NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

Fenster schließen

Literatur
Schiffer/Wagner: Antisemitismus und Islamophobie – Ein Vergleich
Antisemitismus als Kampfbegriff? Fehlanzeige!
Von Evelyn Hecht-Galinski

Die Neuauflage von “Antisemitismus und Islamophobie” ist durchaus sinnvoll, lässt aber zwiespältige Gefühle in mir aufkommen. Ich habe immer wieder Probleme damit, wie heute in der deutschen Öffentlichkeit mit dem Begriff des Antisemitismus umgegangen wird, ohne sich neuen Erkenntnissen zu stellen. Das “Infragestellen” des Existenzrechts des “jüdischen Staats” lehne ich im Gegensatz der Autoren Schiffer und Wagner keineswegs ab. Es ist für mich nicht zu trennen von den Begriffen “ethnische Säuberung Palästinas” und einem Staat mit einem “Nationalgesetz”, dass viele Ähnlichkeiten mit deutschen Nazigesetzen hat und allein auf einem “alleinigem” Besitzanspruch des (“nicht existierenden”) “jüdischen Volkes” auf das “Land ohne Volk für ein Volk ohne Land” besteht.

Solange sich dieser “jüdische Staat” bewusst als “Staat ohne Grenzen” definiert, hat er kein Existenzrecht! Beweisen das nicht die sich täglich erweiternden illegalen Siedlungen, gerade auch unter der neuen “sich stabilisierenden” Koalition unter Ministerpräsident Naftali Bennett, einem Regierungschef der sich ganz unverfroren dazu bekennt, “dass es unter ihm keinen Staat Palästina geben wird”? Davon ist allerdings in diesem Buch keine Rede! Mit Begriffserklärungen und wissenschaftlichen Diskursen zu klären, “wem Palästina gehört”, ist mir eine zu abstrakte und deutsche Position, die ich nicht nachvollziehen kann, angesichts der schrecklichen Lage, die in Palästina und gerade in Gaza herrscht.

Mag das Buch noch so wissenschaftlich angelegt sein, es fehlt mir dieser Bezug in der Aktualisierung des Buches - in dieser zweiten Auflage. Wäre es nicht eine gute Gelegenheit gewesen? Die Autorinnen gehen mir zu wenig auf diese Fakten ein. Es ist ein sehr interessantes, wissenschaftliches Buch, das den interessierten Lesern viel wissenswerte Informationen bietet. Allerdings hätte ich mir einen kritischen Blick auf die Instrumentalisierung des “Kampfbegriffs” Antisemitismus gewünscht, der von “Islamophobie” nicht zu trennen ist. Aber dazu ist die Co-Autorin Sabine Schiffer sicher nicht gewillt, so wie ich sie kennen und nicht schätzen lernte.


Sabine Schiffer, Constantin Wagner: Antisemitismus und Islamophobie - Ein Vergleich



Verlag Westend, Frankfurt, 416 Seiten, 39 Euro


Der Verlag über das Buch

Neue Feindbilder, alte Muster: Der Anschlag von Hanau, die Mbembe-Debatte wie auch die immer wiederkehrenden, meist hitzigen Diskussionen um den Nahost-Konflikt machen eines klar: Wir brauchen dringend eine fundierte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen zwischen Antisemitismus und (anti-muslimischem) Rassismus. In der Öffentlichkeit ist die Frage, ob und wie diese beiden Phänomene miteinander verglichen werden dürfen, enorm umstritten, was eine sachliche und wissenschaftliche Beschäftigung lange erschwert hat. Sabine Schiffer und Constantin Wagner schaffen durch ihre Forschungsergebnisse eine Grundlage für eine neue, aufgeschlossene Diskussion und zeigen an aktuellen wie auch historischen Beispielen, dass Antisemitismus und Islamophobie über entscheidende Gemeinsamkeiten verfügen, die zu erkennen die Voraussetzung für ihre Bekämpfung ist. Ein wichtiges Debattenbuch, das offen und mutig eine der drängendsten Fragen unserer Zeit in den Blick nimmt und aufzeigt, wie wir mit diesen Erkenntnissen den gesellschaftlichen Konflikten vor allem im Sinne der unmittelbar Betroffenen besser begegnen können.


Der Verlag über die Autoren

Prof. Dr. Sabine Schiffer, geboren 1966, studierte Sprachwissenschaft in Erlangen und entdeckte früh die Semiotik. Sie promovierte zum Islambild in den Medien und gründete 2005 das Institut für Medienverantwortung. Neben der Forderung nach einem systematischen Lehrplan für ein Schulfach Medienbildung setzt sich das IMV für eine kritische Auseinandersetzung mit jeglichen medial konstruierten Debatten ein.

Jun.-Prof. Dr. Constantin Wagner studierte Vergleichende Religionswissenschaften mit Schwerpunkt Islam, Ethnologie, Politikwissenschaften (M.A.) sowie Soziologie und Sozialpsychologie (Dipl.-Soz.) und absolvierte das Doktoratsstudium "Organisation und Kultur" (Dr. rer. soc. / PhD). Er war als Postdoctoral Fellow am Seminar für Soziologie der Universität St. Gallen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam (Universität Frankfurt) sowie am Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung (Braunschweig). Seit 2009 ist er zudem freier Mitarbeiter am Institut für Medienverantwortung (Erlangen / Berlin).

Online-Flyer Nr. 780  vom 10.11.2021



Startseite           nach oben