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Inland
Neoliberale mit Rechtsextremisten weitgehend einig:
"Opfer bringen für den
Wirtschaftsstandort"
Von Hans-Detlev von Kirchbach
Neoliberale, Marktradikale aber auch ein Teil der Rechtsextremisten sind sich weitgehend in der Überzeugung einig, dass man heute vor allen Dingen "für die Stärke des eigenen Wirtschaftsstandorts Opfer bringen" und "den Gürtel enger schnallen" muss. Dagegen hilft nur "solidarischer Widerstand". Zu diesem Ergebnis kamen Rechtsextremismusforscher wie der Kölner Politikwissenschaftler Professor Christoph Butterwegge im Gespräch mit unserem Autor auf einer Wochenendtagung der Rosa-Luxemburg-Gesellschaft und des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung im Kulturzentrum "Alte Feuerwache" in Köln. (nrhz)
"Die Schnittstelle, die ideologische, zwischen einerseits Neoliberalismus und andererseits dem Rechtsextremismus, sehe ich vor allem im Standort-Nationalismus", erklärte Butterwegge. "Der Sozialdarwinismus, also die Überzeugung, dass der Stärkere sich durchsetzt und der Stärkere in der Gesellschaft sich auch durchsetzen soll, ist natürlich sehr kompatibel mit den Mechanismen, die wir jetzt im globalisierten Kapitalismus haben; diese Überzeugung, dass der eigene Wirtschaftsstandort der konkurrenzfähigste sein soll, hat natürlich den Sozialdarwinismus, wenn man so will, zum Zwillingsbruder."
Der alte Kolonialismus, der einst mit militärischer Gewalt auf fremde Regionen und deren Ressourcen zugreifen wollte, verbindet sich heute mit dem globalen Territorial- und Gültigkeitsanspruch der totalen Weltvermarktung. Dies wird deutlich etwa auch in den Einsatzplanungen der NATO und in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundesregierung, bei denen die militärische Garantie des "freien Marktes", des weltweiten Zugangs zu Rohstoffquellen und Ressourcen, im Vordergrund stehen.

Hoffnungen auf "solidarischen Widerstand"
Foto:NRhZ-Archiv
"Freier Markt" und autoritärer Staat kein Widerspruch
Offen rassistischer Überlegenheitswahn, nationalistische Abschottung gegen "Fremde", rechte, autoritäre Staatsideen treten aus dieser Sicht dem herrschenden Mainstream nur mit einer etwas deutlicheren Aussprache zur Seite.Sie legitimieren letztlich sowohl die wirtschaftsimperiale Expansion nach außen als auch die ohnehin schon offizielle flüchtlingsfeindliche Politik der Festung Europa gegen die Opfer des globalen Marktextremismus. Das rechtsextreme Parolenpostulat "Ausländer raus" wird von der offiziellen Politik längst effizient umgesetzt und gegenüber Armutsflüchtlingen noch weit übertroffen: Man lässt sie gar nicht erst rein. Als Folge dieser offiziellen Politik gegen unerwünschte Migranten ertrinken Tausende Elendsvertriebener im Meer oder werden in der Wüste ausgesetzt, um dort eher zu verhungern als europäischen Boden zu erreichen. So ist schwer vorstellbar, mit welchen Maßnahmen Rechtsextremisten die Radikalität solch brachialer Immunisierung der Wohlstandsinsel Europa gegen das menschliche Schwemmgut der weltweiten Verarmung noch übertreffen sollten. "Freier Markt" und autoritärer Staat? Für Christoph Butterwegge kein Widerspruch:
"Der Neoliberalismus ist nicht ein Feind des Staates. Sein Leitbild eines schlanken, ich würde sogar sagen, magersüchtigen Staates bezieht sich ja eigentlich nur auf die Staatsapparate, die soziale Schutzrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für sozial Benachteiligte beinhalten. Wohingegen andere Staatsapparate, die Gewalt- und Repressionsapparate des Staates, wie Polizei, Justiz, Geheimdienste ja von Neoliberalen in keiner Weise auf den Prüfstand gestellt werden. Da sind sie auch nicht für den Abbau staatlicher Bürokratie, sondern ganz im Gegenteil."

Wochenende in der "Alten Feuerwache"
Foto:NRhZ-Archiv
Neo-liberale "Reformen" schon im Chile Pinochets
"Neu" ist der "Neo-Liberalismus" längst nicht mehr. Neu ist bestenfalls, dass dem Marktextremismus kaum noch Widerstand entgegenschlägt. Vergessen ist heute weithin, dass eines der ersten Experimentierlabors neoliberaler "Reformen" in den 70er Jahren, noch vor Thatcher und Reagan, ein weltweites Sinnbild des autoritären Staates war: das Chile der Pinochet-Junta, in dem Milton Friedmans Chicago-Boys die konsequente Umverteilung von unten nach oben erprobten.
Und heute ergeben sich - europaweit - bemerkenswerte Übergänge zwischen den marktradikalen Konzepten neoliberaler "Think Tanks" und einer elitär daherkommende Neuen Rechten. Die findet man in Deutschland etwa im Umfeld der rechtsintellektuellen Wochenzeitung "Junge Freiheit", einem Klientel, dem der bisherige Sozialabbau längst noch nicht weit genug geht. Andererseits eignen sich die offizielle Politik und der "Diskurs der Mitte" rechte Themen und Thesen an und zwar nicht nur, um den Wählerzulauf zu rechtsradikalen Parteien zu stoppen. Vielmehr sahen die Referenten der Kölner Tagung einen inneren, systematischen Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Konfliktpotential vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau einerseits und der Destruktion demokratischer Grundrechte. Gehe es doch darum, mögliche Protest- und Widerstandsbewegungen einzudämmen. Namentlich die Unruhen der letzten Wochen in Frankreich hätten deutlich gezeigt: Es gibt keine Garantie dafür, dass die Ausgegrenzten der Marktgesellschaft auf Dauer stillhalten.
NPD-Erfolge mit sozialer Demagogie
Experten wie Christoph Butterwegge sehen hier die Gefahr, dass sich andere Strömungen des Rechtsextremismus die "sozial Benachteiligen, die Globalisierungs- und Modernisierungsverlierer als Zielgruppe suchen und sich als Schutzpatron der Ausgegrenzten aufspielen" - freilich nur, soweit diese "deutschen Geblütes" seien. Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung warnte denn auch davor, den Rechtsradikalismus zu einseitig als Produkt des Neoliberalismus mißzuverstehen und dessen eigene "völkische und namentlich antisemitische Tradition" zu ignorieren. Zu der gehöre auch, anknüpfend an das Vorbild der frühen NSDAP, der Versuch, sich mit antikapitalistischer Propaganda an soziale Bewegungen anzuhängen.
Die soziale Demagogie, dank derer die NPD in Sachsen immerhin mit neun Prozent in den Landtag gekommen ist, durchschauen Kenner der rechtsradikalen Rhetorik als Versuche, "soziale Frustration in autoritäre, obrigkeitsstaatliche Orientierungen zu überführen". Und die richten sich letztlich stets gegen die Verlierer der sozialdarwinistischen Umformung der Gesellschaft - unabhängig von "ethnischer Zugehörigkeit".
Hoffnungen setzte die Konferenz trotzdem auf "solidarischen Widerstand", so Christoph Butterwegge. Dazu gebe es "Ansätze bis hin zu Armutskonferenzen, Arbeitslosenforen, wo sich Menschen engagieren, Flüchtlingsinitiativen, insofern gibt es ja ein breites Potential. Aber noch, denke ich, ist die neoliberale Hegemonie ungebrochen."

"Wie Lassalle sagte, ist und bleibt die revolutionärste Tat, immer >das laut zu sagen, was ist<."
Foto:NRhZ-Archiv
Externe Links:
www.rosaluxemburgstiftung.de
Online-Flyer Nr. 21 vom 07.12.2005
Neoliberale mit Rechtsextremisten weitgehend einig:
"Opfer bringen für den
Wirtschaftsstandort"
Von Hans-Detlev von Kirchbach
Neoliberale, Marktradikale aber auch ein Teil der Rechtsextremisten sind sich weitgehend in der Überzeugung einig, dass man heute vor allen Dingen "für die Stärke des eigenen Wirtschaftsstandorts Opfer bringen" und "den Gürtel enger schnallen" muss. Dagegen hilft nur "solidarischer Widerstand". Zu diesem Ergebnis kamen Rechtsextremismusforscher wie der Kölner Politikwissenschaftler Professor Christoph Butterwegge im Gespräch mit unserem Autor auf einer Wochenendtagung der Rosa-Luxemburg-Gesellschaft und des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung im Kulturzentrum "Alte Feuerwache" in Köln. (nrhz)
"Die Schnittstelle, die ideologische, zwischen einerseits Neoliberalismus und andererseits dem Rechtsextremismus, sehe ich vor allem im Standort-Nationalismus", erklärte Butterwegge. "Der Sozialdarwinismus, also die Überzeugung, dass der Stärkere sich durchsetzt und der Stärkere in der Gesellschaft sich auch durchsetzen soll, ist natürlich sehr kompatibel mit den Mechanismen, die wir jetzt im globalisierten Kapitalismus haben; diese Überzeugung, dass der eigene Wirtschaftsstandort der konkurrenzfähigste sein soll, hat natürlich den Sozialdarwinismus, wenn man so will, zum Zwillingsbruder."
Der alte Kolonialismus, der einst mit militärischer Gewalt auf fremde Regionen und deren Ressourcen zugreifen wollte, verbindet sich heute mit dem globalen Territorial- und Gültigkeitsanspruch der totalen Weltvermarktung. Dies wird deutlich etwa auch in den Einsatzplanungen der NATO und in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundesregierung, bei denen die militärische Garantie des "freien Marktes", des weltweiten Zugangs zu Rohstoffquellen und Ressourcen, im Vordergrund stehen.

Hoffnungen auf "solidarischen Widerstand"
Foto:NRhZ-Archiv
"Freier Markt" und autoritärer Staat kein Widerspruch
Offen rassistischer Überlegenheitswahn, nationalistische Abschottung gegen "Fremde", rechte, autoritäre Staatsideen treten aus dieser Sicht dem herrschenden Mainstream nur mit einer etwas deutlicheren Aussprache zur Seite.Sie legitimieren letztlich sowohl die wirtschaftsimperiale Expansion nach außen als auch die ohnehin schon offizielle flüchtlingsfeindliche Politik der Festung Europa gegen die Opfer des globalen Marktextremismus. Das rechtsextreme Parolenpostulat "Ausländer raus" wird von der offiziellen Politik längst effizient umgesetzt und gegenüber Armutsflüchtlingen noch weit übertroffen: Man lässt sie gar nicht erst rein. Als Folge dieser offiziellen Politik gegen unerwünschte Migranten ertrinken Tausende Elendsvertriebener im Meer oder werden in der Wüste ausgesetzt, um dort eher zu verhungern als europäischen Boden zu erreichen. So ist schwer vorstellbar, mit welchen Maßnahmen Rechtsextremisten die Radikalität solch brachialer Immunisierung der Wohlstandsinsel Europa gegen das menschliche Schwemmgut der weltweiten Verarmung noch übertreffen sollten. "Freier Markt" und autoritärer Staat? Für Christoph Butterwegge kein Widerspruch:
"Der Neoliberalismus ist nicht ein Feind des Staates. Sein Leitbild eines schlanken, ich würde sogar sagen, magersüchtigen Staates bezieht sich ja eigentlich nur auf die Staatsapparate, die soziale Schutzrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch für sozial Benachteiligte beinhalten. Wohingegen andere Staatsapparate, die Gewalt- und Repressionsapparate des Staates, wie Polizei, Justiz, Geheimdienste ja von Neoliberalen in keiner Weise auf den Prüfstand gestellt werden. Da sind sie auch nicht für den Abbau staatlicher Bürokratie, sondern ganz im Gegenteil."

Wochenende in der "Alten Feuerwache"
Foto:NRhZ-Archiv
Neo-liberale "Reformen" schon im Chile Pinochets
"Neu" ist der "Neo-Liberalismus" längst nicht mehr. Neu ist bestenfalls, dass dem Marktextremismus kaum noch Widerstand entgegenschlägt. Vergessen ist heute weithin, dass eines der ersten Experimentierlabors neoliberaler "Reformen" in den 70er Jahren, noch vor Thatcher und Reagan, ein weltweites Sinnbild des autoritären Staates war: das Chile der Pinochet-Junta, in dem Milton Friedmans Chicago-Boys die konsequente Umverteilung von unten nach oben erprobten.
Und heute ergeben sich - europaweit - bemerkenswerte Übergänge zwischen den marktradikalen Konzepten neoliberaler "Think Tanks" und einer elitär daherkommende Neuen Rechten. Die findet man in Deutschland etwa im Umfeld der rechtsintellektuellen Wochenzeitung "Junge Freiheit", einem Klientel, dem der bisherige Sozialabbau längst noch nicht weit genug geht. Andererseits eignen sich die offizielle Politik und der "Diskurs der Mitte" rechte Themen und Thesen an und zwar nicht nur, um den Wählerzulauf zu rechtsradikalen Parteien zu stoppen. Vielmehr sahen die Referenten der Kölner Tagung einen inneren, systematischen Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Konfliktpotential vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau einerseits und der Destruktion demokratischer Grundrechte. Gehe es doch darum, mögliche Protest- und Widerstandsbewegungen einzudämmen. Namentlich die Unruhen der letzten Wochen in Frankreich hätten deutlich gezeigt: Es gibt keine Garantie dafür, dass die Ausgegrenzten der Marktgesellschaft auf Dauer stillhalten.
NPD-Erfolge mit sozialer Demagogie
Experten wie Christoph Butterwegge sehen hier die Gefahr, dass sich andere Strömungen des Rechtsextremismus die "sozial Benachteiligen, die Globalisierungs- und Modernisierungsverlierer als Zielgruppe suchen und sich als Schutzpatron der Ausgegrenzten aufspielen" - freilich nur, soweit diese "deutschen Geblütes" seien. Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung warnte denn auch davor, den Rechtsradikalismus zu einseitig als Produkt des Neoliberalismus mißzuverstehen und dessen eigene "völkische und namentlich antisemitische Tradition" zu ignorieren. Zu der gehöre auch, anknüpfend an das Vorbild der frühen NSDAP, der Versuch, sich mit antikapitalistischer Propaganda an soziale Bewegungen anzuhängen.
Die soziale Demagogie, dank derer die NPD in Sachsen immerhin mit neun Prozent in den Landtag gekommen ist, durchschauen Kenner der rechtsradikalen Rhetorik als Versuche, "soziale Frustration in autoritäre, obrigkeitsstaatliche Orientierungen zu überführen". Und die richten sich letztlich stets gegen die Verlierer der sozialdarwinistischen Umformung der Gesellschaft - unabhängig von "ethnischer Zugehörigkeit".
Hoffnungen setzte die Konferenz trotzdem auf "solidarischen Widerstand", so Christoph Butterwegge. Dazu gebe es "Ansätze bis hin zu Armutskonferenzen, Arbeitslosenforen, wo sich Menschen engagieren, Flüchtlingsinitiativen, insofern gibt es ja ein breites Potential. Aber noch, denke ich, ist die neoliberale Hegemonie ungebrochen."

"Wie Lassalle sagte, ist und bleibt die revolutionärste Tat, immer >das laut zu sagen, was ist<."
Foto:NRhZ-Archiv
Externe Links:
www.rosaluxemburgstiftung.de
Online-Flyer Nr. 21 vom 07.12.2005