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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Lokales
CDU/FDP rächen sich für Bürgerbegehren
90.000 Düsseldorfer sind entsetzt
Von Peter Adolffs

Von OB Joachim Erwin nur OrdnungsrufeDie Zuschauertribüne im Düsseldorfer Rathaus war am Montag überfüllt. OB Erwin giftete ZuhörerInnen an: Sie sollten ruhig sein, sich benehmen. Wegen angeblicher Tumulte - einmal hatte man von den Rängen einer Rede applaudiert, ein anderes Mal gab es Aufregung in der CDU-Fraktion - unterbrach der OB zweimal die Sitzung für längere Zeit. CDU und FDP erklärten schließlich mit ihrer Mehrheit, ohne diese Entscheidung zu begründen, das von mehr als 90.000 WählerInnen unterzeichnete Bürgerbegehren gegen den Verkauf weiterer Stadtwerke-Anteile für unzulässig. Dessen UnterstützerInnen waren über Klima und Ablauf der Ratssitzung spürbar entsetzt.

Wie erwartet, hatte die Verwaltung vorgeschlagen, das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären. Begründung: Der Verkauf der Stadtwerke-Anteile sei "wirtschaftlich und nicht unwirtschaftlich". Die Stadt erwirtschafte ein Plus von jährlich 6,3 Millionen Euro, wenn man Zinseinsparungen von 18 Millionen gegen Dividendenverluste von 6,3 Millionen Euro rechne.

Frank Laubenburg, Die Linke: 'Rache am Willen der Einwohner'Frank Laubenburg von der Linkspartei hielt dagegen: Hier werde mit falschen Zahlen operiert. Die Zinsbelastung sei mit durchschnittlich fünf Prozent angegeben worden, obwohl die meisten städtischen Kredite mit 3,1 bis 3,9 Prozent wesentlich günstiger belastet seien. Gleichzeitig habe man als Beleg für die Dividende die recht schlechten Zahlen aus 2004 genommen, nicht aber die wesentlich besseren aus 2005 und aus dem Wirtschaftsplan 2006 sowie aus der mittelfristigen Finanzplanung. Lege man die zugrunde, sähe die Rechnung ganz anders aus: Die Stadt würde durch den Verkauf eine Million jährlich Minus machen. Zudem müsse die Wirtschaftlichkeit auch an anderen Kriterien gemessen werden - nämlich am Erhalt von Arbeitsplätzen und fairen Preisen für Strom- und Gas-Verbrauch für die Düsseldorfer.

Der Behauptung der Verwaltung, dass der Kaufpreis von 361 Millionen deutlich über dem Marktwert der Stadtwerke läge, den die Verwaltung allerdings nicht darlegte, hielt Laubenburg entgegen, die Stadt habe den Wert der Stadtwerke nicht schätzen lassen. Durch die neuen Bilanzierungsvorschriften ab 2006 würden zum Beispiel 400 Millionen stille Reserven endlich bilanziert, auf die jetzt der EnBW-Konzern (Energie Baden-Württemberg) "Zugriff" bekomme. Der "Kaufpreis" läge real also bei 261 Millionen.

Wolfgang Scheffler, Grüne: 'Bürgerwillen unerlaufen'Auch für die Behauptung von Verwaltung und OB, weil schon verkauft sei, sei das Bürgerbegehren hinfällig und dessen Forderung (Aktienmehrheit bei der Stadt behalten) nicht mehr umzusetzen, hatte Laubenburg ein Gegenargument: Der bereits 2001 geplante "Trick der Put-Option" dürfe demokratische Entscheidungsprozesse nicht außer Kraft setzen. Nachverhandlungen mit EnBW seien möglich, wenn man nur wolle. Zudem sei der Verkauf erst nach einer kartellrechtlichen Genehmigung wirksam. Die stehe aber noch aus. Mit Blick auf Erwins Niederlage beim ersten Bürgerentscheid warf er dem OB vor, "Rache am Willen der Einwohner zu üben".

Nachdem Wolfgang Scheffler von den Grünen dem OB vorgeworfen hatte, "den Bürgerwillen durch Geschwindigkeit unterlaufen" zu wollen, Günter Wurm für die SPD "Regisseur Erwin" bescheinigt hatte, dieser habe dafür gesorgt, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren würden, warnte Herbert Alles von der Bürgerinitiative gegen den Verkauf der Stadtwerke die Ratsmehrheit: "Bürgersinn ist den Bürgern nicht auszutreiben."

Trotzdem stimmten dem Verwaltungsvorschlag am Ende, ohne dass sie dem Drei-Stunden-Beschuss ihrer Kritiker auch nur ein Wort zur Begründung entgegen gehalten hätten, CDU und FDP mit ihrer Mehrheit dem Verwaltungsvorschlag zu. Für das Bürgerbegehren und gegen den Verkauf der Stadtwerke-Anteile stimmten SPD, Grüne, Linke Liste, Graue, REP und Bürgerliste.

Günter Wurm, SPD: 'Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Politik'Das fand tags drauf sogar die "Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung" aus dem Essener WAZ-Konzern nicht in Ordnung. "Rache am Willen der Bürger" titelte deren Redaktion ihren Bericht und notierte empörte "Erwin raus"-Rufe von der Ratssaal-Tribüne über das "womöglich letzte Kapitel zum Verkauf der Stadtwerke an den Energieriesen EnBW". Überschrift des Redakteurs im darunter stehenden Kommentar: "Erbärmliche Vorstellung". Sein Fazit: "Das Klischee vom schmutzigen Geschäft namens Politik hat im Fall des Stadtwerkeverkaufs in den vergangenen Wochen neue Nahrung bekommen."

Mehr zum Hintergrund finden Sie unter:

http://www.mehr-demokratie.de/duesseldorf.html


Bild1: Von OB Joachim Erwin nur Ordnungsrufe
Bild2: Frank Laubenburg, Die Linke: "Rache am Willen der Einwohner"
Bild3: Wolfgang Scheffler, Grüne: "Bürgerwillen unerlaufen"
Bild4: Günter Wurm, SPD: "Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Politik"
Fotos: NRhZ-Archiv


Online-Flyer Nr. 26  vom 11.01.2006



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