NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

Fenster schließen

Globales
Donald Trump und der Fall Khashoggi
Mordsgeschäfte über alles
Von Rainer Rupp

US-Präsident Donald Trump hat in einer ernüchternden Erklärung deutlich gemacht, dass er lieber mit Schreibtisch- und Massenmördern wie dem saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman Geschäfte macht, als gar keine Geschäfte zu machen. Die 633 Wörter umfassende Erklärung von US-Präsident Donald Trump, die vergangene Woche auf der Webseite des Weißen Hauses über die Rolle der saudischen Königsfamilie bei dem grausamen Mord an dem saudisch-amerikanischen Washington Post-Mitarbeiter Jamal Khashoggi veröffentlicht wurde, ist aus drei Gründen ein bemerkenswertes Dokument: Erstens, wegen Trumps nüchternen, eiskalten, geschäftlichen Kalküls, das aus dieser Erklärung hervorgeht. Zweitens, wegen Trumps Offenheit, mit der er die geheuchelte Moral der immer wieder hochgehaltenen „amerikanischen“ beziehungsweise „westlichen Werte“ und deren angeblichen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte ablehnt und lieber mit Tyrannen und Massenmördern Geschäfte macht, als gar keine  Geschäfte zu machen. Und Drittens stellt Trump in seiner Erklärung über Iran, den Jemen und überhaupt den Nahen Osten die realen politischen und militärischen Fakten entweder aus Ignoranz oder Zynismus total auf den Kopf.

Zugleich wirft Trump in seiner Erklärung in aller Öffentlichkeit die Kernfrage der US-Außenpolitik auf, von der die herrschenden Kreise immer abgelenkt haben. Unter aktuellem Bezug auf die Forderungen des US-Senats nach einem Stopp von US-Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und der Bestrafung der Auftraggebers für den Khashoggi-Mord lautet die von Trump gestellte Frage, inwiefern die Amerikaner es zulassen sollten, dass ihre deklamierten (aber nicht gelebten), idealistischen und humanitären Werte bei der Bestimmung der US-Außenpolitik riskieren, lebenswichtige Interessen und Vorteile der US-Wirtschaft nicht wahrzunehmen und damit die Chance auf Millionen Arbeitsplätze zu verhindern?

Anders als in vielen Medien falsch kolportiert, schließt Trump in Bezug auf Khashoggis Ermordung den saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman (MbS) nicht als Hauptverdächtigen aus. Trump schreibt: "König Salman und Kronprinz Mohammad bin Salman leugnen energisch jedes Wissen über die Planung oder Durchführung des Mordes ... (aber) es könnte durchaus sein, dass der Kronprinz Wissen darüber hatte."

Egal ob nun MbS es getan hat oder nicht, für Trump ist wichtiger, dass die Saudis "zugestimmt haben, 450 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten auszugeben und zu investieren." Und ein volles Viertel dieser Summe „ist für militärische Ausrüstung von US-Unternehmen wie Boeing, Lockheed Martin, Raytheon und anderen amerikanischen Verteidigungsunternehmen” vorgesehen.

Es wäre ausgesprochen "dumm", diese Verträge zu kündigen, warnt Trump, denn die würden dann nur von Russland oder China aufgeschnappt. Darüber hinaus hätten die Saudis zugestimmt, mehr Öl zu pumpen, um die Preise niedrig zu halten.

Damit stellt Trump die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der USA unangefochten in den Vordergrund. Er will daher den US-Beziehungen zu Riad und der saudischen königlichen Familie keinen Schaden zufügen, selbst wenn der zukünftige König einen kaltblütigen Mordanschlag gegen einen in den USA ansässigen, saudischen Journalisten angeordnet hat, den er als Feind betrachtet.

Die strikte Art und Weise, in der Trump das Thema formuliert hat, wird die Mitglieder des Kongresses beider Parteien zu einer klaren Entscheidung zwingen - nämlich ob sie nur aus Trotz und dem Wunsch, Trump politisch zu schaden, die Saudis mit Sanktionen bestrafen wollen und dabei riskieren, die für die US-Wirtschaft lukrativen Verträge zu verlieren.

Nun kommen wir zum dritten Punkt, denn etliche Behauptungen in Trumps Erklärung legen nahe, dass ein anderer wichtiger Grund, warum er dem Kronprinzen MbS den Khashoggi-Mord nicht anlasten will, darin liegt, dass er in MbS den unverzichtbaren Verbündeten gegen den Iran sieht - das Land, das aus Trumps Sicht der einzige wahre Feind der USA in der Region ist.

Trumps Erklärung stellt Verhältnisse auf den Kopf

Wie wichtig ihm dabei der Iran ist, wird deutlich, dass er bereits in seiner Einleitung Teheran beschuldigt, „für einen blutigen Stellvertreterkrieg gegen Saudi-Arabien im Jemen verantwortlich" zu sein. Aber das stimmt nicht. Im Jahr 2015 griff Saudi-Arabien auf Befehl von Mohammad bin Salman, dem damaligen Verteidigungsminister, in den Bürgerkrieg im Jemen ein, nachdem Huthi-Rebellen im Norden die saudische Marionette an der Regierung gestürzt und den Rest des Landes von saudischer Kontrolle befreit hatten.

Es ist nicht der Iran, sondern es sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die mit US-amerikanischer Munition und logistischer Unterstützung, mit ihren Soldaten, Bomben und Blockaden verantwortlich sind für die Zig-Tausenden zivilen Opfer der Kriegshandlungen im Jemen. Und auch für die Millionen Menschen, die wegen der Blockaden an Cholera, Unterernährung und Hunger leiden, und von denen allein annähernd hunderttausend Kinder bereits gestorben sind.

Es sind nicht die Iraner, die versuchen, an der Küste Jemens den letzten Zugangshafen für humanitäre Hilfe für die leidende Zivilbevölkerung zu schließen.

Dennoch, für Trump ist Iran an allen Problemen der Amerikaner im Nahen Ost schuld. Der Iran, sagte Trump in seiner Erklärung, "stützt den Diktator Bashar Assad in Syrien, … der Millionen seiner eigenen Bürger getötet hat. ... ebenso haben die Iraner viele Amerikaner und andere Menschen im Nahen Osten getötet."

Moment mal, hat denn niemand dem US-Präsidenten erklärt, wer für die 7.000 US-amerikanischen Toten und die 60.000 Verwundeten im Nahen Osten seit 2001 verantwortlich ist? Wurden die Kriege in Afghanistan und im Irak vom Iran geführt oder von den Vereinigten Staaten unter Präsident George Bush ohne völkerrechtliche Grundlage angezettelt und von seinen Nachfolgern fortgesetzt?!

Tatsächlich hat der Iran seinen schiitischen Verbündeten im Irak geholfen, und diese Verbündeten haben gegen die brutalen amerikanischen Besatzer gekämpft. Irans Verbündete bekämpfen die wichtigsten Terror- und Kopfabschneiderorganisationen, die heute im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika existieren, angefangen mit al-Qaida und ihren vielen Unterorganisationen, die unter anderen Namen firmieren, über ISIS und Boko Haram bis zu al-Shabaab und anderen islamistischen Gewaltextremisten. Und das sind allesamt Sunniten wie die Saudis. Sie sind zumeist Anhänger der Wahahbi-Sekte, die von den Saudis kontrolliert wird und Dank saudischem Geld global expandiert. Diese terroristischen Gruppen sind nicht nur die selbst erklärten Todfeinde der Schiiten, vor allem im Iran, in Irak, Syrien und Libanon, sondern sie sind eine tödliche Gefahr für die gesamte zivilisierte Welt.

Da diese islamistischen Mörderbanden unter anderen in Syrien gegen die nicht religiös gebundene Regierung von Präsident Assad kämpfen, wurden sie (und werden es teilweise immer noch) von US- und westlichen Geheimdiensten auf vielfältige Weise mit Waffen und Geld unterstützt. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern erwiesene Tatsache! Erst durch den ausdrücklichen Befehl Trumps wurden die direkten Waffenlieferungen an al-Qaida-Kopfabschneider in Syrien vor einem Jahr gestoppt.

Vor diesem Hintergrund ist es einfach unverständlich, dass Trump Saudi-Arabien als "großen Verbündeten in unserem sehr wichtigen Kampf gegen den Iran" lobt. Entweder ist er durch seine mehrheitlich pro-zionistischen und pro-saudischen Berater total falsch informiert und manipuliert, und lebt – was den Nahen und Mittleren Osten betrifft - in einer seitenverkehrten Welt, oder Trump ist ein Großmeister des politischen Zynismus. Der Autor dieser Zeilen tippt eher auf Ersteres, den in Punkto Geopolitik und –strategie ist der US-Präsident ein Laie. Daher dürfte Trump von konzertiert operierenden Beratern, sein scharf zionistischer Schiegersohn Kushner, den er zu seinem Sonderbeauftragter für den Nahen Osten gemacht hat, mit eingeschlossen, leicht zu beeinflussen sein.

So stellt sich nun die Frage, ob Präsident Trump dabei ist, die Torheiten und Verbrechen von Präsident Bush zu wiederholen? Aber wie kann man ihm bei Beratern wie Kushner klar machen, dass der Iran nicht die USA angegriffen hat, dass Teheran keinen Krieg mit den Vereinigten Staaten will? Und es ist der Iran, der sich weiterhin an den Atomvertrag hält, von dem sich die USA einseitig und unter erfundenen Gründen verabschiedet haben. Und jetzt wollen die Möchtegern-Weltherrscher in Washington die Europäer und alle anderen Länder dazu zwingen, sich den US-Strafsanktionen gegen Iran anzuschließen, oder selbst von Washington empfindlich bestraft zu werden.

Zuerst haben viele Politiker in Europa gemurrt. Sie beschworen europäische Unternehmen, die US-Sanktionen nicht zu befolgen; vergeblich. Inzwischen ist es ruhig geworden, eine Folge der Kombination von ökonomischer Ohnmacht und fehlendem politischem Willen der Europäer, sich den brachialen Praktiken der US-Gangster zu widersetzen. Zum Glück lassen sich Russland, China, die Türkei und viele andere Länder nicht mehr von der US-Mafia einschüchtern.

Alternativen zum globalen Finanztransfer an den USA vorbei werden derzeit entwickelt. Auch wird der US-Dollar von dieser US-kritischen Ländergruppe im gegenseitigen Handel immer weniger benutzt, nur um einige Maßnahmen zu benennen, mit denen man sich aus der ökonomischen Umklammerung der USA befreien will. Das aber bedeutet, dass die USA mit der Fortführung ihres hegemonialen Kurses zunehmend das Fundament der Dollar-Reservewährung unterhöhlen, auf dem noch zu Beginn dieses Jahrhunderts ihre Weltmacht ruhte.


Mit Dank übernommen von RT Deutsch - dort veröffentlicht am 27.11.2018

Online-Flyer Nr. 685  vom 05.12.2018



Startseite           nach oben