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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Was die Strategen der Klima-Kampagne schon im März zu sagen wußten
Greta, wunderbar!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Wunderbar, diese Greta, die 16jährige Greta Thunberg aus Schweden! Wenn wir sie nicht hätten, müssten wir sie uns schaffen! Die Jugend dieser Welt braucht ein solches Idol. "Make America Greta again" steht am 15. März 2019 vor dem Kölner Dom – in Anspielung auf Trumps Wahlkampfmotto "Make America great again" – bei den globalen Schülerprotesten "Fridays for Future" auf einem riesigen Transparent auf rosa Grund – der Protestfarbe gegen einen Präsidenten, der unsere Welt durcheinander zu bringen droht. Wir brauchen ein in die richtigen Bahnen geleitetes Engagement junger Menschen. Das tut uns gut, denn so können alle zu der Überzeugung gelangen, sich für eine wichtige Sache stark zu machen. Es tut gut, Teil einer Bewegung zu sein, die von Autoritäten unserer Gesellschaft getragen wird. Wenn wir eine Bundeskanzlerin sagen lassen: „Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen. Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“ Oder ihre Justizministerin: „Dass die Jugendlichen jetzt für den Klimaschutz demonstrieren und sich so engagieren, ist doch großartig.“ Dann können wir uns sicher sein, damit eine Bewegung voranzubringen, die ganz in unserem Sinne ist.

Ein erhebendes Gefühl

Wenn Spitzenpolitiker wie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker oder Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron die Klima-Ikone Greta Thunberg empfangen, dann ist das ein unübersehbares Signal. Das muss ein erhebendes Gefühl sein, in Paris im klassischen Elysée-Palast, dem Sitz des französischen Staatspräsidenten, oder in Brüssel im 15stöckigen Charlemagne-Gebäude, dem Sitz der Generaldirektionen der Europäischen Kommission für Handel und der für die Erweiterung der EU, einen Auftritt bereitet zu bekommen. Und wenn wir Greta Thunberg gar bei einem Treffen der globalen Wirtschaftseliten, beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz, auftreten und zu CO2 und Klima sprechen lassen – z.B. mit „Ich will, dass ihr in Panik geratet... Unser Haus brennt“ – dann gibt es fast keinen Zweifel mehr: wir sind auf dem richtigen Weg – auf dem Weg in die "Globalisierung 4.0: Gestaltung einer globalen Architektur im Zeitalter der vierten industriellen Revolution“, wie das Motto des Weltwirtschaftsforums 2019 lautet.

Aber eine Spur von Zweifel bleibt. Besteht nicht die Gefahr, dass die "Linke" misstrauisch wird, wenn ihre Ikone Greta mit Persönlichkeiten in Erscheinung tritt, die von Linken als Teil des ihrer Meinung nach zu bekämpfenden kapitalistischen Herrschaftssystems gesehen werden? Die Linken könnten auf den Gedanken kommen, dass von etwas abgelenkt werden soll, von einem drohenden Krieg gegen Russland und China beispielsweise, dem weite Teile der Menschheit zum Opfer fallen würden. Die Linken könnten auf den Gedanken kommen, dass weniger das CO2 für Veränderungen des Klimas verantwortlich ist als vielmehr unsere militärischen Operationen. Nein, diese Gefahr ist zum Glück gering. Denn wir haben eine Menge Vorarbeit geleistet. Die Linke ist weitgehend nur zum Schein eine Linke. Sie ist nicht mehr die, die sie vielleicht einmal war. Wir haben unsere Leute in der Linken – wie in fast allen gesellschaftlichen Bereichen –, die dafür Sorge tragen, dass das Misstrauen sich nicht öffentlichkeitswirksam artikuliert.

Die "marxistische" Tageszeitung "junge Welt“ ist ein gutes Beispiel für unser erfolgreiches Vorgehen. Am 15. März 2019, einem Freitag, an dem weltweit die Kinder für das Klima auf die Strasse gegangen sind, gibt sie auf zwei Seiten einem Artikel Raum, in dem auf die Leserschaft geschickt zugeschnitten formuliert wird: „Die Klimafrage ist auch eine Klassenfrage.“ Und einen Tag später heißt es bei rubikon.news: „Die streikenden Schülerinnen und Schüler brauchen unsere Unterstützung“. Selbst an einem Zaun des Kölner Bauwagenplatzes, der vor Jahren noch gegen das US-Imperium mobil gemacht hat, prangt jetzt der Slogan "Fridays for Future". Das mag unbedeutend erscheinen, führt aber die Breite unserer Anstrengungen vor Augen.

Die Katastrophe verhindern

Kritische Gedanken müssen wir ins Leere laufen lassen. Einen Brief zum Beispiel wie den von der Gründerin der Planetaren Bewegung für Mutter Erde, der österreichischen Professorin Claudia von Werlhof, in dem diese zu erklären versucht, dass die klimatischen Veränderungen überwiegend ganz andere Ursachen haben als das immer wieder in den Vordergrund gespielte CO2, verstehen wir in die richtigen Kanäle zu lenken – jedenfalls nicht zu unserer Greta, an die der Brief gerichtet ist. So einfach lassen wir uns unsere Ikone Greta nicht aus der Hand nehmen. Wir müssen uns das mal vorstellen: unsere Greta würde einen Satz wie „Der Grund für all die schrecklichen Veränderungen, die wir auf unserer Erde beobachten, ist nicht das CO2. Der wirkliche Grund ist das militärische Geoengineering“ lesen und seinen Wahrheitsgehalt ernsthaft in Erwägung ziehen. Die Katastrophe wäre perfekt. Das wissen wir zu verhindern.

Artikel, die unsere Kampagne kritisieren, sind für uns in der Regel kein Problem. Ein Rainer Rupp, der ehemalige Anti-NATO-Agent, der in einem April-Scherz-Artikel mit dem Titel "Greta Thunberg läuft ihrer PR-Agentur aus dem Ruder: US-Atomwaffen sind Klimakiller" sich über uns lustig machen will, kann uns nicht viel anhaben. Der kann schreiben, was er will – z.B.: „Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat eigene, US-kritische Ideen zum Umweltschutz entwickelt und folgt nicht mehr den strikten Anweisungen ihrer gut bezahlten PR-Agentur. Damit ist das Ende des Kinderkreuzzugs zur Rettung der Welt absehbar.“ Das berührt uns kaum.

Ähnliches gilt für Michel Chossudovsky, der sich – wenn auch sachlicher – in Kritik ergeht. In einem Artikel mit dem Titel "The People’s Climate Movement. No Mention of War" meint er „die fatalen Umweltauswirkungen der von den USA und der NATO geführten Kriege“ ansprechen zu müssen, kritisiert die beschränkte Sicht der Klima-Protestbewegung, fragt nach dem Warum und hat die Antwort parat: weil „viele der großen beteiligten Organisationen großzügig von Wall-Street-Stiftungen und -Wohltätigkeitsorganisationen finanziert werden, darunter die Rockefeller-, Tides-, Soros-Stiftungen und andere mehr.“

In einer ähnlichen Richtung meint auch eine Irene Eckert ihre Gedanken schweifen lassen zu müssen, wenn sie schreibt: „Allerdings fordert auch der kritische Verstand dazu auf, nach möglichen Geldgebern für die plötzlich weltweit verbreiteten Kinder-Klima-Demos zu forschen. Es muss auch gefragt werden, wer der kleinen, unbekannten Schwedin eine Einladung zu den Milliardären von Davos zugespielt hatte. Es wäre nicht die erste farbenprächtige Demonstrationsbewegung, die George Soros angestoßen hat.“ Ein Werner Nosko schreibt über „Al Gore, Avaaz und George Soros’s Klima Millionen“. Das sind Artikel, die einige hundert oder vielleicht auch einige tausend Leser erreichen. Darüber können wir aber gelassen hinwegsehen.

Ohne Dazulernen geht es nicht

Es zeigt sich, dass auch unsere politischen Sprecher dazulernen müssen, aber auch können. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz – wie wir das Treffen im Bayrischen Hof nennen – hatte sich unsere Kanzlerin im Februar 2019 noch dazu hinreißen lassen zu sagen: „Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder – nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss – auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen. Kampagnen können heute übers Internet viel leichter gemacht werden…“ Das ist ein Gedanke, der unserer Kampagne "Fridays for Future" keinen guten Dienst erweist und die Öffentlichkeit in ein gefährliches Fahrwasser geraten lässt – zumal wenn die Kanzlerin soweit geht, unser Anliegen in einem Atemzug mit der „hybriden Kriegsführung seitens Russland“ zu nennen. Das ist mehr als ungeschickt. Da ist es sehr wohl gerechtfertigt, wenn dem – wie von berufener Seite per Twitter geschehen – mit der Verwendung des Allround-Begriffs "Verschwörungstheorie" begegnet wird – auch wenn sich das gegen eine unserer Autoritäten richtet. Wenn dann Regierungssprecher Seibert das Problem erkennt und erklärt, die Kanzlerin finde das Engagement der Schüler „ausdrücklich gut“, sehe darin aber ein „Beispiel für die Mobilisierung durch Kampagnen im Netz“, dann wird die Sache damit nicht besser. Denn diese Aussage ist nicht weit von der Behauptung entfernt, bei "Fridays for Future" handele es sich um eine gesteuerte Kampagne – ein gefährlicher Gedankengang, der unter keinen Umständen aufkommen darf. Aber schon zwei Wochen später hat unsere Kanzlerin zu erkennen gegeben, dass sie dazugelernt hat (siehe ihre Äußerung weiter oben).

Belgien allerdings zeigt, was geschehen kann, wenn die Lernfähigkeit zu wünschen übrig lässt. Dort  musste die Umweltministerin von Flandern zurücktreten, weil sie von einer Inszenierung der Klimaproteste gesprochen und sich erdreistet hatte, in dem Zusammenhang das Wort "Geheimdienst" zu verwenden.

Doch nun das: da kommt doch tatsächlich ein Dirk Pohlmann daher und behauptet, Autisten, speziell solche, die unter dem Asperger-Syndrom leiden, würden gerne von Geheimdiensten – insbesondere in England, USA und Israel – für ihre Zwecke eingesetzt, weil sie ausgeprägte "Inselbegabungen" hätten. Zum Glück bringt er diese Behauptung nicht mit Greta Thunberg in Verbindung. Aber nun ist beim Deutschlandfunk zu lesen: „In ihrem Twitter-Profil schreibt Greta, dass sie das Asperger-Syndrom hat. Das ist eine Form von Autismus.“ Unverantwortlich! Selbst Wikipedia kann sich nicht zurückhalten und meint schreiben zu müssen, bei Greta sei das Asperger-Syndrom diagnostiziert worden. Wenn schon jemand die Behauptung in die Welt setzt, Geheimdienste würden Autisten missbrauchen, dann muss er auch erläutern, wie denn die Steuerung solcher Menschen vonstatten geht. Wenn er das nicht kann, sollte er sich tunlichst zurückhalten.

Es lebe Greta. Sie weist uns den Weg.

Nein, ein Dirk Pohlmann kann uns unsere Greta nicht kaputt machen. Es darf niemand merken, dass unser Slogan "Wir haben keine Zeit" (We Don’t Have Time), mit dem auch ein schwedisches Technologieunternehmen unter Zuhilfenahme von Greta operiert hat, Teil des Satzes ist, der komplett folgendermaßen lautet: "Wir haben keine Zeit, imperialistische Kriege zu stoppen – Kriege, die bei weitem der größte Verursacher von Klimawandel und Umweltzerstörung sind" – ein Satz, den wir so in seiner kompletten Form niemals aussprechen dürfen. Um es klar zum Ausdruck zu bringen: den Menschen muss die Zeit genommen werden, sich mit falschen Gedanken zu befassen. Was "falsch" bedeutet? Falsch ist das, was unsere langfristig angelegten strategischen Planungen durchkreuzen könnte. Es lebe Greta. Sie weist uns den Weg.


Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 28 (März 2019) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.



Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/



Siehe auch:

Die Klima-Kampagne
Monströse Massenmanipulation
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 720 vom 25.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26223

Erster Offener Brief an Greta Thunberg, die beim Weltwirtschaftsforum in Davos über CO2 sprach
Die wirklichen Ursachen des planetaren Desasters
Von Claudia von Werlhof
NRhZ 693 vom 20.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25647

Zweiter Offener Brief an Greta Thunberg
Greta und die große Ver(w)irrung
Von Claudia von Werlhof und Diskussionsgruppe der „Planetaren Bewegung für Mutter Erde“
NRhZ 721 vom 02.10.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26260

Zur Kritik von Jeremy Rifkin: Der globale Green New Deal
Schöne "grüne" Digi-Welt? Oder: Die neue "grüne Revolution"?
Von Claudia von Werlhof
NRhZ 724 vom 06.11.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26316

Online-Flyer Nr. 725  vom 13.11.2019



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