius XII. den Römischen Stuhl bestieg, begrüßte das Auswärtige Amt in Berlin die Wahl ebenso wie die gesamte Nazipresse. Selbstverständlich waren auch die italienischen Faschisten voller Beifall für den neuen Papst. Der zwölfte Pius, stets auf Ausgleich und Vermittlung im Kirchenkampf mit Hitler bedacht, empfing als ersten Botschafter den deutschen und gab auch seine Wahl, wie er selbst betonte, als erstem Staatsoberhaupt dem „Führer” bekannt. Nach dessen bereits siebenjähriger Terrorherrschaft – auch der große Judenpogrom, die „Kristallnacht”, war schon vorüber – erflehte er für den Diktator „mit den besten Wünschen den Schutz des Himmels und den Segen des Allmächtigen Gottes”; ein im Umfang wie in seiner Gefühlsbekundung singuläres päpstliches Schreiben seinerzeit.
Kurz nach Pacellis Thronbesteigung fielen Hitlers Truppen in die Tschechoslowakei ein. Doch selbst „eindringliche Versuche”, den Papst zum Anschluß an die Proteste der demokratischen Staaten zu bewegen, lehnte Pius XII., wie der deutsche Vatikan-Botschafter telegrafierte, „sehr entschieden ab”. Dagegen wünschte er allen kundzutun, „wie sehr er Deutschland schätze, und daß er gewillt sei, für Deutschland viel zu tun”. Ja, er gestand nicht nur, Deutschland „immer geliebt” zu haben, sondern „es jetzt noch viel mehr” zu lieben, sich seiner „Größe”, seines „Aufschwungs” zu freuen und „ein blühendes, großes und starkes Deutschland” zu wollen.
Eben: Nazideutschland; dessen Ausdehnung nach Osten und dessen Zerschlagung der „Hussitenrepublik” dem Papst besonders willkommen waren. Einer seiner Erfüllungsgehilfen, der katholische Geistliche und Ministerpräsident der Slowakei, Tiso, floh im Frühjahr 1939 mit einem von dem Katholiken und Reichsstatthalter in Österreich, Seyß-Inquart, zur Verfügung gestellten Flugzeug nach Berlin. Dort machte er, im Bund mit Hitler und dem Papst, die Slowakei sozusagen selbständig, schloß sich aber, nunmehr Staatspräsident, militärisch und außenpolitisch Nazideutschland an.
Tiso wurde päpstlicher Kammerherr, hob sofort Meinungs-, Presse-, Versammlungsfreiheit auf, feierte „viel Gemeinsames” zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus, verfolgte hart Orthodoxe, Protestanten und, als rabiater Antisemit, zumal die Juden. Auch lieferte er Hitler drei Divisionen ans Messer und beteuerte noch im Herbst 1944: „Die Slowakei wird an der Seite der Achsenmächte bis zum Endsieg stehen.”
Vor dem „Anschluß” Danzigs, der den Überfall auf Polen einleitete, kam der Papst Hitler wieder entgegen: vor allem durch Umbesetzung des Danziger Bischofsstuhles, worauf eine enge Zusammenarbeit des neuen Bischofs Maria Splett mit der Partei und der Gestapo begann sowie das Entlassen, Verfolgen und massenweise Ermorden polnischer Priester.
Gewiß sah Pius XII. Polen nur ungern in den Händen der antiklerikalen Nazis. Gewiß hätte er einen Krieg gegen Polen lieber verhindert, hätte er einen gemeinsamen Waffengang von Deutschland und Polen gegen die Sowjetunion überaus begrüßt. Gewiß mißbilligte er schließlich matt die deutschen Religionsverfolgungen im Osten. Doch er hatte die Warschauer Regierung immer weiter zu Konzessionen zu bewegen versucht, sodann die Aggression selbst nie verurteilt. Er verhielt sich wie schon bei der Besetzung der Tschechoslowakei. Er schwieg selbst zur Bombardierung und Zerstörung der polnischen Städte. Er brachte kein Wort über die Lippen, als die polnische Geheimpresse ihn immer häufiger beschuldigte. Dafür erklärte sein Staatssekretär: „Die Tatsachen sprechen für sich; lassen wir sie erst einmal sprechen.” Und als Hitler im April 1940 das schwache protestantische Norwegen heimsuchte, hüllte sich der Heilige Vater, wiewohl von vielen Seiten bedrängt, den neuen Überfall zu verdammen, ebenso in Schweigen wie schon bei ähnlichen Anlässen zuvor. Nur durch sein Hofblatt, den „Osservatore Romano”, deutete er an, in Norwegen lebten 2.619 Katholiken, in Deutschland aber 30 Millionen.
Nach der raschen, im Vatikan ungeduldig erwarteten Niederringung Frankreichs übermittelte der Nuntius in Berlin begeisterte Glückwünsche. Und Pius XII. selbst beauftragte die deutschen Bischöfe, in allen Kirchen Dankgottesdienste für den Führer zu halten. Dem mit Hitler verbündeten Marschall Pétain erteilte er seinen Segen und versicherte, die Kirche werde „das Werk der moralischen Wiedergeburt” in Frankreich warmherzig unterstützen. Die führende katholische Zeitung Frankreichs, „La Croix”, später wegen ihrer Kollaborationspolitik gerichtlich belangt, forderte täglich Zusammenarbeit mit Pétain und Hitler, drang auf schonungslose Beseitigung der Widerstandsbewegung und lobte, der Kurs Pétains stimme „erstaunlich mit den Weisungen des Heiligen Stuhls überein”.
Freilich, so erstaunlich nicht. Hatte Pacelli doch spätestens seit 1933 auf den antikommunistischen Hitler gesetzt, hatte 1937 die Anwendung „auch äußerer Machtmittel gegen die bolschewistische Gefahr” erlaubt und 1939 betont, daß der „Führer” das legale Oberhaupt der Deutschen sei und jeder sündige, der ihm den Gehorsam verweigere. So fehlte es dem Heiligen Vater im Sommer 1941, eine Woche nach dem deutschen Angriff auf Rußland, „nicht an Lichtblicken”, wie er in einer Rundfunkbotschaft frohlockte, „die das Herz zu großen, heiligen Erwartungen erheben; großmütige Tapferkeit zur Verteidigung (!) der Grundlagen der christlichen Kultur und zuversichtliche Hoffnungen auf ihren Triumph”. Womit der Papst ja kaum die Rote Armee gemeint haben konnte. Zumal schon ein Jahr vor Hitlers Rußlandattacke jesuitische Absolventen des römischen Collegium Russicum in Verkleidung und unter falschem Namen die sowjetische Grenze überschritten, um im vatikanischen Auftrag Spionage zu treiben. Zumal Hitlers Unterstaatssekretär Luther zu dem Schluß kam: „Seit Anfang des Krieges hat der gegenwärtige Papst seine politischen Pläne auf den Sieg der Achsenmächte gegründet.” Zumal der Leiter des Geheimdienstes, SS-Obergruppenführer Schellenberg, nach einem Gespräch mit dem Papst resümierte: „Der Papst wird sein Möglichstes tun, um einen deutschen Sieg zu sichern. Sein Ziel ist die Zerstörung Rußlands.” Und zumal Pius XII. selbst mitten im Krieg „nicht nur wärmste Sympathie für Deutschland, sondern auch Bewunderung großer Eigenschaften des Führers” zum Ausdruck brachte und diesem, gleich durch zwei Nuntien, übermitteln ließ, er wünsche „dem Führer nichts sehnlicher als einen Sieg”!
Einen Kurzfilm von KAOS Film- und Video Team Köln zu Karlheinz Deschners Vortrag mit Archivbildern finden Sie in dieser NRhZ-Ausgabe. NRhZ-Leser können die komplette Serie für 19,95 Euro beim KAOS Kunst- und Video-Archiv für den privaten Gebrauch bestellen: info@kaos-Archiv.de (CH)
Online-Flyer Nr. 125 vom 12.12.2007
Das Wort am Sonntag: „Mit Gott und den Faschisten“ Folge X
Tschechoslowakei, Polen, Norwegen
Von Karlheinz Deschner
Das römische Papsttum – durch Krieg und Betrug groß geworden, durch Krieg und Betrug groß geblieben – hatte die Heraufkunft des Faschismus entscheidend gefördert, hatte maßgeblich Mussolinis Raubüberfall auf Abessinien 1935 unterstützt, in den folgenden Jahren Francos Spanischen Bürgerkrieg und selbstverständlich auch Hitlers Annexion Österreichs 1938. All dies geschah unter dem wohl einflußreichsten Papst dieses Jahrhunderts, Pius XI., nach dem Zeugnis Kardinal Faulhabers von München „der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuen Reiches”. Und es geschah mit dem kaum minder gewichtigen Beistand des Kardinalstaatssekretärs Pacelli, der gerade Hitler seit langem in die Hände gearbeitet hatte.
Als Eugenio Pacelli am 2. März 1939 als Pius XII. den Römischen Stuhl bestieg, begrüßte das Auswärtige Amt in Berlin die Wahl ebenso wie die gesamte Nazipresse. Selbstverständlich waren auch die italienischen Faschisten voller Beifall für den neuen Papst. Der zwölfte Pius, stets auf Ausgleich und Vermittlung im Kirchenkampf mit Hitler bedacht, empfing als ersten Botschafter den deutschen und gab auch seine Wahl, wie er selbst betonte, als erstem Staatsoberhaupt dem „Führer” bekannt. Nach dessen bereits siebenjähriger Terrorherrschaft – auch der große Judenpogrom, die „Kristallnacht”, war schon vorüber – erflehte er für den Diktator „mit den besten Wünschen den Schutz des Himmels und den Segen des Allmächtigen Gottes”; ein im Umfang wie in seiner Gefühlsbekundung singuläres päpstliches Schreiben seinerzeit.
Kurz nach Pacellis Thronbesteigung fielen Hitlers Truppen in die Tschechoslowakei ein. Doch selbst „eindringliche Versuche”, den Papst zum Anschluß an die Proteste der demokratischen Staaten zu bewegen, lehnte Pius XII., wie der deutsche Vatikan-Botschafter telegrafierte, „sehr entschieden ab”. Dagegen wünschte er allen kundzutun, „wie sehr er Deutschland schätze, und daß er gewillt sei, für Deutschland viel zu tun”. Ja, er gestand nicht nur, Deutschland „immer geliebt” zu haben, sondern „es jetzt noch viel mehr” zu lieben, sich seiner „Größe”, seines „Aufschwungs” zu freuen und „ein blühendes, großes und starkes Deutschland” zu wollen.
Eben: Nazideutschland; dessen Ausdehnung nach Osten und dessen Zerschlagung der „Hussitenrepublik” dem Papst besonders willkommen waren. Einer seiner Erfüllungsgehilfen, der katholische Geistliche und Ministerpräsident der Slowakei, Tiso, floh im Frühjahr 1939 mit einem von dem Katholiken und Reichsstatthalter in Österreich, Seyß-Inquart, zur Verfügung gestellten Flugzeug nach Berlin. Dort machte er, im Bund mit Hitler und dem Papst, die Slowakei sozusagen selbständig, schloß sich aber, nunmehr Staatspräsident, militärisch und außenpolitisch Nazideutschland an.
Tiso wurde päpstlicher Kammerherr, hob sofort Meinungs-, Presse-, Versammlungsfreiheit auf, feierte „viel Gemeinsames” zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus, verfolgte hart Orthodoxe, Protestanten und, als rabiater Antisemit, zumal die Juden. Auch lieferte er Hitler drei Divisionen ans Messer und beteuerte noch im Herbst 1944: „Die Slowakei wird an der Seite der Achsenmächte bis zum Endsieg stehen.”
Vor dem „Anschluß” Danzigs, der den Überfall auf Polen einleitete, kam der Papst Hitler wieder entgegen: vor allem durch Umbesetzung des Danziger Bischofsstuhles, worauf eine enge Zusammenarbeit des neuen Bischofs Maria Splett mit der Partei und der Gestapo begann sowie das Entlassen, Verfolgen und massenweise Ermorden polnischer Priester.
Gewiß sah Pius XII. Polen nur ungern in den Händen der antiklerikalen Nazis. Gewiß hätte er einen Krieg gegen Polen lieber verhindert, hätte er einen gemeinsamen Waffengang von Deutschland und Polen gegen die Sowjetunion überaus begrüßt. Gewiß mißbilligte er schließlich matt die deutschen Religionsverfolgungen im Osten. Doch er hatte die Warschauer Regierung immer weiter zu Konzessionen zu bewegen versucht, sodann die Aggression selbst nie verurteilt. Er verhielt sich wie schon bei der Besetzung der Tschechoslowakei. Er schwieg selbst zur Bombardierung und Zerstörung der polnischen Städte. Er brachte kein Wort über die Lippen, als die polnische Geheimpresse ihn immer häufiger beschuldigte. Dafür erklärte sein Staatssekretär: „Die Tatsachen sprechen für sich; lassen wir sie erst einmal sprechen.” Und als Hitler im April 1940 das schwache protestantische Norwegen heimsuchte, hüllte sich der Heilige Vater, wiewohl von vielen Seiten bedrängt, den neuen Überfall zu verdammen, ebenso in Schweigen wie schon bei ähnlichen Anlässen zuvor. Nur durch sein Hofblatt, den „Osservatore Romano”, deutete er an, in Norwegen lebten 2.619 Katholiken, in Deutschland aber 30 Millionen.
Nach der raschen, im Vatikan ungeduldig erwarteten Niederringung Frankreichs übermittelte der Nuntius in Berlin begeisterte Glückwünsche. Und Pius XII. selbst beauftragte die deutschen Bischöfe, in allen Kirchen Dankgottesdienste für den Führer zu halten. Dem mit Hitler verbündeten Marschall Pétain erteilte er seinen Segen und versicherte, die Kirche werde „das Werk der moralischen Wiedergeburt” in Frankreich warmherzig unterstützen. Die führende katholische Zeitung Frankreichs, „La Croix”, später wegen ihrer Kollaborationspolitik gerichtlich belangt, forderte täglich Zusammenarbeit mit Pétain und Hitler, drang auf schonungslose Beseitigung der Widerstandsbewegung und lobte, der Kurs Pétains stimme „erstaunlich mit den Weisungen des Heiligen Stuhls überein”.
Freilich, so erstaunlich nicht. Hatte Pacelli doch spätestens seit 1933 auf den antikommunistischen Hitler gesetzt, hatte 1937 die Anwendung „auch äußerer Machtmittel gegen die bolschewistische Gefahr” erlaubt und 1939 betont, daß der „Führer” das legale Oberhaupt der Deutschen sei und jeder sündige, der ihm den Gehorsam verweigere. So fehlte es dem Heiligen Vater im Sommer 1941, eine Woche nach dem deutschen Angriff auf Rußland, „nicht an Lichtblicken”, wie er in einer Rundfunkbotschaft frohlockte, „die das Herz zu großen, heiligen Erwartungen erheben; großmütige Tapferkeit zur Verteidigung (!) der Grundlagen der christlichen Kultur und zuversichtliche Hoffnungen auf ihren Triumph”. Womit der Papst ja kaum die Rote Armee gemeint haben konnte. Zumal schon ein Jahr vor Hitlers Rußlandattacke jesuitische Absolventen des römischen Collegium Russicum in Verkleidung und unter falschem Namen die sowjetische Grenze überschritten, um im vatikanischen Auftrag Spionage zu treiben. Zumal Hitlers Unterstaatssekretär Luther zu dem Schluß kam: „Seit Anfang des Krieges hat der gegenwärtige Papst seine politischen Pläne auf den Sieg der Achsenmächte gegründet.” Zumal der Leiter des Geheimdienstes, SS-Obergruppenführer Schellenberg, nach einem Gespräch mit dem Papst resümierte: „Der Papst wird sein Möglichstes tun, um einen deutschen Sieg zu sichern. Sein Ziel ist die Zerstörung Rußlands.” Und zumal Pius XII. selbst mitten im Krieg „nicht nur wärmste Sympathie für Deutschland, sondern auch Bewunderung großer Eigenschaften des Führers” zum Ausdruck brachte und diesem, gleich durch zwei Nuntien, übermitteln ließ, er wünsche „dem Führer nichts sehnlicher als einen Sieg”!
Einen Kurzfilm von KAOS Film- und Video Team Köln zu Karlheinz Deschners Vortrag mit Archivbildern finden Sie in dieser NRhZ-Ausgabe. NRhZ-Leser können die komplette Serie für 19,95 Euro beim KAOS Kunst- und Video-Archiv für den privaten Gebrauch bestellen: info@kaos-Archiv.de (CH)
Online-Flyer Nr. 125 vom 12.12.2007