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Globales
Für Siemens, Adenauer-Stiftung und GTZ wichtig
Marktzugang in Vietnam
Von Hans Georg
Weitere Siemens-Lieferungen gelten dem Ausbau der vietnamesischen Telekommunikation und Logistik, die während des US-Krieges fast vollständig zerbombt worden war. Siemens, das damals auf der US-Seite verdiente, exportiert heute komplette Diesel-Elektro-Loks für die vietnamesischen Eisenbahnen. Auf diesem Sektor ist auch die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) tätig. Das staatseigene Unternehmen empfiehlt die "Liberalisierung" des vietnamesischen Transportwesens und verlangt den kostenlosen Erwerb vietnamesischer Ländereien durch ausländische Investoren. Die ebenfalls in der vietnamesischen Hauptstadt tätigen deutschen Parteistiftungen drängen auf den Ausbau der "marktwirtschaftlichen Verhältnisse" und propagieren den Umsturz des ländlichen Lebens.
Für das bereits im Bau befindliche Kraftwerk Ca Mau II liefert Siemens zwei Gasturbinen, eine Dampfturbine, drei Generatoren sowie die komplette Elektro- und Leittechnik. Damit konnte das Unternehmen an einen Auftrag vom vergangenen November anschließen, der dem baugleichen Kraftwerk Ca Mau I galt. Nach Fertigstellung werden beide Anlagen rund 1.500 Megawatt produzieren. Das Auftragsvolumen beträgt 300 Millionen Euro. Siemens hofft auf Folgeprojekte, da der vietnamesische Energiebedarf jährlich um 15 Prozent steigt. Die dafür im Südchinesischen Meer vorhandenen Gasvorkommen sind begrenzt, weil in Teilen politisch umstritten. Territoriale Ansprüche erheben sowohl Vietnam wie die Volksrepublik China.
Vorderste Front
Vor dem Hintergrund unübersehbarer Differenzen zwischen Hanoi und Beijing kommt Vietnam sowohl für die deutsche Wirtschaft wie für die deutsche Außenpolitik herausragende Bedeutung zu. Vietnam gehört zu den "Schwerpunktländern", denen Berlin seine "entwicklungspolitische Zusammenarbeit" widmet, um "Wirtschaftsreformen" und den "Aufbau der Marktwirtschaft" zu intensivieren [1] - eine Umschreibung für Freihandelsinteressen deutscher Unternehmen. Sie sind der größte Handelspartner Vietnams in der EU und wickeln ein Drittel sämtlicher Vietnam-Geschäfte in Europa ab - zum Nachteil Frankreichs, das seine privilegierten Kolonialbeziehungen gegen Berlin nicht behaupten kann. An vorderster Lobbyfront stehen in Hanoi nicht französische, sondern deutsche Organisationen, so die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).
Verschenkt
Die Siemens-Lieferung von 16 Diesel-Elektro-Loks begleitet die GTZ (Heimatsitz: Eschborn bei Frankfurt am Main) mit einem eigenen "Project Manager" [2], der sich um die "Unterstützung beim Umbau der vietnamesischen Eisenbahnen" kümmert. Laut GTZ, deren weltweiter Personalbestand inzwischen 10.000 Mitarbeiter übersteigt, ist die "Liberalisierung" des Transportwesens in Vietnam "unvermeidlich". Wie zu Zeiten der Bagdad-Bahn und anderer Kolonialprojekte üblich, verlangt die GTZ für private Schienen-Investoren die Übereignung staatlicher Ländereien - kostenfrei. Auf dem verschenkten Boden habe die vietnamesische Regierung private Erschließungsarbeiten "voll zu erstatten" und müsse dem ausländischen Investor Steuerfreiheit für Importwaren garantieren, doziert die GTZ.
Stoßtrupps
Ähnlich unverblümt tritt auch das vietnamesische Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) auf. Die im hauptstädtischen Zentrum untergebrachte Organisation, die sich zu mehr als 90 Prozent aus deutschen Staatsgeldern finanziert, will in Vietnam das "private Unternehmertum" fördern und wirkt für ein umfassendes "System der sozialen Marktwirtschaft".[3] Da die KAS entdeckt hat, dass in der vietnamesischen Provinz ein "relativ große(r) Entscheidungs- und Handlungsspielraum" besteht, der sich den zentralen Ebenen des Staates entzieht, ist ihr der "ländliche Bereich" besonders wichtig. Hier könnten "zivilgesellschaftliche Organisationen" tätig werden, z.B. wegen "Unterdrückung ethnischer Minderheiten", meint die KAS und schließt damit an ähnliche Strategien ihrer kolonialen Vorläufer an. Diese hatten den Bergbevölkerungen in Vietnam die Rolle politischer Stoßtrupps zugedacht und sich ihrer Forderungen nach Gleichbehandlung bedient.
Zerstörung
Dass es der KAS weniger um die Bewahrung ethnischer Minderheiten und den Erhalt bäuerlicher Verhältnisse als um deren Umsturz geht, dokumentiert die Stiftung in einer "Vorausschau" auf den "absehbare(n) Wandel in Vietnam". Demnach müssen beim "Übergang" zur Marktwirtschaft die "archaischen ländlichen Produktionsweisen" beseitigt und durch "modernisierte Abläufe" ersetzt werden - gemeint ist die Zerstörung der hoch entwickelten Subsistenzwirtschaft im vietnamesischen Familienverband durch primitive Warenproduktion. Auch an die sozialen Folgen hat die deutsche Stiftung gedacht: Arbeitslosigkeit sowie "Probleme (...) im Bereich der Sicherung bei Krankheit und im Alter" hält sie für absehbar, aber durch marktwirtschaftliche "Reformprozesse" zu bewältigen.
Verbesserungen
Den in Vietnam "fortschreitenden Reformprozess weiter konstruktiv begleiten" [4] wollen die deutschen Exportunternehmen und Banken. Dabei dürfen sie auf fördernde Maßnahmen der vietnamesischen Regierung setzen. Weitere "Verbesserungen" beim Ankauf vietnamesischer Ländereien durch Ausländer und im Finanzsektor hat Vizeminister Dat bei einem "Deutsch-Vietnamesischen Dialogforum" bereits in Aussicht gestellt. Dem Treffen in der vietnamesischen Hauptstadt präsidierten der Staatssekretär im Berliner Wirtschaftsministerium (Bernd Paffenbach) und der deutsche Botschafter in Hanoi (Christian-Ludwig Weber Lortsch). Ausdrücklich begrüßt wurde die neue Investitions- und Unternehmensgesetzgebung, die seit 1. Juli in Kraft ist und den deutschen Marktzugang erleichtert.
Beobachtung
Deutsche Unternehmen und die deutsche Außenpolitik müssen sich beeilen, wollen sie ihre Stellung auf dem vietnamesischen Markt und an der chinesischen Südgrenze ausbauen. 65 Prozent sämtlicher direkter Auslandsinvestitionen kommen nämlich von Berliner Konkurrenten, die sich in einem Wirtschaftsverband zusammengeschlossen haben. Zu den Mitgliedern der "Asia-Pacific Economic Cooperation" (APEC) gehören die Volksrepublik China, Japan, Russland und die Vereinigten Staaten.[5] Zum diesjährigen APEC-Treffen in Hanoi (September bis November) werden der russische Präsident Putin und sein US-Kollege Bush erwartet. Insbesondere Bush dürfte in Vietnam kaum Wirtschaftsinteressen verfolgen, die für die USA vorrangig wären. Von größerer Bedeutung ist die militärische Beobachtung des vietnamesischen Grenznachbarn im Norden. Ein entsprechendes Abkommen haben Washington und Hanoi unlängst unterzeichnet.
Über die deutsche Politik gegenüber Vietnam lesen Sie auch Der Gegenspieler und "Chinas Hoflieferanten" unter www.german-foreign-policy.com
[1] Länder- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amts
[2] gtz: Vietnam in transition: Liberalization of the Railway Sector in Vietnam. Presentation at the Asia-Pacific Rail Conference, March 13-16 2006
[3] Vietnam: Politische Rahmenbedingungen 2006; www.kas.de
[4] Dialogforum in Hanoi; OAV-Report 5/2006
[5] Weitere APEC-Teilnehmer sind: Australien, Brunei, Kanada, Chile, Indonesien, Südkorea, Malaysia, Mexiko, Neu Seeland, Papa Neu Guinea, Peru, Philippinen, Singapur, Formosa, Thailand
Online-Flyer Nr. 57 vom 15.08.2006
Für Siemens, Adenauer-Stiftung und GTZ wichtig
Marktzugang in Vietnam
Von Hans Georg
Weitere Siemens-Lieferungen gelten dem Ausbau der vietnamesischen Telekommunikation und Logistik, die während des US-Krieges fast vollständig zerbombt worden war. Siemens, das damals auf der US-Seite verdiente, exportiert heute komplette Diesel-Elektro-Loks für die vietnamesischen Eisenbahnen. Auf diesem Sektor ist auch die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) tätig. Das staatseigene Unternehmen empfiehlt die "Liberalisierung" des vietnamesischen Transportwesens und verlangt den kostenlosen Erwerb vietnamesischer Ländereien durch ausländische Investoren. Die ebenfalls in der vietnamesischen Hauptstadt tätigen deutschen Parteistiftungen drängen auf den Ausbau der "marktwirtschaftlichen Verhältnisse" und propagieren den Umsturz des ländlichen Lebens.
Für das bereits im Bau befindliche Kraftwerk Ca Mau II liefert Siemens zwei Gasturbinen, eine Dampfturbine, drei Generatoren sowie die komplette Elektro- und Leittechnik. Damit konnte das Unternehmen an einen Auftrag vom vergangenen November anschließen, der dem baugleichen Kraftwerk Ca Mau I galt. Nach Fertigstellung werden beide Anlagen rund 1.500 Megawatt produzieren. Das Auftragsvolumen beträgt 300 Millionen Euro. Siemens hofft auf Folgeprojekte, da der vietnamesische Energiebedarf jährlich um 15 Prozent steigt. Die dafür im Südchinesischen Meer vorhandenen Gasvorkommen sind begrenzt, weil in Teilen politisch umstritten. Territoriale Ansprüche erheben sowohl Vietnam wie die Volksrepublik China.
Vorderste Front
Vor dem Hintergrund unübersehbarer Differenzen zwischen Hanoi und Beijing kommt Vietnam sowohl für die deutsche Wirtschaft wie für die deutsche Außenpolitik herausragende Bedeutung zu. Vietnam gehört zu den "Schwerpunktländern", denen Berlin seine "entwicklungspolitische Zusammenarbeit" widmet, um "Wirtschaftsreformen" und den "Aufbau der Marktwirtschaft" zu intensivieren [1] - eine Umschreibung für Freihandelsinteressen deutscher Unternehmen. Sie sind der größte Handelspartner Vietnams in der EU und wickeln ein Drittel sämtlicher Vietnam-Geschäfte in Europa ab - zum Nachteil Frankreichs, das seine privilegierten Kolonialbeziehungen gegen Berlin nicht behaupten kann. An vorderster Lobbyfront stehen in Hanoi nicht französische, sondern deutsche Organisationen, so die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).
Verschenkt
Die Siemens-Lieferung von 16 Diesel-Elektro-Loks begleitet die GTZ (Heimatsitz: Eschborn bei Frankfurt am Main) mit einem eigenen "Project Manager" [2], der sich um die "Unterstützung beim Umbau der vietnamesischen Eisenbahnen" kümmert. Laut GTZ, deren weltweiter Personalbestand inzwischen 10.000 Mitarbeiter übersteigt, ist die "Liberalisierung" des Transportwesens in Vietnam "unvermeidlich". Wie zu Zeiten der Bagdad-Bahn und anderer Kolonialprojekte üblich, verlangt die GTZ für private Schienen-Investoren die Übereignung staatlicher Ländereien - kostenfrei. Auf dem verschenkten Boden habe die vietnamesische Regierung private Erschließungsarbeiten "voll zu erstatten" und müsse dem ausländischen Investor Steuerfreiheit für Importwaren garantieren, doziert die GTZ.
Stoßtrupps
Ähnlich unverblümt tritt auch das vietnamesische Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) auf. Die im hauptstädtischen Zentrum untergebrachte Organisation, die sich zu mehr als 90 Prozent aus deutschen Staatsgeldern finanziert, will in Vietnam das "private Unternehmertum" fördern und wirkt für ein umfassendes "System der sozialen Marktwirtschaft".[3] Da die KAS entdeckt hat, dass in der vietnamesischen Provinz ein "relativ große(r) Entscheidungs- und Handlungsspielraum" besteht, der sich den zentralen Ebenen des Staates entzieht, ist ihr der "ländliche Bereich" besonders wichtig. Hier könnten "zivilgesellschaftliche Organisationen" tätig werden, z.B. wegen "Unterdrückung ethnischer Minderheiten", meint die KAS und schließt damit an ähnliche Strategien ihrer kolonialen Vorläufer an. Diese hatten den Bergbevölkerungen in Vietnam die Rolle politischer Stoßtrupps zugedacht und sich ihrer Forderungen nach Gleichbehandlung bedient.
Zerstörung
Dass es der KAS weniger um die Bewahrung ethnischer Minderheiten und den Erhalt bäuerlicher Verhältnisse als um deren Umsturz geht, dokumentiert die Stiftung in einer "Vorausschau" auf den "absehbare(n) Wandel in Vietnam". Demnach müssen beim "Übergang" zur Marktwirtschaft die "archaischen ländlichen Produktionsweisen" beseitigt und durch "modernisierte Abläufe" ersetzt werden - gemeint ist die Zerstörung der hoch entwickelten Subsistenzwirtschaft im vietnamesischen Familienverband durch primitive Warenproduktion. Auch an die sozialen Folgen hat die deutsche Stiftung gedacht: Arbeitslosigkeit sowie "Probleme (...) im Bereich der Sicherung bei Krankheit und im Alter" hält sie für absehbar, aber durch marktwirtschaftliche "Reformprozesse" zu bewältigen.
Verbesserungen
Den in Vietnam "fortschreitenden Reformprozess weiter konstruktiv begleiten" [4] wollen die deutschen Exportunternehmen und Banken. Dabei dürfen sie auf fördernde Maßnahmen der vietnamesischen Regierung setzen. Weitere "Verbesserungen" beim Ankauf vietnamesischer Ländereien durch Ausländer und im Finanzsektor hat Vizeminister Dat bei einem "Deutsch-Vietnamesischen Dialogforum" bereits in Aussicht gestellt. Dem Treffen in der vietnamesischen Hauptstadt präsidierten der Staatssekretär im Berliner Wirtschaftsministerium (Bernd Paffenbach) und der deutsche Botschafter in Hanoi (Christian-Ludwig Weber Lortsch). Ausdrücklich begrüßt wurde die neue Investitions- und Unternehmensgesetzgebung, die seit 1. Juli in Kraft ist und den deutschen Marktzugang erleichtert.
Beobachtung
Deutsche Unternehmen und die deutsche Außenpolitik müssen sich beeilen, wollen sie ihre Stellung auf dem vietnamesischen Markt und an der chinesischen Südgrenze ausbauen. 65 Prozent sämtlicher direkter Auslandsinvestitionen kommen nämlich von Berliner Konkurrenten, die sich in einem Wirtschaftsverband zusammengeschlossen haben. Zu den Mitgliedern der "Asia-Pacific Economic Cooperation" (APEC) gehören die Volksrepublik China, Japan, Russland und die Vereinigten Staaten.[5] Zum diesjährigen APEC-Treffen in Hanoi (September bis November) werden der russische Präsident Putin und sein US-Kollege Bush erwartet. Insbesondere Bush dürfte in Vietnam kaum Wirtschaftsinteressen verfolgen, die für die USA vorrangig wären. Von größerer Bedeutung ist die militärische Beobachtung des vietnamesischen Grenznachbarn im Norden. Ein entsprechendes Abkommen haben Washington und Hanoi unlängst unterzeichnet.
Über die deutsche Politik gegenüber Vietnam lesen Sie auch Der Gegenspieler und "Chinas Hoflieferanten" unter www.german-foreign-policy.com
[1] Länder- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amts
[2] gtz: Vietnam in transition: Liberalization of the Railway Sector in Vietnam. Presentation at the Asia-Pacific Rail Conference, March 13-16 2006
[3] Vietnam: Politische Rahmenbedingungen 2006; www.kas.de
[4] Dialogforum in Hanoi; OAV-Report 5/2006
[5] Weitere APEC-Teilnehmer sind: Australien, Brunei, Kanada, Chile, Indonesien, Südkorea, Malaysia, Mexiko, Neu Seeland, Papa Neu Guinea, Peru, Philippinen, Singapur, Formosa, Thailand
Online-Flyer Nr. 57 vom 15.08.2006