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Inland
Interview mit dem Geheimdienstspezialisten Erich Schmidt-Eenboom
Steinmeier und seine Komplizen
Von Hans Georg

In Frankfurt am Main residiert die Leitzentrale weltweiter Akte von Menschenraub, Folter und Subversion, bestehend aus etwa 200 Agenten des US-Geheimdienstes CIA. Sie war an der Entführung deutscher Staatsbürger beteiligt - unter Mitverantwortung von Frank-Walter Steinmeier. Dies ist einem Buch über die deutsche Auslandsspionage (BND) zu entnehmen, das heute auf den Markt kommt. Autor ist der Geheimdienstspezialist Erich Schmidt-Eenboom. Er schreibt, dass die Haft des Hamburger Bürgers Haydar Zammar, der seit fünf Jahren in einem Foltergefängnis in Damaskus festgehalten wird, auf den Verrat persönlicher Daten an die CIA zurückgeht. Der Zugriff wurde offensichtlich vom BND, vom Bundeskriminalamt (BKA) und vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vorbereitet. Hier ein Interview mit dem Autor.

german-foreign-policy.com: In Ihrem neuen Buch erwähnen Sie eine CIA-Operationsbasis in Frankfurt am Main. Welche Aufgabe hat sie und wer weiß davon?

Erich Schmidt-Eenboom: Die etwa 200 CIA-Mitarbeiter umfassende Station in der Mainmetropole ist seit Jahren der vorgeschobene Posten des US-Auslandsnachrichtendienstes für den Nahen und Mittleren Osten. In dieser Funktion ist sie auch die Leitstelle für die illegalen Verschleppungen von Terrorverdächtigen quer durch Europa und aus und in arabische Staaten. Der BND und damit das Kanzleramt wissen um diese völkerrechtswidrige Aufgabe, die von deutschem Boden aus wahrgenommen wird. Mit Rücksicht auf die USA und das ständig getrübte Partnerdienstverhältnis des Bundesnachrichtendienstes zur Agency wird der scheinheilig beklagte Rechtsbruch geduldet und der Öffentlichkeit und dem Parlament Unwissen vorgegaukelt.


In den bisher bekannt gewordenen Entführungsfällen (Khaled el Masri, Murat Kurnaz und andere) ergibt sich immer wieder derselbe Ablauf: Observation der später Deportierten durch deutsche Geheimdienste, Meldung der Daten an eine fremde Macht und Zuführung an ausländische Folterstaaten. Kann man von einem Outsourcing von Folter sprechen?

Unter grober Missachtung der Fürsorgepflicht der Bundesrepublik Deutschland für ihre Staatsangehörigen werden die Daten von Verdächtigen gegenüber ausländischen Geheimdiensten preisgegeben. Dabei nehmen Kanzleramt und alle deutschen Sicherheitsbehörden billigend in Kauf, dass Menschen, denen nach deutschem Recht keine Straftat nachzuweisen ist, von Unrechtsregimen einschließlich der USA ihrer Freiheit und körperlichen Unversehrtheit beraubt werden. Anschließend beklagen Politiker, dass ihnen wegen der Rigidität ihrer ausländischen Partner die Hände gebunden sind, die sie sich zuvor schmutzig gemacht haben.

Der Zynismus der Verantwortlichen hat dabei zwei Motive. Erstens: Sich dem Erwartungsdruck der USA zu grenzenloser Effizienz beim Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Terroristen zu beugen und damit im Schattenreich der Nachrichtendienste wenigstens zweite Liga zu spielen. Zweitens: Informatorisch von den Früchten der Folter zu profitieren, ganz gleich, wie tragfähig erquälte Aussagen sind.

Offensichtlich ist es zu schweren Verbrechen gekommen, in die die deutschen Staatsspitzen verwickelt sind. Wie beurteilen Sie das Ausmaß der Ungesetzlichkeiten?

Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts erleben wir in Deutschland eine Renaissance der Forcierung so genannter vitaler nationaler Interessen, deren erstes Opfer die politische Wahrheit und Wahrhaftigkeit ist. Unter Deckmänteln wie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder des Drogenhandels verfolgt jede Bundesregierung seither verstärkt außenwirtschaftliche und geopolitische Ziele, die in deutlichem Gegensatz zum Friedensgebot und der Verpflichtung unserer Verfassung auf das humanitäre Völkerrecht stehen. Im Fall Syrien werden beispielsweise offensichtliche Rechtsbrüche im In- und Ausland mit der Terrorabwehr begründet. Aber gerade da ist nachweisbar, dass die 1986 eingeleitete Zusammenarbeit mit der Diktatur in Damaskus nackte machtpolitische Hintergründe hat. Die Regierungspropaganda ist hier - wie in anderen Fällen - Teil eines groß angelegten Täuschungsmanövers gegenüber der demokratischen Öffentlichkeit und dem Parlament.

Ist bei einem solch systematischen Verfassungsbruch überhaupt zu erwarten, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden - die Spitzen des BKA, des BND und nicht zuletzt der heutige Außenminister?

Ein Blick in die Kriminalgeschichte der (west-)deutschen Außenpolitik seit 1949 lehrt, dass die Akteure in Politik und Sicherheitsbehörden bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Eckpfeiler unserer Demokratie bisher stets ungestraft davongekommen sind. Ob es sich um nachweislich illegalen Waffenhandel im Staatsauftrag oder um die Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen durch üble Diktaturen handelte, in keinem Fall wurden Politiker oder Beamte für ihre Verbrechen bestraft.

So steht auch nach Abschluss der Arbeiten des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags nichts anderes zu erwarten, als dass Oppositionsparteien harsche moralische Urteile fällen. Der weithin erschallende Ruf nach Reformen bei den Geheimdiensten ist zum einen der Versuch, zu suggerieren, es gäbe Konsequenzen. Zum anderen dient er vor allem dem Ziel, Verantwortlichkeiten zu entpersonalisieren, und schafft damit die Voraussetzung, dass neue Strukturen weiterhin ungehemmt alte Wege beschreiten.

BND Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten


Erich Schmidt-Eenbohm: BND Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten, 2006, 1. Auflage, 336 Seiten, 22,90 Euro, 3-7766-2503-1, Herbig





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