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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Lokales
"Für eine sozial gerechtere, humane und ökologische Welt"
Köln: SPD verliert 30 Aktive
auf einen Schlag an die WASG
Von Peter Kleinert

Etwa 30 teilweise prominente Mitglieder der SPD aus Köln und Umgebung haben am Wochenende ihre Partei ratlos gemacht und die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) begeistert. Zu den Genossen, die auf einen Schlag - teilweise seit vielen Jahren Engagement - der Partei den Rücken kehrten und sich nun in der WASG engagieren wollen, gehören der Armutsforscher Professor Christoph Butterwegge von der Kölner Uni, Juso-Chef Klemens Himpele, Ex-Juso-Vorsitzender Günter Bell, die ehemalige stellvertretende Juso-Vorsitzende Gisela Emons, Jana Schultheis, Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen und der Kölner Mathematik-Professor Gerd Bosbach.

Günter Bell
Günter Bell
Foto: NRhZ-Archiv


"Wir sind uns sicher, dass sie bei uns das erreichen können, was in der SPD schon seit langer Zeit nicht mehr möglich war und in den kommenden Jahren auch nicht möglich sein wird:
Soziale und demokratische Politik zu gestalten und sich dem Neoliberalismus konsequent entgegen zu stellen", begrüßte der WASG-Landesvorstand die neuen Mitglieder. "Wir rufen alle Linken auf, unser Projekt zu unterstützen. Denn nicht erst seit dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist deutlich, dass die Altparteien im Bundestag keine Alternative bieten. Für eine starke, gemeinsame, neue Linke!"

Klemens Himpele
Klemens Himpele
Foto: NRhZ-Archiv


Ausgesprochen widersprüchlich reagierte die SPD. Während ihr Geschäftsführer Jens Bröker, zwar bedauerte, dass "engagierte junge Menschen der Partei den Rücken kehrten", sieht er aber wie "der überwiegende Teil der Sozialdemokraten die Chancen einer Regierungsbeteiligung" an der Großen Koalition. Die stellvertretende Vorsitzende der Kölner Jusos Silke Weber hingegen erklärte: "Der soziale Kahlschlag, den wir schon unter rot-grün angeprangert haben, wird noch verstärkt werden, der gesellschaftliche Reichtum wird weiter von unten nach oben umverteilt. Diese Politik ist falsch und wird von uns weiterhin auf das Schärfste kritisiert und bekämpft." Deshalb bleibe sie in der Partei.

"Mit unserem Einsatz für eine gemeinsame Linkspartei verbinden wir die Hoffnung, dass diese einen wirksamen Gegenpol zum neoliberalen Block der etablierten Parteien bilden wird", begründeten die ausgetretenen Sozialdemokraten in einer gemeinsamen Erklärung ihre gemeinsame Demonstration. Professor Christoph Butterwegge (54), Leiter der Abteilung für Politikwissenschaft und Geschäftsführender Direktor des Seminars für Sozialwissenschaften an der Uni, seit 1970 in der SPD, war 1975 als Mitglied des Bezirksvorstands Westliches Westfalen und Exponent der Juso-Linken aus der Partei ausgeschlossen worden, weil er "gegen die SPD-Abgrenzungsbeschlüsse gegenüber den Kommunisten verstoßen" hatte. 1983 wurde der Politikwissenschaftler wieder in die Partei aufgenommen. Als Mitbegründer des "Bremer Friedensforums" ist er seit 1983 in der Friedensbewegung aktiv. Bekannt wurde er u.a. durch Arbeiten zum Thema Kinderarmut, Medien, Migration, Rassismus und Rechtsextremismus.

Professor Christoph Butterwegge
Professor Christoph Butterwegge
Foto: NRhZ-Archiv


In seiner Austrittsbegründung kritisiert Butterwegge die unsoziale Politik unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Linken hätten sich von der Wahl im September einen Kurswechsel versprochen, stattdessen werde der Sozialstaat nun von zwei Seiten in die Zange genommen. "Als Wolfgang Clement seine Kampagne gegen Hartz-IV-Abzocker gefahren hat, habe ich mich geschämt in der gleichen Partei zu sein", so Butterwegge. Einig ist er sich mit den anderen Ausgetretenen in der Feststellung: "Nicht wir bewegen uns weg, sondern die SPD hat sich weg bewegt." Im Gegensatz zu den in der Partei Verbliebenen können sie "in der SPD keine Anknüpfungspunkte mehr für einen Kurswechsel erkennen."

Einig sind sich die ehemaligen Sozialdemokraten und Jusos auch in ihrer politischen Perspektive: "Wir werden uns dafür engagieren, dass die gemeinsame Linkspartei durch Kooperation mit Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Gleichgesinnten in anderen Parteien zu einem wirkungsvollen Träger eines solchen Kurswechsels wird. Mit und in der gemeinsamen Linkspartei werden wir attraktive, gesellschaftlich wahrnehmbare und durchsetzbare Politikentwürfe entwickeln und zeigen, dass das neoliberale Motto "Es gibt keine Alternativen" falsch ist. Eine sozial gerechtere, humane und ökologische Welt ist nötig und möglich."

Online-Flyer Nr. 19  vom 23.11.2005



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