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Globales
Schreiben an den Präsidenten der Ludwig-Maximilians-Universität München zur Veranstaltung "Israel, Palästina und die Grenzen des Sagbaren"
Absage wäre ein Armutszeugnis
Von Georg Meggle

Für den 7. November 2018 ist in der Ludwig-Maximilians-Universität München die Veranstaltung "Israel, Palästina und die Grenzen des Sagbaren" mit Andreas Zumach angekündigt. Dagegen wird Stimmung gemacht. "Pro-BDS-Veranstaltung an der LMU absagen – Antisemitismus keinen Raum geben" wird aus Kreisen, die Israels Verbrechen stützen, gefordert. Doch es gibt auch couragierte Stimmen, die dazu auffordern, dem zionistischen Druck zu widerstehen: "Sehr geehrter Herr Präsident, mir ist zur Kenntnis gelangt, dass die Gefahr besteht, dass die für den 07.11.2018 an der LMU geplante Veranstaltung mit Andreas Zumach aufgrund eines Protestes eines sich „links“ nennenden „Bündnisses gegen Antisemitismus“ von Ihrer Universität abgesagt wird. Eine solche Entscheidung würde nicht nur gegen die uns grundgesetzlich verbürgten Freiheiten (insbes. der Rede und der Forschung) verstoßen; sie wäre auch ein Armutszeugnis für das Selbstverständnis welcher Universität auch immer. Daher mein Appell an Sie: Geben Sie als Präsident der LMU diesem Druck nicht nach!" Mit diesen Sätzen beginnt ein von Prof. em. Dr. Georg Meggle verfasstes Schreiben an Prof. Dr. Bernd Huber, Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München, das die NRhZ nachfolgend vollständig dokumentiert.


Kairo, 02. Nov 2018

Prof. em. Dr. Georg Meggle
AUC, American University in Cairo
Department of Philosophy
Prince Alwaleed Alsaud Hall (HUSS)
Meine website: https://www.sozphil.uni-leipzig.de/cm/philosophie/mitarbeiter/georg-meggle/

An den
Herrn Präsidenten der LMU
Prof. Dr. Bernd Huber
(mit heutiger email)

Betr.: LMU-Veranstaltung mit Andreas Zumach (07.11.2018)


Sehr geehrter Herr Präsident,

mir ist zur Kenntnis gelangt, dass die Gefahr besteht, dass die für den 07.11.2018 an der LMU geplante Veranstaltung mit Andreas Zumach aufgrund eines Protestes eines sich „links“ nennenden „Bündnisses gegen Antisemitismus“ von Ihrer Universität abgesagt wird. Eine solche Entscheidung würde nicht nur gegen die uns grundgesetzlich verbürgten Freiheiten (insbes. der Rede und der Forschung) verstoßen; sie wäre auch ein Armutszeugnis für das Selbstverständnis welcher Universität auch immer. Daher mein Appell an Sie: Geben Sie als Präsident der LMU diesem Druck nicht nach!

In einem nahezu exakt gleichen Kontext, nämlich bei der Vorbereitung und Durchführung der ganzjährigen Ringvorlesung Deutschland-Israel-Palästina (siehe die gleichnamige Publikation derselben, Hamburg (eva), 2007) an der Universität Leipzig (2005-2006), konnte ich ausreichend Erfahrung mit solcherart Druck sammeln. Da wegen gleichartiger Aufrufe an die Studierenden, „Haltung zu zeigen“, mit gewaltsamer Verhinderung einzelner Veranstaltung zu rechnen war, mussten einige Vorlesungen (z.B. die von Helga Baumgarten, Uri Avnery, Noam Chomsky, Hajo Meyer u.a.) unter Polizeischutz stattfinden. Das Leipziger Uni-Präsidium war mutig genug, diesen – wie der Verlauf dann auch zeigte – notwendigen Schutz auch öffentlich anzukündigen und zu vertreten. Ich weiß nicht, ob Sie sich überhaupt vorstellen können, welcher Verleumdungskampagne ich nach diesen dank dieses Schutzes möglich gewordenen und schließlich mit großer Resonanz durchgeführten Veranstaltungen ausgesetzt war. Die inzwischen offenbar auch in München gut vertretene Szene der „Anti-Deutschen“ war auch an jenen Vorfällen in führender Rolle beteiligt.

Die von dem „Linken Bündnis“ in dem Aufruf an die Studierenden genannten Anti-Semitismus-Verdächtigen – insbesondere also Andreas Zumach, Norman Paech und Rolf Verleger – gehörten im übrigen schon bei den Leipziger Vorfällen zu den erschreckend wenigen, die für die Freiheit der Rede öffentlich eingetreten sind. Es ist mir eine große Ehre, mich nunmehr meinerseits – auch in aller Öffentlichkeit – an deren Seite zu stellen.

Als Analytischer Philosoph war ich natürlich nach den genannten Erfahrungen auch auf meinem eigenen Gebiet, d.h. auf der Suche nach einer möglichst neutralen Explikation der relevanten Begriffe – hier also des „Anti-Semitismus“ – , tätig. Die aufgrund der gegen mich erhobenen Vorwürfe auch direkt an mich selbst adressierte Frage „Wer ist Antisemit?“ habe ich in meinem (in Philosophische Interventionen, Paderborn, mentis, 2011, publizierten – inzwischen aber auch leicht über telepolis zugänglichen) grundsätzlichen Begriffs-Beitrag beantwortet.

Sollte Ihre Universität, wie von dem Aufruf des Bündnisses gefordert, der Frage nach dem korrekten Anti-Semitismus-Verständnis im Rahmen einer weiteren Veranstaltung nachgehen wollen, bin ich zu einer Verteidigung dieser Explikation, die m.E. jeder politisch motivierten Begriffsregelung überlegen sein dürfte, jederzeit gerne bereit. Speziell an der LMU, jener Universität, in der ich am Stegmüller-Institut das klare philosophische Denken überhaupt erst gelernt hatte.

In Summa noch einmal: Ich bitte die LMU inständig, dem versuchten Druck zu einer Absage der genannten Veranstaltung auf keinen Fall nachzugeben – und empfehle, auch für diese Veranstaltung vorsorglich Polizeischutz zu beantragen.

Hochachtungsvoll,
Ihr GM


Kurz zu meiner Person: Auch nach meiner Emeritierung (2009) lehre ich weiterhin Analytische Philosophie, im Winter in Kairo (zuerst an der Al Azhar, derzeit an der AUC), im Sommer in Salzburg. Seit September dieses Jahres bin ich Ehrenpräsident der von mir 1990 gegründeten GAP, der Gesellschaft für Analytische Philosophie, heute eine der größten philosophischen Gesellschaften Europas.


Online-Flyer Nr. 681  vom 07.11.2018



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