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Medien
Eine lockere Folge von Leserbriefen und Kommentaren
Hajos Einwürfe
Von Hajo Kahlke

Wie viel Zeit und Energie sollen Linke für einen Popanz aufwenden? Sind Australiens gegenwärtige Buschfeuer tatsächlich "beispiellos" und Zeichen des "Klimawandels"? Soll sich eine linke Zeitung der Sprachregelung des Mainstreams unterwerfen? Was bedeutet die Überschrift "Pentagon lässt pro-iranische Milizen im Irak und in Syrien angreifen"? Ist das skrupellose Nachbeten des zentralen Glaubenssatzes des westlichen Srebrenica-Narrativs empfehlenswert? Das sind Fragen, die in "Hajos Einwürfen" zum Thema gemacht sind. Die Neue Rheinische Zeitung versteht sich im Verbund mit der Vierteljahresschrift DAS KROKODIL als ein Forum, das zum Nachdenken anregen, eingefahrene, verkrustete Denkstrukturen aufbrechen bzw. der bewusst lancierten Desorientierung des Denkapparats – besonders der Linken – entgegenwirken will. Hajos kurze Texte sollen dazu ihren Beitrag leisten. Die Neue Rheinische Zeitung bringt deshalb in loser Folge von ihm verfasste Leserbriefe und Kommentare, die bei den Angeschriebenen nur selten das Licht der Öffentlichkeit erblicken.


Zeit und Energie für einen Popanz?

Die LL-Demo am letzten Sonntag "stand im Zeichen des Widerstands gegen das Wiederbelebung des Faschismus in der BRD und die wachsende Kriegsgefahr weltweit" weiß jW-Autor Stemmler in etwas eigenartigem Deutsch zu berichten. Mit anderen Worten, propagiert wurde auf der Demo ein Widerstand vorrangig (auch) gegen einen Popanz, nämlich jene imaginierte Faschismus-Wiederbelebung. Eine kollektive Halluzination, nur möglich, indem man erstens die gesamte traditionell nationalistische, also nicht globalistisch gewordene, Rechte (im Grunde das, was vor kaum 20 Jahren die CDU inkl. ihres berüchtigten 'Grauzone'-Rands war) inflationär zu Faschisten und Nazis erklärt.

Und indem man zweitens das - aus Respekt vor den Opfern, aber auch zur Prävention einschlägiger Gewalttaten, selbstverständlich zu unterbindende - Treiben wirklicher Neonazis, das notabene in der Vergangenheit der BRD zeitweise ungleich stärker war, mit einer realen Wiederbelebung des Faschismus als (potentieller) Herrschaftsform verwechselt. Gewiss, der imperialistische Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch, und er gebiert immer noch weiter Ungeheuer, aber die kommen eben nicht mehr mit einem Schnurbart auf die Welt. Für die vergangenen nun sieben Jahrzehnte wurde angesichts dieses fehlenden Kainsmals und eines vergleichsweise geringeren Gewichts zu bereitwillig übersehen, dass sich da ebenfalls um Ungeheuer handelte.

Und insofern wäre das bekannte Zitat von Horkheimer, aus einer Zeit, als er noch nicht zum willigen Helfer der Remilitarisierung verkommen war, und der Gebrauch seines Zitats noch nicht zu wohltemperierter Kapitalismus-Kritik, für die Gegenwart dringend zu paraphrasieren "Wer aber vom Imperialismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen".

Nun wurde auf der LL-Demo, so der Bericht, allerdings auch noch ein anderer Widerstand propagiert, ein notwendiger und vernünftiger, nämlich der gegen die sehr reale, ja sich zunehmend realisierende "Kriegsgefahr weltweit", wie der westliche Kriegskurs vom jW-Autor vernebelnd umschrieben wird. Na, das ist dann, so könnte man meinen, wenigstens mal die halbe Miete. Doch ein solches 'Gleichgewicht' zwischen Vernunft und mit ihr gekoppelter Unvernunft funktioniert nicht. Vielmehr bedeutet die Akzeptanz der Unvernunft zugleich ihre Dominanz. Will heißen, dass die von ihr Befallenen dann mit 90 Prozent ihrer Zeit und Energie, stetig Weimar spielend, unablässig auf den Popanz einhauen; für die imperialistische Realität des Jahres 2020 muss der verbleibende Rest ausreichen. Immerhin, von FFF-Klima-Parolen stand in jW-Stemmlers Bericht über die LL-Demo nichts. Vielleicht, weil es die tatsächlich nicht oder kaum gab. Das würde dann zumindest ein wenig hoffen lassen.

Leserbrief zum Artikel "Erinnern und kämpfen" in "junge Welt" vom 3.01.2020, Seite 1


Australiens gegenwärtige Buschfeuer tatsächlich "beispiellos" und Zeichen des "Klimawandels"?

Die gegenwärtigen Buschfeuer in Australien, wobei dieser Begriff auch Waldbrände umfasst, werden von Wikipedia ("Buschfeuer in Australien") als "beispiellos" bezeichnet, wobei die bislang (es mag sich ja noch steigern) in ganz Australien verbrannte Fläche mit 107.000 qkm (Stand 10.1.2020) angegeben wird. Eine sehr fragliche Qualifizierung seitens Wikipedia. Denn tatsächlich wurde vor nun immerhin schon 45 Jahren, nämlich in der Brandsaison 1974/75, insgesamt eine Fläche von 910.000 qkm verbrannt, nämlich 450.000 qkm im Northern Territory, 290.000 qkm in Western Australia und 170.000 qkm in South Australia. Und zuvor waren es beipielsweise in der Brandsaison 1968/69, also vor einem halben Jahrhundert, zumindest 400.000 qkm, und ein Jahr später, 1969/70, dann 450.000 qkm.

Mit Ausnahme des Jahres 2002, als im Northern Territory 380.000 qkm verbrannten, lagen die seitdem jährlich verbrannten Flächen Australiens quadratkilometer-mäßig teilweise im Tausender-, teilweise im Hunderter- und teilweise sogar nur im Zehner-Bereich. So jedenfalls ist der gleichermaßen von Wikipedia dort präsentierten Zusammenstellung "Einige der gefährlichsten und großen australischen Buschfeuer" zu entnehmen. Eine klare Tendenz zu einer Zunahme der Buschfeuer lässt sich anhand dieses Zahlenmaterials für die vergangenen 50 Jahre also nicht ablesen, geschweige denn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Buschfeuer-Zunahme und einem wärmer werdenden Klima, und ganz zu schweigen von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Buschfeuer-Zunahme und einem erhöhten CO2-Ausstoss.

Kommentar zur Wikipedia-Darstellung "Buschfeuer in Australien" (Stand: 13.1.2020 – NRhZ-Anmerkung: Am 14.1.2020 heißt es: "Diese Buschbrände werden in verschiedenen Medien 'beispiellos' genannt. Jedoch ist die Buschfeuer-Saison 2019/2020, was die verbrannte Fläche oder die Anzahl Toter betrifft, zumindest in ihrem bisherigen Ausmaß nicht beispiellos - siehe den Abschnitt #Geschichte.)"


Der Sprachregelung des Mainstreams unterworfen

Die Sprachregelung sämtlicher Lügenmedien einschließlich des ob seines liedgutmäßigen Umweltsau-Halali so geschätzten WDR ist klar: Der US-Mord an General Soleimani ist, obwohl zum Zeitpunkt des Drohnenangriffs zwischen den USA und dem Iran kein Kriegszustand bestand, nicht als Mord zu bezeichnen, sondern als "Tötung ". Eine halbe Wahrheit, ja, und doch eine ganze Lüge. Und zugleich die kaum verhüllte Rechtfertigung der Tat. Die junge Welt unterwirft sich, politisch korrekt, in ihrer Seite-Eins-Berichterstattung dieser Sprachregelung. Peinlich achtet jW-Autor Köhler darauf, dass das Wort Mord da nirgends auftaucht. Erst im Kommentar auf Seite 8 darf dann Wiebke Diehl die Wahrheit aussprechen und den Mord einen Mord nennen. Immerhin. Das Blöde ist nur, dass man sich über dies eigentlich Selbstverständliche freuen muss, da es eben nicht mehr selbstverständlich ist. Zu sehr hat sich in der jungen Welt der Mainstream breitgemacht. Was sich notabene auch darin ausdrückt, wie überschriftsmäßig der US-Kriegskurs gegen den Iran auf den bösen Trump personalisiert wird, so als würden die guten Pelosi-und-Biden-Demokraten diesem Kurs ernsthaft widersprechen.

Leserbrief zum Artikel "Trump will den Krieg" von Matthias Istvan Köhler in "junge Welt" vom 4./5.1.2020, Seite 1


Was bedeutet "Pentagon lässt pro-iranische Milizen im Irak und in Syrien angreifen"?

Die eigene Nation abzulehnen, ist eine Sache - die eigene Sprache nicht richtig handhaben zu können, eine andere. Für die junge Welt allerdings trifft beides zu. Da schreibt sie, in Fortsetzung der Überschrift: "Pentagon lässt pro-iranische Milizen im Irak und in Syrien angreifen". Hmm, dieser Satz kann nun zweierlei bedeuten: Erstens, das Pentagon hat pro-iranische Milizen im Irak und in Syrien zu Angriffen auf jemanden Dritten veranlasst. Zweitens, das Pentagon hat - umgekehrt - jemanden Dritten dort zu Angriffen auf die proiranischen Milizen veranlasst. Doch natürlich trifft keine dieser beiden möglichen Lesarten des verqueren Satzes zu. Vielmehr ist die Realität einfach die, dass das Pentagon - sprich die US-Armee - diese verbrecherischen Angriffe gegen die pro-iranischen Milizen selbst begangen hat. Für die junge Welt aber offenbar nicht einfach genug, als dass sie dies auch so schreiben könnte.

Leserbrief zum Artikel "Tödliches Signal an Teheran - Pentagon lässt pro-iranische Milizen im Irak und in Syrien angreifen" von Knut Mellenthin in "junge Welt" vom 31.12.2019, Seite 2


Skrupelloses Nachbeten des zentralen Glaubenssatzes des westlichen Srebrenica-Narrativs

Wenn man es mit Frieden und Völkerrecht ernst meint, kann man nur für Peter Handke sein, und zwar völlig unabhängig davon, ob man sein literarisches Werk goutiert. Wenn man hingegen die Wertegemeinschaft für das Maß der Dinge hält, muß man Handke ablehnen - und zwar umso totaler, je vorbehaltloser man von der Wertegemeinschaft überzeugt ist. Diese Sachlage ist so klar, dass es klarer nicht geht. Gritsch aber meint, diese beiden in Bezug auf die Anti-Handke-Kampagne einzig möglichen Standpunkte seien ein irrationaler Glaubenskampf, bei dem er nicht mitmachen wolle. Mit dieser Position Gritschs können die Masters of War übrigens sehr gut leben: Ist ihnen doch in der "Causa Handke" das Wichtigste, dass ihre massiven Angriffe gegen Handke dann ohne ebenbürtige Antwort, also ohne klare Solidarität mit Peter Handke, bleiben - Räsonieren ist hingegen erlaubt, das garniert die mainstreamige konformistische Zustimmung sogar

Dabei ist schon Gritschs Begriff des "Glaubenskampf" für die Causa Handke gleichermaßen absurd wie der von Gritsch ebenfalls verwendete Begriff "Debatte". Es gibt hier keinerlei Kampf, zumindest nicht in der konditionierten Öffentlichkeit der Wertegemeinschaft, sondern vielmehr nur eine von oben gepredigte und eingetrichterte Glaubensdoktrin, die es in zwei Ausformungen gibt: "Handke böser Schriftsteller, und Serben ganz bös" ist die eine, und "Handke vielleicht guter Schriftsteller, aber Serben ganz bös" die andere. Und was da von Gritsch und anderen als "Debatte" halluziniert wird, wo dann ja zwei im Prinzip gleichberechtigte Kontrahenten ihre Standpunkte vertreten würden, ist in Wahrheit die ausschließlich von einer Seite betriebene und gesteuerte Kampagne gegen einen nicht auf Linie gebrachten einzelnen Widersacher.

Und dass Gritsch, gewiss mit ein bißchen Wenn und Aber (und diesbezüglich ist man versucht zu fragen: zielgruppenspezifisch?), im Endeffekt das Geschäft der Anti-Serbien-Hetzer und Handke-Hasser betreibt, zeigt sein skrupelloses Nachbeten des zentralen Glaubenssatzes des in seinen verheerenden Auswirkungen gar nicht zu unterschätzenden westlichen Srebrenica-Narrativs: "Über serbische Opfer zu sprechen, relativiert nicht das Leid auch nur eines einzigen Angehörigen der über 8.000 Toten des Genozids von Srebrenica." Eine doppelte Unwahrheit. Denn weder gab es im Gebiet zwischen Srebrenica und Tuzla (in Srebrenica schon mal gar nicht!) einen Genozid (der Verweis auf das anders entscheidende Haager Tribunal und sein Krstic-Urteil wäre Zynismus), noch erreicht die wirkliche Zahl der in den Tagen und Wochen nach dem 10. Juli 1995 zwischen Srebrenica und Tuzla nach ihrer Gefangennahme massakrierten muslimischen Bewaffneten auch nur annähernd eine Dimension von 7000 oder gar 8000.

Kommentar zu einem Lesertipp für den telepolis-Artikel "Zur Causa Handke: Wenn Journalisten Geschichte schreiben wollen" von Kurt Gritsch, 01.01.2020

Online-Flyer Nr. 732  vom 15.01.2020



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