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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Inland
Warum Seehofer nichts gegen vergiftetes Obst und Gemüse tut
Sünder an den Pranger
Von Peter Kleinert

"Bauernverbandspräsident Sonnleitner hat kein Problem mehr damit, dass schwarze Schafe jetzt genannt werden sollen", freute sich Peter Hahne am 8.12. im KStA-Kommentar unter der Überschrift "Sünder an den Pranger". "Der Präsident des Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, unterstützt das "Zehn-Punkte-Sofortprogramm" von Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU), mit dem die jüngst gehäuft aufgetretenen Fleischskandale bekämpft werden sollen." Und weiter: "Seehofer handelt - rasch und energisch. Seehofer kennt "null Toleranz" - im Interesse der Verbraucher", lobte der Stadt-Anzeiger-Redakteur den Minister, nachdem das Kabinett dessen Aktionsplan zugestimmt hatte.

Im Interesse der Verbraucher "Null Toleranz"? Gegenüber "schwarzen Schafen"? Richtig - aber nur dann, wenn die Schafe so klein sind wie beim Skandal um überlagertes, falsch etikettiertes, verdorbenes, spätestens beim Auspacken oder in der Pfanne stinkendes Fleisch. Dann kennen Bauernverband, Minister und Medien - inzwischen - kein Erbarmen mehr mit Gesundheit gefährdender Ware. Als die Verbraucherschutzministerin noch Künast hieß, haben CDU und Seehofers CSU und natürlich auch Gerd Sonnleitner eine Verbesserung des Verbraucherinformationsgesetzes, durch die den Verbrauchern mehr Rechte und mehr Sicherheit eingeräumt werden sollten, jahrelang verhindert. Doch das nur am Rande.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos


Woran Seehofer, Sonnleitner und Medien hingegen nicht im Traume denken, ist, dieselben harten Konsequenzen, die sie nun gegenüber den "Schafen" ziehen wollen, auch auf die "Bullen" anzuwenden. Über die verloren sie kein einziges Wort, als in der Woche, in der der Fleischskandal Furore machte, ein weitaus gefährlicherer Skandal um vergiftetes Obst und Gemüse von Greenpeace bekannt gemacht wurde: Vergiftet mit krebserregenden, nervenschädigenden und deshalb teilweise ausdrücklich verbotenen Pilz- und Insektenbekämpfungsmitteln aus den Labors von BAYER und BASF - um nur die größten "Bullen" zu nennen - waren Birnen, Nektarinen, Pfirsiche, Kopfsalat, Tomaten, Paprika bei Lidl, Metro und anderen Supermärkten. (Siehe NRhZ 21) Aber - im Gegensatz zum verdorbenen Fleisch - sahen die richtig gut, knackig, frisch und gesund aus und schmeckten sogar.

"Ich möchte Lebensmittelsicherheit erreichen", tönte Minister Seehofer am 7. Dezember aus allen Medien. Wir haben darauf in seinem Ministerium angefragt, ob Obst und Gemüse keine Lebensmittel seien. Bis heute hat er darauf und auf unsere zweite Frage, was er mit den eigentlich Verantwortlichen für diesen nach zwei, drei Tagen von den Medien ins Archiv gelegten Lebensmittelskandal zu tun gedenke, nicht geantwortet. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Weil diese Regierung wie ihre Vorgängerin mehr Rücksicht auf Konzerne als auf Verbraucher nehmen muss - und das nicht nur bei den Steuern. Und: weil die Medien bei ihren Berichten über die Greenpeace-Aktion die in der Studie namentlich genannten eigentlich Verantwortlichen für das Gift in Obst und Gemüse nicht beim Namen genannt, sondern sich auf die Supermarktketten beschränkt hatten. Das war ja nicht zu vermeiden.

Und warum nennen auch Presse, Funk und Fernsehen die "Bullen" so ungern beim Namen und machen Seehofer&Co. die Kumpanei mit diesen so leicht? Weil sie sich - überwiegend - durch Anzeigenwerbung finanzieren oder einfach Schiss vor ihnen haben. Das war schon Mitte der 70er Jahre so, als der Stadt-Anzeiger-Redakteurin Ulla Junk von der Verlagsleitung verboten wurde, überregional über die bei der PVC-Herstellung im damals zum Flick-Konzern gehörenden Troisdorfer Dynamith-Nobel-Werk an Krebs erkrankten und gestorbenen Arbeiter zu berichten. Und das gilt heute immer noch. Nicht nur im Kölner Verlag M. DuMont Schauberg. 

Online-Flyer Nr. 22  vom 14.12.2005



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