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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Aktuelles
Zum 97. Geburtstag der "Roten Oma" Elisabeth Monsig
Jung geblieben
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

“Ich möchte nicht mehr zwanzig sein, da tobte noch der Krieg / doch wenn ich jetzt erst 70 wär, das wäre mir schon lieb / Hat Autofahren Spaß gemacht / und auch das Demonstrieren / gegen Krieg und Armut überall gemeinsam protestieren. / Wenn ich auch nur schlecht laufen kann und nicht mehr Auto fahren, mit meinem Kopf bin ich dabei, so wie seit vielen Jahren“. Das dichtet Elisabeth Monsig über sich. Sie wird am 1. Januar 1924 in Köln geboren und geht dort zur Schule. Am Folgetag ihres neunten Geburtstags (2. Januar 1933) wird der Vater, unterwegs mit dem Fahrrad aus der Eifel auf dem Weg nach Hause, von Faschisten mit dem Auto überfahren und liegen gelassen. Nun heißt es mitarbeiten, um zum Überleben von Mutter und vier Geschwistern beizutragen. Nach 1945 brechen keine goldenen Zeiten an. Dem Vorbild des Vaters und der Mutter folgend wird Elisabeth - Betty - Mitglied der KPD. 1954, arbeitslos mit zwei Kindern, übersiedelt sie in die DDR, das Land in dem die "Kleine weiße Friedenstaube" zu Hause war. Mit zunehmendem Alter und entsprechenden Einschränkungen nimmt sie regelmäßig an Demonstrationen, Veranstaltungen und 2017 - mit 93 Jahren - am antifaschistischen Mala-Upa-Treffen im Riesengebirge teil. Im September desselben Jahres ist sie Vortragende ihrer Texte und Gedichte im Rahmen des Dean-Reed-Festivals in Berlin.


Elisabeth Monsig am 1. Juni 2020 zuhause in Gartz an der Oder (Foto: arbeiterfotografie.com)

Jugend- und Kriegserfahrung mögen der Grund sein für den unerschütterlichen Einsatz der "Roten Oma", wie sie sich selbst genannt hat, für Frieden und Völkerfreundschaft. Bis heute pflegt die nun 97jährige geistig und körperlich bewegliche Elisabeth Monsig Kontakte zur Friedensbewegung in ihrer alten Heimat Köln.

Am ersten Juni 2020 besuchen wir sie im beschaulichen Örtchen Gartz an der Oder nahe der polnischen Grenze. Mitgebracht haben wir eine 1x1 Meter große Fahne mit Friedenstaube und der Aufschrift: NATO raus - raus aus der NATO. Der Corona-Hysterie war zu Anfang des Jahres die Vorbereitung für ein provokatives Manöver der USA vor Russlands Grenze unter europäischer, insbesondere deutscher Beteiligung vorausgegangen, das die Friedensbewegung mobilisiert. "Das große Manöver (US-Defender Europe 2020) ist die Vorbereitung für den nächsten Krieg", schreibt sie im Mai 2020 mit "kämpferischen Grüßen an Alle", unterzeichnet mit "die Rote Oma". "Ich bin 96 Jahre alt und habe die sechs Jahre Weltkrieg überlebt. Und mit dieser Erfahrung möchte ich das Manöver zumindest in geäußerten Gedanken fassen (in einem Brief mit Tonaufnahme von ihr gesprochener Gedichte und Texte).


Es folgen zwei ihrer zahllosen Kurztexte und Gedichte:


Zum US-Manöver "Defender Europe 2020"

Das große Manöver ist die Vorbereitung für den nächsten Krieg. Ich bin 96 Jahre alt und habe die sechs Jahre Weltkrieg überlebt. Und mit dieser Erfahrung möchte ich das Manöver zumindest in geäußerten Gedanken vorbereiten. Also in einem großen Haus (Irrenhaus) müsste man einen Luftschutzkeller einrichten: viele Sitzgelegenheiten und Matratzen für die Nächte – fürchterlich große Kriegsfilme laufen lassen – alle 30 Minuten Fliegeralarm – eine Sirene, die aus dem Schlaf reißt. Dort sollten alle, die sich für das Morden begeistern, drei Wochen eingesperrt werden, in der Woche dreimal etwas zu Essen bekommen – keine gebratenen Hähnchen, stattdessen gekochte Kartoffeln oder trockenes Brot (Ein Brot auf dem Schwarzmarkt in Köln kostete 40 Reichsmark), Thermoflasche mit Kaffeeersatz. Am Kellerfenster könnte man Schutt hineinkippen, so wie wenn draußen eine Bombe gefallen wäre (meine Tante wurde mit Baby in ihrem sicheren Luftschutzkeller 1943 durch eine 10-Zentnerbombe verschüttet). Ich würde wetten, dass eine Therapie für alle Kriegstreiber wirksam wäre. Bitte nehmt es mir nicht übel: Kapitalismus, Faschismus und Krieg stehen unserem Weltfrieden entgegen. Und nur gemeinsam können wir den Frieden erringen.


Der goldene Westen

Wie strahlte einst der goldene Westen!
Es war doch alles nur vom besten.
Mit Fremdarbeitern und Marshallplan
ging alles gewaltig schnell voran.
Was man vom Westen trennen wollte
und auch nicht stärker werden sollte,
das waren all die vielen Staaten,
die durch den Krieg gelitten hatten.
Der Hitler-Krieg war purer Mord.
Er brachte Leid in jeden Ort.
Sowjetsoldaten boten bald
dem bösen Treiben endlich Halt.
Der Aufbau fiel den Menschen schwer.
Auf Hilfe warten,
sagt woher?
Die Freunde hatten selber Not,
viel Trümmer, Leid und wenig Brot.
Der Friedenswille wuchs sehr stark,
der viele Kräfte in sich barg.
So war es schließlich doch gelungen,
dass wir ein gutes Ziel errungen.
Die großen Bosse in der Welt,
die sparten nicht an großem Geld.
Bei Sozialismus sahen sie rot,
und laufend haben sie gedroht:
Embargo und der Kalte Krieg.
Doch womit kamen sie zum Sieg?
Nun haben sie endlich,
was sie gewollt.
Mit Ausbeutung wird brutal überrollt
das ganze große östliche Land,
auf (?) dem man auf Sozialismus stand.
Nun wird auch der goldene Westen
vom Kapitalismus
aufgefressen.
Sie brauchen nicht mehr gen Osten zu blenden.
Die Zeit ist vorbei.
Das Blatt tat sich wenden.


Online-Flyer Nr. 761  vom 27.01.2021



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