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Globales
Friedensstörer isolieren, um Vereinte Nationen zu stärken
Verkehrte Welt unter dem Diktat des Westens erkennen
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Die Vereinten Nationen (UN) können nur gestärkt werden, nachdem die Friedensstörer isoliert worden sind. Und wenn entschieden ist, den Hauptsitz der Vereinten Nationen auf ein neutrales Territorium zu verlegen. Die UN wurde nicht gegründet, damit die Großmächte die Weltordnung bestimmen. Im Gegenteil war daran gedacht, den Frieden in der Welt auf der Basis der Zusammenarbeit aller Länder zu fördern, ohne zwischen großen und kleinen Staaten zu unterscheiden. Im Jahr 2010 sprach der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle diesen wichtigen Standpunkt in seinem Interview mit Financial Times an. (17.11.2010, www.ft.com/westerwelle)

Völlig absurd zu erwarten, die Vereinten Nationen könnten einen Krieg legitimieren

Eine Anomalie gegen die Grundidee der Vereinten Nationen ergibt sich im UN-Sicherheitsrat, in dem die ständigen fünf Mitglieder einen Monopoleinfluss ausüben. Zu den aller wichtigsten Aufgaben der UN gehören die unablässigen Anstrengungen, das Leben auf der Erde zu bewahren. Aber nach wie vor werden die großen UN-Vorhaben, wie den Frieden zu erhalten und die gerechte Wirtschaftsentwicklung, von einigen wenigen Staaten besonders stark eingeschränkt. Jeder Staat verfolgt seine eigenen Interessen, und die UN hat sich in eine Rennbahn verwandelt, wo die Großmächte ihren grenzenlosen Egoismus demonstrieren. Gerade im UN-Sicherheitsrat, wo die großen NATO-Staaten Veto-Mitglieder sind. Noch immer verbieten das geltende Völkerrecht und die UN-Charta den Krieg als Mittel der Politik. Es ist deshalb völlig absurd zu erwarten, dass die Vereinten Nationen einen Krieg legitimieren könnten. Monströs ist die Vorstellung, die Vereinten Nationen könnten eine NATO-Intervention (einen Krieg) legitimieren oder führen. Das wäre Grund genug, die Vereinten Nationen sofort als gescheiterte Weltfriedensorganisation abzuschaffen. Gerade die NATO versucht die Vereinten Nationen durch ihre monopolistische Tätigkeit im Sicherheitsrat zu manipulieren und zu pervertieren.

Gefährliche Täuschungsidee: kollektive Sicherheit, kollektive Verteidigung

Die Idee der kollektiven Sicherheit, wie in der Charta der Vereinten Nationen konzipiert und von der NATO missbraucht, ist eine gefährliche Täuschungsidee, die absolut keinen Frieden bewahrt, sondern eher zu einem Krieg von allen gegen einen unter der falschen Legitimation der UN führt. "Kollektive Sicherheit birgt so eine Gefahr in sich, wenn sie funktionieren sollte. Eine automatische und bindende Verpflichtung aller Mitglieder, bei jeder Aggression auch militärisch zu intervenieren, könnte kleinere Konflikte in größere Kriege verwandeln. Lässt sich ein Mitgliedsstaat von der kollektiven Sicherheit aber nicht abschrecken, muss der Systemmechanismus ausgelöst werden, der dann immer die Eskalationsgefahr in sich birgt," warnt Dr. Heinz Gärtner aus dem Institut für Internationale Politik in Laxenburg, Österreich. Nicht einmal für die kollektive Verteidigung ist die NATO zu rechtfertigen. Im Gegenteil. Das Grundgesetz bindet die Bundeswehr strikt an den Auftrag der Landesverteidigung (Art.87a) und verbietet jegliche Aktivitäten zur Vorbereitung eines Angriffskriegs (Art 26). Die UN-Charta, das Grundgesetz der internationalen Staatengemeinschaft verbietet ausdrücklich jegliche Anwendung oder Androhung von Gewalt.

Europa vom hegemonialen Diktat der unkontrollierten Hypermacht USA befreien

Eine europäische Friedensordnung ist zu schaffen. Das gezielte Falschspiel von Republikaner und Neokonservativen ist zu verhindern. Bei dem NATO-Gipfel in Lissabon haben diese Neokonservativen eine eklatante Schlappe erhalten. Das Scheitern der aggressiven Anmaßung von Albright und ihren Leuten war offensichtlich.

Schließlich geht es um die Herausforderung, eine europäische Friedensordnung zu errichten, zu der selbstverständlich Russland gehört. Gleichzeitig ist Europa von dem hegemonialen Diktat einer unkontrollierten Hypermacht zu befreien. Diese Herausforderung ist jetzt auf allen Ebenen zu meistern: In der Politik und in den Medien.

Seit 1945 erlebt die Öffentlichkeit eine verkehrte Welt unter dem Diktat des Westens. Diese verkehrte Realität ist jetzt endlich zu erkennen, gerade deshalb, weil das US-Diktat immer noch rund herum versucht, eine neue europäische Sicherheitsordnung zu verhindern. Ein Raketenabwehrprojekt ist keineswegs für eine solche politische Aufgabe notwendig, die von den europäischen Staatsmännern erst noch anzugehen ist. Wo vermutet man potentielle Angreifer? Tatsächlich gibt es in Moskau viele begründete ernsthafte Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit bei diesem US-Projekt. „Der Aufbau einer Raketenabwehr in Europa könne das nukleare Gleichgewicht zerstören, weshalb sein Land aufrüsten müsse, falls man keine befriedigende Lösung finde. Das könne sogar zu einem nuklearen Wettrüsten führen.“ So der damalige russische Präsident Dmitri Medwedjew vor der Presse in Lissabon. (FAZ, 22.11.2010)

Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland

Die nukleare Abschreckung bleibt ein strittiges Thema. Eine Überprüfung der NATO-Gesamtstrategie wurde allerdings schon 2010 in Lissabon vereinbart, die womöglich am Ende doch noch zum Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland führen könnte, wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle unbedingt erreichen wollte (FAZ, 22.11.2010). Solange diese verhängnisvolle Allianz existiert, gibt es keine Basis für „einen neuen Start“. Die Gedankenlosigkeit bei einigen Redakteuren und Generälen grenzt an Phantasterei.

NATO-Mitgliedschaft heißt nicht Pflicht, einen Krieg zu unterstützen

Es darf kein UN-Mandat für einen Krieg geben. Es hat nie eines gegeben und es wird keines geben trotz allem massiven Drucks und Tricks einer rücksichtslosen Hypermacht, die sich ungestraft als Aggressor profiliert. Kein NATO-Land ist zur kriegerischen Unterstützung verpflichtet, gewiss auch nicht Deutschland.

Die kriegerische Blockade gegen den Irak war am Rand der Institutionen und des Völkerrechts von der USA allein eingeleitet worden. Also nicht nur die Vereinten Nationen sondern auch die NATO müssen sich gegen die aggressive Haltung eines Mitgliedes stellen. Dieses Problem bleibt bisher von der Weltgemeinschaft unbefasst, nicht wahrgenommen in seiner gravierenden Tragweite.

Zeichen von Unzurechnungsfähigkeit in der EU

Wie konnte es so weit kommen? Nach all den Erfahrungen Europas mit der zerstörerischen Kraft des Faschismus im 20. Jahrhundert, ist Europas Verhalten an der Seite der Gewalt und Terror unbegreiflich, ein Zeichen von Unzurechnungsfähigkeit, die der EU jede Berechtigung negiert und ihr entzieht. Zig Millionen Toten und der Verheerung des gesamten Kontinents ist dieser EU nicht genug, kein Anlass, um eine andere Außenpolitik, und zwar eine Friedenspolitik zu betreiben.

Der NATO-Vertrag, die NATO-Organisation ist im Wesen defensiv, nicht aggressiv, also gibt es keine rechtliche Grundlage, um eine Aggression zu unterstützen oder damit zu solidarisieren, auch nicht, wenn diese Aggression wie im Fall Irak, Afghanistan, Libyen oder Syrien von einem NATO-Mitglied ausgeht.

Uneinigkeit in der NATO gegenüber Russland

Die Mitglieder des von den USA geführten Militärblocks sind uneins darüber, welche Strategie gegenüber Moskau verfolgt werden soll. Darauf verwies die New York Times am Mittwoch (06.04.2022) unter Berufung auf westliche Beamte. Außenminister Sergej Lawrow: „Dies ist eine sehr ernste Kehrtwende in der Politik, die die Europäische Union und der Westen im Allgemeinen unter der Führung der Vereinigten Staaten nach dem Beginn unserer speziellen Militäroperation zu verfolgen begannen, eine Politik, die Bitterkeit, in gewisser Weise sogar Grimmigkeit widerspiegelt." (11.04.2022)

Polen, Baltikum anders zu Russland positioniert als Deutschland, Frankreich und Türkei

Polen und die baltischen Staaten haben sich für einen völligen Abbruch der Beziehungen zu Moskau ausgesprochen, so die New York Times (06.04.2022). Deutschland, Frankreich und die Türkei haben dagegen argumentiert, dass Russland nicht zum Frieden gezwungen werden kann. Daher wollen sie den Dialog mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin fortsetzen.

Ukraine-Konflikt in unsicherer Phase

Alle NATO-Staaten sind sich einig, dass der Ukraine-Konflikt in eine unsichere Phase eingetreten ist und in naher Zukunft wohl nicht gelöst werden kann. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat behauptet, dass sich die russischen Truppen neu formieren, um eine neue, massive Offensive zu starten. Er prognostizierte „einen weiteren russischen Vorstoß in der Ost- und Südukraine, um zu versuchen, den gesamten Donbass einzunehmen und eine Landbrücke zur besetzten Krim zu schaffen. Dies ist eine entscheidende Phase des Krieges." Seit 2014 ist die Krim Teil der Russischen Föderation.

Russland niemals in untergeordneter Position

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den NATO-Mitgliedern spitzten sich vor kurzem zu, als der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki den französischen Präsidenten Emmanuel Macron für seine Verhandlungsversuche mit Moskau kritisierte. Frankreichs Präsident Macron bezeichnete die Äußerung Morawieckis als "skandalös" und hob hervor: "Ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dass ich im Namen Frankreichs mit dem russischen Präsidenten gesprochen habe, um den Krieg zu verhindern und eine neue Architektur für den Frieden in Europa aufzubauen." Lawrow unterstrich trotz allem erneut, dass Russland "mit seiner Geschichte, mit seinen Traditionen" niemals eine untergeordnete Position einnehmen werde. Er fügte hinzu: "Wir können nur unter gleichen Bedingungen der unteilbaren Sicherheit Mitglied der internationalen Gemeinschaft sein."

"Internationale Verantwortung" heißt Krieg führen

In der augenblicklichen Debatte steht die medial hoch hinaus posaunte "internationale Verantwortung" Deutschlands für die Sicherheit Europas im Vordergrund. Wie schon früher bei diesem Stichwort geht es um nichts anderes, als hinterrücks das Element der militärischen Intervention, von Krieg führen, in die Öffentlichkeit einzuführen, eine Verdrehung des Begriffs Verantwortung, die lange Schatten in der deutschen Außenpolitik hat und die gemäß selbstverständlicher fremder Interessen einer übermächtigen Supermacht aus der Ferne gesteuert wird, eine Supermacht, die sich als Weltherrscher darstellt und auf Kosten anderer Länder skrupellos über Leichen geht.


Verfasst am 13.04.2022 unter Bezugnahme auf Meldungen zur internationalen Lage


Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 789  vom 20.04.2022



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