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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Globales
Ziel imperialistischer Begierde
Sudan – reif für den "regime change"?
Von Georges Hallermayer

Sudan war einmal das größte Land des afrikanischen Kontinents. Ziel imperialistischer Begierde: das Land wie Somalia nach dem kolonialen Grundsatz „teile & herrsche“ zu zerstückeln. Seit mehreren Generationen wüten sezessionistische Kriege im Sudan, Mohammedaner gegen Christen, Araber gegen Schwarze, tierzüchtende Nomaden gegen sesshafte Bauern und Fischer, Stamm gegen Stamm: Darfour seit 2003, 2005 Krieg mit dem Tschad, allein zwei blutige Bürgerkriege (von 1955 bis 1972 und 1980 bis 2005). Und seit über 30 Jahren regiert Omar El-Bashir als Präsident, gestützt auf das Militär, mit diktatorischer Hand.

Daneben wirken seit 1995 die ökonomischen Sanktionen der US-Administration, wirtschaftliche Hebel im „Krieg gegen den Terror“, unterstützt 2008 durch Zerbombung der ersten afrikanischen Medikamentenproduktion als Konkurrent amerikanischer Pharma-Monopole (Herstellung chemischer Waffen unterstellt). Seit 1996 läuft der Entschuldungsprozess der HIPC-Initiative, der aber solange ausgesetzt bleibt wie das Land auf der „Terror-Liste“ steht, worauf die USA weiterhin besteht.

Im Gegensatz dazu hat die chinesische Botschaft im Sudan letztes Jahr bestätigt, dass China sämtliche bis zum Jahr 2015 aufgelaufene Schulden erlässt (1). China, vom Sudan als erstes afrikanisches Land 1959 anerkannt, wurde der größte Handelspartner und mit geschätzten 15 Mrd. Dollar in den im Lande verbliebenen Ölsektor der größte Investor - neben dem Mittleren Osten, die Türkei eingeschlossen. (2) Auf dem Forum Afrikanisch-Chinesischer Zusammenarbeit (FOCAC) 2018 in Beijing holte sich El-Bashir eine 58 Mio. Dollar Subvention und 30 Mio. Dollar zinsfreien Kredit im Rahmen der „Belt & Road Initiative“ (3). Das Megaprojekt, eine 3.200 km lange Bahnlinie von der Hauptstadt Tschads Djamena durch den Sudan bis ans Rote Meer, an die Hafenstadt Port Sudan und die Entwicklung der „Red Sea Economic Zone“ mit der sudanesischen GIAD Automotiv Ltd. sind neben Landwirtschaft die herausragenden Entwicklungsprojekte der nächsten Jahre im Rahmen der „strategischen Partnerschaft“. (4)

Seit der Abtrennung Süd-Sudans 2011 haben sich die ökonomischen Rahmenbedingungen durch den Verlust eines Großteils der Ölfelder (nur mehr 133.000 barrels/Tag) (5) und Ausfälle bei den Exporteinnahmen verschärft (6), während aufgelaufene Zahlungsrückstände bei Krediten aus den 70er und 80er Jahren das Land ökonomisch strangulieren. Negative Bewertungen der Kreditratingagenturen begrenzten den Zugang zu externen Finanzierungen und verteuerten diese, wobei der Abzug internationaler Korrespondenzbanken aus dem Land die Isolation verstärkte. Währungsspekulationen und mit Sanktionen bedrohte Geschäftsbeziehungen taten das Ihre, die Wirtschaft zunehmend zu schwächen – bis Präsident Omar El Bashir den „Gang nach Canossa“ unternahm, um Kredit beim Weltwährungsfonds (IMF) nachsuchte. Die den Saudis angediente aktive Unterstützung des Völkermords im Jemen und Fühler in die Türkei genügten nicht. Der IMF verlangte in bewährter Manier Strukturreformen: unter anderem die Freigabe des Wechselkurses und Kürzungen von Sozialsubventionen.

Am 6. Oktober 2017 hob Donald Trump die ökonomischen Sanktionen auf, Sudan beschloss im Gegenzug den „Five Track Engagement Plan“ (7): Einstellung der Kämpfe mit den Aufständischen, #####ungehinderten humanitären Zugang in den vom Konflikt betroffenen Gebieten### (das Einfallstor für Militärintervention), Unterstützung des Friedensprozesses in Süd-Sudan und #####Entwicklung der Zusammenarbeit mit den USA zur Bekämpfung des Terrorismus###. (Hervorhebung G.H.) Dennoch strich Washington das Land nicht von ihrer „Terror-Liste“ und hielt es damit am finanziellen Tropf und individuelle Sanktionen aufrecht – was die US-Regierung nicht davon abhält, zur „Entwicklung von Sudans Bankensektor“ beizutragen. (8)

Das Land leidet an akutem Devisenmangel, das Sudanesische Pfund krankt: auf dem Schwarzmarkt kostet ein US-Dollar 83 Pfund (9): Aus dem jüngsten Bericht des IMF (10) geht hervor, dass die Brutto-Auslandsreserven 2017 auf sehr niedrigem Niveau blieben, nur 1 ¾ Monate Import abdeckten (11). Dazu stieg die Inflationsrate auf 72,94 Prozent, weltweit nach Venezuela die zweithöchste. Der Internationale Währungsfonds schätzte, den 35,1 % unter der Armutsgrenze Lebenden sei die auferlegte Austeritätspolitik zuzumuten, was aber das Jahr 2018 über zu vereinzelten Protestaktionen führte (12).

Aber die Verdreifachung des bislang staatlich gestützten Brotpreises Mitte Dezember brachte „das Fass zum Überlaufen“. Die Welle des Volkszorns ist seitdem nicht verebbt, überflutet das ganze Land, auch die Regionen, die bislang als Hort des Präsidenten galten. Auch wenn die Regierung die politischen Oppositionsparteien ausschaltete (13), indem sie die Führungen der Parteien von Islamisten bis zur Sudanesischen Kommunisten Partei (SCP) - mehr als 800 - inhaftierte – in diesem politischen Vakuum vereinigten sich die Sudanese Professional Association (SPA), in der insbesondere Mediziner, Lehrer und Ingenieure zusammengeschlossen sind, die National Census Forces (NCF) und Sudan Call (SC) zu einer Allianz (14). 17 politische Gruppierungen und zivilgesellschaftliche Organisationen haben die „Declaration of Freedom and Change“ (DFC) als Plattform einer vierjährigen Übergangsperiode unterschrieben (15). Die Mechanismen des „teile & herrsche“ hat die Protestwelle außer Kraft gesetzt: religiöse Differenzen, ethnische Unterschiede. Selbst die in einem Islamischen Staat besonders unterdrückte Frauen haben sich erhoben. (16)

Präsident El-Bashir scheint bemüht, den Konflikt in zivile Bahnen lenken zu wollen. Er unternimmt eine telegene „Rally“ in seine Stammlande und verspricht „ein neues Sudan“, dazu die ländliche Entwicklung zu fördern, Zugang zu bieten zu Elektrizität und Schuldbildung (17), als er eine neue 340 km lange, Nord-Kodofan mit Omdurman verbindende Autobahn einweihte. Premierminister Moutaz Mousa Abdallah nannte die Protestbewegung „eine „respektable Jugendbewegung“, drohte allerdings gegen Gewalttäter rechtliche Schritte an. Präsident El-Bashir pfiff die paramilitärische Miliz „Popular Defence Forces“ zurück und versprach Frieden noch im Jahr 2019 mit den verschiedenen Rebellengruppen in Darfour, Blue-Nile und South-Kordofan. (18) Dazu verlängerte er einseitig die Waffenruhe in den Konfliktregionen (19). Die im Dezember in Darfour eingetroffenen 225 chinesischen UN-„peacekeeper“ unterstützen den Prozess, vorgesehen sind vor allem Instandsetzungsarbeiten an Häusern, Straßen und Flughäfen. (20)

El-Bashir denkt nicht daran zurückzutreten. Er vergleicht die Protestwelle mit dem „arabischen Frühling“. Und mit dem raffgierigen Familien-Clan des Ben Ali lässt sich El-Bashir absolut nicht vergleichen. Er weiche nur dem „Militär oder Wahlen“. Die Hoffnung von US-Außenminister Mike Pompeo auf einen „friedlichen regime-change in Sudan“ (21) wird noch bis 2020 warten müssen. Selbst wenn El-Bashir nicht mehr zu den Wahlen antritt (was er ja versprochen hatte), wird er vermutlich wie Kongos Expräsident Kabila über die Regierungspartei „National Congress Partry“ (und dem Militär) seinen Einfluss geltend zu machen wissen.

Während noch zwölf Mitglieder des Zentralkomitees der Sudanesischen Kommunistischen Partei im Gefängnis inhaftiert sind, strecken schon Kräfte in der oppositionellen Allianz ihre Fühler aus. Yasir Arman von „Sudan Call“ begrüßte mit Sympathie Mike Pompeos Erklärung als „einen Schritt vorwärts“, während Lord Alton of Liverpool, der frühere Vorsitzende der „Allparteiengruppe für den Sudan“ sich mit Yasir Arman und dem Vorsitzenden der Umma-Partei und der Sudan Liberation Movement in London traf und aufrief, den Dialog mit dem Sudan wieder aufzunehmen (22). Ex-Premierminister Sadiq al-Mahdi von der islamistischen Ummah-Partei meldet sich zurück (23). Der Wahlkampf hat für diese Kräfte bereits begonnen.

Die Demonstranten werden weiterhin für ihre Forderungen auf die Straße gehen. Wird die Regierung die Deklaration für Freiheit und Frieden als ein Angebot verstehen, in einen konstruktiven Dialog mit der Bevölkerung zu treten? Oder wird die blutige Karte der Unterdrückung weiter ausgespielt? Die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen wäre eine versöhnliche Geste, aber auch eine notwendige Voraussetzung. On verra… wir werden sehen.


Fußnoten

1 Sudan Embassy 14. Sept. 2018:a “China writes off its Government Loans to Sudan”
2 CNBC 18. Juni 2018: „China and the Middle East are pouring money into strategic Sudan, but US policy is 'confused'”
3 Radio Dabanga 3. Sept. 2018: “Sudan to get $88 million in loans and grants from China”
4 People’s Daily „China, Sudan to write new chapter of strategic partnership”
Ministry of foreign affairs 14. Nov. 2018: “China ready to deepen relations with Sudan: CPC official”
5 The Diplomat 14. Juni 2017: “Sudan: China’s Original Foothold in Africa”
6 The Sudan Tribune 13. Febr. 2019: “US.dollar hits record high against Sudenese pound”
7 The Sudan Tribune 15. Febr. 2019: „Washington, Khartoum fo form joint group for banking reform in Sudan”
8 The Sudan Tribune 15. Febr. 2019: “Washington, Khartoum to form joint group for banking reform in Sudan”
9 The Sudan Tribune 13. Febr. 2019: “US.dollar hits record high against Sudenese pound”
10 https://www.imf.org/external/pubs/ft/dsa/pdf/2017/dsacr17364.pdf
11 The Sudan Tribune 13. Febr. 2019: “US.dollar hits record high against Sudenese pound”
12 The Sudan Tribune 8. Febr. 2019: “Protesters dismantling modus operandi of Sudan’s oppressor”
13 Al Jazeera 31. Jan. 2019: Sudan’s army says it will ‘not allow state to fall’ amid protests”
14 The Sudan Tribune 13. Febr. 2019: “Sudanese opposition says determined to overthrow the regime”
15 The Sudan Tribune 14. Febr. 2019: „Sudan threatens t sue opposition
16 The Sudan Tribune 8. Febr. 2019: “Protesters dismantling modus operandi of Sudan’s oppressor”
17 Al Jazeera 3. Febr. 2019: “Sudan’s Bashir promises growth after weeks of protests”
18 The Sudan Tribune 13. Febr. 2019: „Sudan‘s Bashir pledges to end armed conflicts in 2019”
19 Jeune Afrique 29. Jan. 2019: „Soudan: Omar el-Bechir prolonge un cessez-le-feu dans deux régions en conflit »
20 Premium Times 11. Dez. 2018: “China sends 100 peacekeepers to Sudan”
21 The Sudan Tribune 15. Febr. 2019: „U.S.’s Pompeo says hopeful that peaceful regime change takes place in Sudan”
22 The Sudan Tribune 14. Febr. 2019: „Lord Alton calls on British govt to reconsider dialogue with Sudan”
23 Aljazeera 25. Jan. 2019: „The regime has to go’: Sudan’s ex-PM tells Bashir to step down”

Online-Flyer Nr. 693  vom 20.02.2019



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