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Zehn Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln
Zehn Jahre Schweigen auf offene Fragen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am Karnevalssonntag 2019, am 3. März um 13:58 Uhr, liegt der Zeitpunkt des Einsturzes des Historischen Archivs der Stadt Köln genau zehn Jahre zurück. Es ist der Moment, in dem Stille einkehrt. In diese Stille spricht jemand unangekündigt aus dem umstehenden Publikum heraus – ohne Mikrofon – die folgenden Worte: "Stille - jetzt - eine Minute Stillstand - seit zehn Jahren - zehn Jahre Schweigen auf offene Fragen - davor zwölf Jahre Planung - für einen Zeitgewinn von drei Minuten - vom Süden nach der Mitte hin - dann fünf Jahre Bauen - im schnellen Galopp - erschafft eine Minute, in der alles floppt - Zeit und Zeitraum sind gestoppt - Zeitgewinn, wo bist du hin - das sollten wir uns fragen - Kevin und Khalil schweigen seit zehn Jahren." Es ist der Kölner Künstler Ketan, der diese Worte spricht. Er spricht von Gewinn. Dazu ließe sich die Frage ergänzen: wer zieht aus dem U-Bahnbau Gewinn? Die Frage stellt sich insbesondere beim Anblick der gigantischen U-Bahn-Station in unmittelbarer Nähe des Archivs. "Am 3. März 2009 stürzte das Historische Archiv ein; zwei junge Männer starben in den Trümmern, eine ältere Dame nahm sich später aus Verzweiflung das Leben. Etliche dort Wohnende verloren ihr gesamtes Hab und Gut, ihren Lebenszusammenhang. Schock, Entsetzen, Ratlosigkeit und Zorn beherrschten die Stadt – und das Verlangen nach Veränderung. Jetzt, zehn Jahre danach, müssen wir leider feststellen: Es hat sich nicht viel verändert in dieser Stadt." So beschreibt es die Initiative ArchivKomplex. Die NRhZ dokumentiert das Gedenken an den Archiveinsturz mit Fotos der Arbeiterfotografie.


Gedenken an der Einsturzstelle mit Sonja Kling und Irene Schwarz (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)


Zugang zur U-Bahn-Station Severinstraße – - „für einen Zeitgewinn von drei Minuten“


Gedenken an der Einsturzstelle


U-Bahn-Station Severinstraße – die Fertigstellung der Strecke nach Norden wird durch die Archiv-Einsturzstelle blockiert


Gedenken an der Einsturzstelle – Kranz des Festkomitees Kölner Karneval


Zugang zur U-Bahn-Station Severinstraße – „Wer hat die U-Bahn hier gewollt - Es fragt sich jeder, was das sollt“


Gedenken an der Einsturzstelle – Kranz der Stadt Köln für Khalil (ein zweiter erinnert an Kevin)


Gedenken an der Löwengasse – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Gedenken an der Einsturzstelle – Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Meine sehr verehrten, lieben Damen und Herren, vor zehn Jahren geschah hier das bis dahin Unvorstellbare. Dass das Archiv einstürzte und Kevin und Khalil ihr Leben verloren haben, ist wirklich eine Tragödie, die wir nie vergessen werden.“


Das Einsturz-Loch


Gedenken an der Löwengasse am Zugweg der Schul- und Viertelszüge – Initiative ArchivKomplex


Das Einsturz-Loch


Gedenken an der Löwengasse am Zugweg der Schul- und Viertelszüge


Das Einsturz-Loch


Sabine Pohl-Grund (ArchivKomplex) präsentiert die Vision von K hoch 3 – Die Halle mit dem Knick für Kunst, Kultur und Kommunikation, die am Einsturzort entstehen könnte (siehe Pressemiteilung im Anhang)


Gedenken an der Löwengasse am Zugweg der Schul- und Viertelszüge – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Gedenken an der Löwengasse – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Gedenken an der Löwengasse – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Gedenken an der Einsturzstelle – Kranz der Stadt Köln


Gedenken an der Einsturzstelle – Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Frank Deja (K2A2)


Ikarus am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium gegenüber der Einsturzstelle


Gedenken an der Einsturzstelle – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Gedenken an der Einsturzstelle – Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Und ich möchte mich bei denen bedanken, die dafür gesorgt haben, dass hier in jedem Jahr ein würdiges Gedenken stattfindet. Das ist wichtig... Ich glaube, wichtig ist für uns alle - neben der Situation, die Trauer zu bewältigen.“


Gedenken an der Einsturzstelle


Gedenken an der Einsturzstelle – Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Und dabei denke ich an die Familien und die Freunde der Menschen, die ihr Leben gelassen haben, auch an die Familie der Frau, die dann später verstorben ist. Die müssen mit der Trauer fertig werden. Die müssen mit dem fertig werden, was hier geschehen ist. Jeder einzelne mit der Verantwortung, der er nicht nachgekommen ist.“


Gedenken an der Einsturzstelle mit Sonja Kling und Irene Schwarz


Gedenken an der Einsturzstelle – Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Und: ich würde mir so wünschen, dass wir alle gelernt haben, das Stück Verantwortung, das wir zu tragen haben, auch hoch einzuschätzen und das auch gründlich zu machen, was wir zu tun haben – damit wir uns nicht nur auf andere verlassen, sondern das, was wir selbst einbringen können, so gut wie möglich machen.“


Gedenken an der Einsturzstelle mit Sonja Kling und Irene Schwarz – und Oberbürgermeisterin Henriette Reker


Georg Rütsch: "Gedanken zum Loch - Ein Trauerspiel - Wir stehn jetzt hier das zehnte Jahr - Weiß einer noch wie's vorher war - Die Severinstraße führte hier entlang - Unser Stadtarchiv, das war noch ganz - Der Kevin und auch der Khalil - zu kurz gelebt - das Teufelsspiel - Wer hat die U-Bahn hier gewollt - Es fragt sich jeder, was das sollt - hier in dem Loch den Tod gefunden - die zwei, das waren kölsche Jungen - Und schwer war's doch für die Familie - Weil von der Stadt, da kam zu wenig - Was seid ihr von der Stadt für Menschen - Wir möchten Euch zum Teufel wünschen - So stehn wir hier zum stillen Gedenken - tun jedes Jahr uns Trauer schenken - Der Kevin und auch der Khalil - Zwei Tote, das sind zwei zuviel" (vorort auf Kölsch vorgetragen)


Gedenken an der Einsturzstelle – Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Meine Damen und Herren, ich komme gerade aus dem Rathaus. Da war das Kinder-Dreigestirn. Ich habe von der Einsturzstelle erzählt. Und alle drei – auch die ganze Equipe – wussten genau, was hier passiert war. Das fand ich sehr bemerkenswert... das aus dem Mund von Kindern zu hören, die noch keine zehn Jahre alt sind. Die waren alle noch nicht geboren, als das hier passierte. Das ist ein Zeichen von Zukunft, die wir haben, und Zukunft mit Gedenken. Ich glaube, dass wir darauf bauen können, uns auch weiter an diesem Tag zu treffen. Das finde ich wichtig. Und ich bin ganz sicher, dass hier auch auf Dauer ein Ort des Gedenkens entstehen wird.“


Gedenken an der Einsturzstelle mit Sonja Kling und Irene Schwarz


Gedenken an der Einsturzstelle – Dorothee Schneider (K2A2)


Gedenken an der Löwengasse – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Gedenken an der Einsturzstelle – Kranz der Stadt Köln


Ketan: "Stille - jetzt - eine Minute Stillstand - seit zehn Jahren - zehn Jahre Schweigen auf offene Fragen - davor zwölf Jahre Planung - für einen Zeitgewinn von drei Minuten - vom Süden nach der Mitte hin - dann fünf Jahre Bauen - im schnellen Galopp - erschafft eine Minute, in der alles floppt - Zeit und Zeitraum sind gestoppt - Zeitgewinn, wo bist du hin - das sollten wir uns fragen - Kevin und Khalil schweigen seit zehn Jahren."


Bautätigkeiten unmittelbar neben dem Einsturzloch


Gedenken an der Löwengasse – „10 Jahre Einsturz: das geht uns nicht am Arschiv vorbei“


Anhang:

Pressemitteilung der Initiative "Köln kann auch anders" zum 10. Jahrestag des Archiveinsturzes am Karnevalssonntag
„Wat solle mer spreche... wat solle mer schwade...“


Köln, 19.02.19 – Köln kann auch anders („K2A2“) lädt ein zur Gedenkveranstaltung am 10. Jahrestag des Archiveinsturzes am 03.03.19 um 13:13 Uhr am „Kölner Loch“ am Waidmarkt vor der Kneipe „Papa Rudi’s“. Es sprechen Frau Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie Vertreterinnen von Köln kann auch anders und der Initiative ArchivKomplex.

Nach Weiberfastnacht (2011) und Rosenmontag (2014) fällt der Jahrestag der Zerstörung des Stadtarchivs dieses Jahr auf Karnevalssonntag. Köln kann auch anders („K2A2“) begeht diesen Tag wie jedes Jahr seit 2010 mit einer Veranstaltung von 13:13 bis 13:58 (der Uhrzeit des Einsturzes). Und wie schon 2011 und 2014 tun wir dies in einer der Jahreszeit angemessenen Form: diesmal mit dem Anlass gerecht werdenden Texten von Franz Mon, Ernst Jandl, Gerd Köster und den Black Fööß.

Instrumental-Begleitung: TnT
Rezitation: Sonja Kling und Irene Schwarz
Musik und Gesang: „Kamell Kapell“ (Annette Fuchs und Tanja Krämer)

Dass die Oberbürgermeisterin, im Unterschied zu ihrem Vorgänger, auf der Veranstaltung spricht (und zwar schon zum dritten Mal), wissen wir sehr zu schätzen und sehen darin ein positives Zeichen für den veränderten Umgang der Stadt mit ihrer eigenen Verantwortung. Und wir danken dem Büro der OB für die logistische Unterstützung.

13:13 Uhr: Beginn des Programms
• Begrüßung durch Köln kann auch anders
• Präsentation der „Halle mit dem Knick“ (Kultur als Mittel zur Heilung der Wunde)
• Ansprache der Oberbürgermeisterin
• Zwischenspiele: Rezitationen und Musik
13:58 Uhr: Gedenken an die Verstorbenen, Kranzniederlegung durch die Oberbürgermeisterin


Pressemitteilung der Initiative ArchivKomplex zum 3. März 2019
10 Jahre danach: Trauer, Zorn – und Hoffnung!


Am 3. März 2009 stürzte das Historische Archiv ein; zwei junge Männer starben in den Trümmern, eine ältere Dame nahm sich später aus Verzweiflung das Leben. Etliche dort Wohnende verloren ihr gesamtes Hab und Gut, ihren Lebenszusammenhang. Schock, Entsetzen, Ratlosigkeit und Zorn beherrschten die Stadt – und das Verlangen nach Veränderung.

Jetzt, zehn Jahre danach, müssen wir leider feststellen: Es hat sich nicht viel verändert in dieser Stadt. Zwar konnten angeblich 95 Prozent des Archivbestandes geborgen werden, und einiges konnten Restauratoren in mühevoller Arbeit wieder nutzbar machen – aber die Restaurierung und die Zusammenführung der einzelnen Bestände bleibt eine Aufgabe für Jahrzehnte; einiges wird unwiederbringlich verloren sein. Zwar behauptet der Gutachter, die Schadensursache sei geklärt – aber der Verlauf der Prozesse bleibt höchst unbefriedigend, und es steht zu befürchten, dass am Ende die Steuer zahlenden Bürger einen Großteil des Schadens (geschätzte Höhe: 1,3 Milliarden Euro) übernehmen müssen. Zwar wird in der Stadtverwaltung viel über Verantwortung gesprochen – aber allzu oft erleben wir, dass sich Verantwortliche entziehen und nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch im Georgsviertel, rund um den Einsturzkrater, ist die Lage zehn Jahre danach deprimierend. Trotz aller Versprechen hat sich die Stadtverwaltung zehn Jahre lang wenig um den Einsturzort gekümmert. Initiativen wie ArchivKomplex und „Köln kann auch anders“ legten immer wieder den Finger auf die offene Wunde, aber die Stadtplanung wirkt weiterhin wie gelähmt.

Wir, die Initiative ArchivKomplex, eine unabhängige Gruppe von Künstler*innen, Anwohner *innen, Architekt*innen, Autor*innen und anderen Bürgerinnen und Bürgern, haben seit Ende 2011 durch künstlerische Interventionen und andere Aktionen rund um den Einsturzort daran gearbeitet, die Erinnerung an die Katastrophe von verschiedenen Seiten zu beleuchten und so lebendig zu halten – als „Denkmal im Prozess" (siehe www.archivkomplex.de).

Nun gibt es einen Hoffnungsschimmer: ArchivKomplex hat einen Vorschlag gemacht, der ein Aufbruchssignal für den Einsturzort werden kann. Aktuell haben wir viel Unterstützung gefunden für den Vorschlag, den großen, oberen Raum im Gleiswechselbauwerk der KVB, der nach den alten Planungen zugeschüttet würde, öffentlich nutzbar zu machen – für Kunst, Kultur und Kommunikation. Das ist die Vision von K hoch 3 – Die Halle mit dem Knick. Dieses Projekt fand viel Unterstützung in einer Gesprächsrunde, an der mehr als 30 Vertreter und Vertreterinnen der Kölner Kulturszene, von Stadtverwaltung, Stadtrat und Bezirksvertretung Innenstadt sowie Architekten und Nachbarn auf Einladung von ArchivKomplex teilnahmen. Verantwortliche von Stadtrat und Stadtverwaltung betonten die große Chance, die sich für die Stadt aus dem Projekt ergeben könne. Es wurde deutlich, welch ein Potenzial das Projekt hat, vor allem in Synergie mit der bald zu planenden Neugestaltung des ehemaligen Archivgeländes, zu dem wir in Erinnerung der Katastrophe einen künstlerischen Wettbewerb erwarten.

Wir glauben an die Kraft dieser Idee und hoffen auf eine dauerhafte Unterstützung durch die Verantwortlichen der Stadt und durch die kreativen Kräfte Kölns. Ein erster Stadtratsbeschluss muss sicherstellen, dass der Raum zukunftsoffen bleibt und nicht wie vorgesehen verfüllt wird. In einem lebendigen, offenen Diskussionsprozess wollen wir dann unsere Zukunftsvision für diesen so besonderen, einmaligen Ort weiterentwickeln – eine hoffnungsvolle Perspektive für den Einsturzort des Stadtarchivs!


Weitere Informationen:

Initiative „Köln kann auch anders“
koelnkannauchanders.de

Initiative ArchivKomplex
archivkomplex.de


Siehe auch Fotogalerien der Vorjahre:

2018
Chance für eine Wiederbelebung am Ort der Einsturzkatastrophe
NRhZ 650 vom 07.03.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24641

2017
Nach acht Jahren immer noch fassungslos
NRhZ 605 vom 22.03.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23645

2016
Mehr Nachdenken und Mehr Vordenken
NRhZ 552 vom 09.03.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22600

2014
Impressionen vom Rosenmontag in Köln
Schutt, Pappnasen und Kriegsgefahr
NRhZ 448 vom 05.03.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20104

2013
Eine unmögliche Tat
NRhZ 397 vom 13.03.2013
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18848


Und siehe Artikelserie "Das Gewissen von Köln" anlässlich des Einsturzes des Historischen Archivs der Stadt Köln vor 10 Jahren – von Tanya Ury

Teil 5
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25681

Teil 1
NRhZ 695 vom 06.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25700

Online-Flyer Nr. 695  vom 07.03.2019



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