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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Krieg und Frieden
Die Trump-Adminstration will den INF-Vertrag kündigen
Die Antwort muss heißen: Truppenstationierungsvertrag kündigen!
Von LUFTPOST

Die Trump-Regierung will den INF-Vertrag kündigen, damit sie den bereits unter Obama begonnenen Aufbau des US-Raketenabwehrschildes mit der Stationierung neuer Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa vollenden kann. Dieses Vorhaben ist nur dann noch zu vereiteln, wenn es der hoffentlich bald wieder gemeinsam agierenden deutschen Friedensbewegung gelingt, den Bundestag in Berlin zur umgehenden Kündigung des "Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland" (auch Truppenstationierungsvertrag genannt) zu bewegen und damit ein atomares Inferno in Europa zu verhindern.

Wie kam der INF-Vertrag zustande?

In dem am 22.10.2018 von ZEIT Online veröffentlichten Artikel "Europa droht die Rückkehr der Raketen" von Ulrich Kühn ist zu lesen:

"Um zu verstehen, wie dramatisch ein Ende des INF-Vertrages über die Eliminierung bodengestützter Mittelstreckenraketen wäre, hilft ein Blick zurück in die Zeit, in der der Vertrag geschlossen wurde. Anfang der Achtzigerjahre hatte der Nato-Doppelbeschluss Hunderttausende Demonstranten in Bonn, London und New York auf die Straßen getrieben. Die geplante (und realisierte) Stationierung der US-Raketen Pershing-II (in Baden-Württemberg und der Cruise Missiles in Rheinland-Pfalz, also) auch auf bundesdeutschem Territorium hatte das Gespenst des nuklearen Kriegs in Europa sehr real werden lassen. Konkret hatte die Nato damals auf eine einseitige Aufrüstung der Sowjetunion mit SS-20-Raketen mit der Entwicklung eigener Mittelstreckenraketen reagiert – Waffen, die mit einer Vorwarnzeit von unter sechs Minuten ideal für den nuklearen Erstschlag geeignet waren. 'Es war, als würde man uns eine Pistole an den Kopf halten', erinnerte sich Michail Gorbatschow einige Jahre später. In Deutschland geriet die Auseinandersetzung um die Pershing-II-Stationierung zur innenpolitischen Schlacht. Helmut Schmidt, ein Verfechter der Stationierung, stürzte über den Doppelbeschluss. Helmut Kohl folgte ihm als Kanzler. Heinrich Böll hielt eine flammende Rede (vor 200.000 Kundgebungsteilnehmern) im Bonner Hofgarten. Die Friedensbewegung spülte erstmals die Grünen ins Parlament. Als im Dezember 1987 Ronald Reagan und Michail Gorbatschow den INF-Vertrag unterzeichneten und die Raketen in Deutschland wieder abgebaut wurden, endete eines der gefährlichsten Kapitel des Kalten Kriegs. Und das Aufatmen in Bonn war sehr vernehmlich."

tagesschau.de hat am 21.10.18 berichtet:

"Der Historiker Tim Geiger vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin sagt im Gespräch mit tagesschau.de, dass die zeitliche Nähe der Ereignisse 'in der Tat frappierend' sei. 'Der Vertrag wurde auch schon gerne als das Ende des Kalten Krieges gesehen', so der Wissenschaftler. Der INF-Vertrag sei einer der entscheidenden Schritte gewesen – weniger im Sinne einer triumphierenden Schule amerikanischer Historiker, die sagen, Reagan habe das Reich des Bösen tot gerüstet. 'Sondern es war ein entscheidender Schritt zur Vertrauensbildung, der notwendig war, damit Gorbatschow seine Reformen im Osten durchführen konnte, die wiederum für das Ende des Kalten Krieges und damit auch für die deutsche Einheit wesentlich wurden.' "

Was hat der INF-Vertrag bewirkt?

1987 wurde der INF-Vertrag geschlossen, am 31. März 1991 wurde der seit 1955 bestehende Warschauer Vertrag aufgelöst, am 21. Dezember 1991 zerfiel die Sowjetunion, am 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer geöffnet und am 3. Oktober 1990 wurde der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland vollzogen, der eigentlich eine "feindliche Übernahme" der DDR durch die BRD war.

Haben die USA die mit dem INF-Vertrag die in Moskau geweckten Erwartungen erfüllt?

Die erhoffte Entspannung trat nicht ein, denn der Kalte Krieg ging nach einer kurzen Unterbrechung mit der Osterweiterung der NATO in eine neue Runde, die noch nicht beendet ist. Bis heute wird die NATO-Osterweiterung – trotz aller vorher gemachten Versprechungen kaltschnäuzig durchgezogen.

Auch die schon unter Reagan geplante Strategic Defense Initiative / SDI, mit der sich die USA durch ein im Weltraum stationiertes Waffensystem vor sowjetischen Interkontinentalraketen schützen und die Möglichkeit zu einem atomaren Erstschlag gegen die Sowjetunion verschaffen wollten, wurde nie aufgeben, sondern nur auf Eis gelegt und unter Clinton in modifizierter Form fortgesetzt.

Nach Vorarbeiten der US-Regierungen unter Bill Clinton und George W. Bush begann unter Barack Obama die Umsetzung der in vier Phasen gegliederten neuen Raketenabwehr-Variante European Phased Adaptive Approach / EPAA. Dieser US-Raketenabwehrschild wurde und wird den ahnungslosen Europäern als Abwehrschild der NATO gegen iranische Raketen verkauft, damit sie ihren eigenen Untergang mitfinanzieren.

Die russische Regierung hat von Anfang an erkannt, dass die USA mit ihrem Raketenabwehrschild in Europa keine iranischen, sondern russische Raketen abfangen wollen; gleichzeitig will sich Washington auch die Fähigkeit zu einem für die USA möglichst risikolosen atomaren Erstschlag gegen Russland verschaffen. Die deeskalierende Angebote Moskaus und die zahlreichen Warnungen vor russischen Gegenmaßnahmen wurden einfach in den Wind geschlagen.

Die USA und die NATO haben mit fadenscheinigen Argumenten alle Vorschläge Russlands abgelehnt und den systematischen Aufbau des Raketenabwehrschildes mit der Inbetriebnahme einer Spezial-Radaranlage in der Türkei, der Stationierung weiterer Lenkwaffenzerstörer im spanischen Rota, der Inbetriebnahme einer landgestützten stationären Aegis-Raketenabwehrbasis in Rumänien und der noch nicht abgeschlossenen Errichtung einer zweiten Raketenbasis gleicher Art in Polen fortgesetzt.

Wo befinden sich die Befehlszentralen des europäischen US-Raketenabwehrschildes?

Die offizielle Kommandozentrale des US-Raketenabwehrschildes befindet sich im Air Component Command / AIRCOM, dem Hauptquartier aller NATO-Luftwaffen, auf der von der U.S. Air Force betriebenen Air Base Ramstein. Im Ernstfall dürfte die eigentliche Kommandofunktion aber von dem speziell dafür aufgestellten 10th Army Air and Missile Defense Command / AAMDC der U.S. Army in den Rhine Ordnance Barracks auf der Vogelweh im Westen der Stadt Kaiserslautern übernommen werden, weil das ohne jede NATO-Einmischung auch mobil agieren kann.

Dort und/oder im AIRCOM auf der Air Base Ramstein laufen die von Überwachungssatelliten und speziellen Frühwarnradargeräten – die z.B. in der Türkei platziert sind – erfassten Daten vom Start feindlicher Raketen ein. Das 10. AAMCD oder das AIRCOM erteilen dann den vier im spanischen Hafen Rota stationierten US-Lenkwaffenzerstörern, die mit dem Abwehrsystem Aegis ausgerüstet sind und nur auf der Grafik alle im Mittelmeer schwimmen, über Kommunikationssatelliten den Befehl, mit ihren SM-3-Raketen die aufgestiegenen feindlichen – sprich russischen – Raketen abzuschießen. Diese Lenkwaffenzerstörer können natürlich auch in der Ostsee oder im Schwarzen Meer, also noch näher an Russland operieren. Der Abfangbefehl kann auch an die bereits einsatzbereite landgestützte Aegis-Raketenbatterie in Rumänien und demnächst an die noch im Bau befindliche Aegis-Raketenbatterie in Polen gehen.

Da die Phase 2 der US-Raketenabwehr in Europa bereits realisiert ist, sind wir dem von Anfang an beabsichtigten atomaren Erstschlag der USA gegen Russland schon sehr nahe gekommen.

Welche Komponente des US-Raketenabwehrschildes in Europa fehlt noch?

Das eigentlich schon ab Phase 2 vorgesehene mobile Raketensystem THAAD kann – wie die zu Zeiten des so genannten NATO-Doppelbeschlusses in Europa stationierte Mittelstreckenrakete Pershing II – auch mit atomaren Sprengköpfen ausgerüstet und als Angriffswaffe eingesetzt werden. Da die Stationierung dieses Systems in Südkorea schon begonnen hat, werden die ersten THAAD-Raketen schon bald auch in Europa eintreffen – wenn die von Donald Trump angedrohte Kündigung des INF-Vertrages vollzogen ist.

Ein Vertreter der US-Streitkräfte hat mitgeteilt, dass bereits vorbereitende Gespräche mit deutschen Militärs über die Verlegung eines THAAD-Systems auf die Air Base Ramstein in Deutschland stattgefunden haben – auch wenn die Bundesregierung und besonders Verteidigungsministerin von der Leyen jetzt so tun, als hätten sie nicht gewusst, was die Trump-Regierung auf der Air Base Ramstein vorhat.

THAAD-Raketenwerfer werden natürlich auch andernorts in mittel- und osteuropäischen NATO-Staaten auftauchen, und dann ist ein atomarer Erstschlag der USA gegen Russland kaum noch aufzuhalten. Russland würde sofort mit seinen neuen Waffen zurückschlagen, und Europa würde in einem atomaren Inferno untergehen.

Was kann die deutsche Friedensbewegung tun, um diese Gefahr abzuwenden?

Schon 2015 haben wir festgestellt: Während westliche Kriegstreiber unter dem Vorwand, den Frieden sichern zu müssen, für einen großen Krieg mobilmachen, der sehr schnell zum finalen Atomkrieg werden könnte, haben seltsame "Friedensfreunde" mit gezielten Anschuldigungen und unbewiesenen Verdächtigungen einen hitzigen "Richtungskrieg" zwischen "alten" und "neuen" Friedensbewegten entfacht, der die endlich zu neuem Leben erwachte Friedensbewegung lähmt, den Kriegstreibern aber sehr willkommen ist. Die Frage "Cui bono?" (Wem zum Vorteil?) lässt sich leicht beantworten: Wer die Friedensbewegung spaltet, lässt sich entweder zum nützlichen Handlanger der Kriegstreiber machen oder steht ohnehin in deren Diensten. …

Heute ist die Kriegsgefahr noch viel größer, als sie zu Beginn der 1980er Jahre war. In den logistischen Strukturen, die Kriegstreiber in den USA und der NATO für einen Krieg gegen Russland aufgebaut haben, spielt die Bundesrepublik Deutschland immer noch eine zentrale Rolle.

(Lokale) Initiativen und Mahnwachen, sollten mit Veranstaltungen, Infoständen oder umgehängten Infotafeln faktengestützte Aufklärung über Militäranlagen vor Ort, die wachsende Kriegsgefahr und die Kriegstreiber in den USA und in der NATO betreiben. …

Wenn es ihnen gelingt, genügend friedfertige Protestierende zu mobilisieren, können sie auch mit den Ordnungsbehörden und der Polizei abzustimmende lokale Demos oder Aktionen durchführen, die unbedingt so ablaufen müssen, dass niemand strafrechtlich belangt werden kann, weil das nur viel Kraft, Zeit und Geld kostet, die dringend für völlig legale und deshalb die Kriegstreiber viel stärker behindernde Aktivitäten gebraucht werden. Wer sich vor Strafverfolgung und Prügelattacken der Polizei schützen will, muss wirksame Vorkehrungen treffen, damit sich nicht dafür abgestellte, häufig schwarz gekleidete und maskierte "Friedenskämpfer" in gewaltfreie friedliche Aktionen einschleichen und den Mainstream-Medien die Schlagzeilen liefern können, die der Friedensbewegung schaden und ihre Forderungen diskreditieren sollen.

Bestehende übergeordnete Friedensorganisationen sollten lokale Anliegen und Aktivitäten stärker als bisher unterstützen und zu zentralen Kundgebungen und Demonstrationen bündeln, die sich weniger gegen militärische Einrichtungen als gegen die Parlamente, Regierungen und Behörden richten müssen, die den vielfältigen Kriegsvorbereitungen auf deutschem Boden tatenlos zusehen oder sie sogar noch fördern. Solche Großveranstaltungen müssen rechtzeitig bekannt gemacht und so gut vorbereitet werden, wie das die Großdemos in den 1980er Jahren waren. Weil Berlin zwar immer eine Reise wert, die Anreise aber für viel zu viele Menschen zu teuer oder zu beschwerlich ist, sollten dezentrale Großveranstaltungen auch in den Hauptstädten der Bundesländer stattfinden, in denen sich wichtige Militärbasen befinden, zum Beispiel in Stuttgart (EUCOM und AFRRICOM), Mainz (USAFE-AFARICA und AIRCOM auf der Air Base Ramstein), Wiesbaden (USAREUR und NSA), Bonn (wichtige Abteilungen des Bundesministeriums der Verteidigung) und München (US-Hubschrauber in Ansbach und US-Truppenübungsplätze in Bayern).

Für die Koordinierung größerer regionaler oder zentraler Aktivitäten sollte schnellstmöglich ein Organisationsausschuss aus Vertretern von Organisationen der "alten" und der "neuen" Friedensbewegung gebildet werden, dem auch Menschen angehören müssen, die in der Lage sind, die vielfältigen Möglichkeiten des Internets für die Friedensarbeit besser zu nutzen.

Die Kampagne Stopp Air Base Ramstein könnte dabei eine wichtige Rolle spielen, wenn sie ihren Widerstand gegen den über diesen Flugplatz abgewickelten US-Drohnenkrieg wirklich so ausweitet, wie das in dem am 22.10.2018 veröffentlichten Aufruf vorgeschlagen wird. Künftig soll protestiert werden:
  • gegen den täglich von deutschem Boden ausgehenden Drohnenkrieg und die Beschaffung von Killerdrohnen durch die Bundesregierung.

  • gegen die Kriegsdrehscheibe US-Air Base Ramstein. Die Air Base ist mit vielfältigen Kommandostrukturen die Einsatz-, Führungs- und Kontrollinstanz weltweiter Kriegseinsätze für die USA/NATO und eine logistische Zentrale. Sie ist Hauptquartier der US Air Forces für Luftwaffeneinsätze in Europa und Afrika. Von Ramstein aus wird Krieg kommandiert, organisiert und durchgeführt.

  • gegen die auch über die Air Base Ramstein organisierte Konfrontationspolitik besonders gegen Russland. Die Air Base ist die Einsatzzentrale für das gegen Russland gerichtete so genannte Raketenabwehrsystem. Auch von der Air Base Ramstein aus werden die NATO-Truppen und Manöver an der Grenze zu Russland koordiniert.

  • gegen eine immer unerträglicher werdende Belastung von Natur und Umwelt, die vor allem für die Bevölkerung in der Region Kaiserslautern zu gravierenden gesundheitlichen Belastungen führt.

Dabei kann die Kampagne Stopp Air Base Ramstein sogar auf Artikel in der Lokalzeitung DIE RHEINPFALZ zurückgreifen.

Mit ihren Massenaktionen in den 1980er Jahren hat auch die deutsche Friedensbewegung wesentlich dazu beigetragen, dass der INF-Vertrag zustande kam und die bodengestützten Mittelstreckenraketen der Typen Pershing II und Cruise Missile (Marschflugkörper) abgezogen wurden.

Nur durch umfassende Aufklärung der Bevölkerung und gut organisierten gemeinsamen Widerstand können wir die Stationierung des THAAD-Raketensystems vielleicht doch noch verhindern, denn die von den Atombombern des Typs B-52H Stratofortress mitgeführten, atomar bestückten Marschflugkörper sind schon einsatzbereit und können jederzeit auch im Luftraum über Europa gestartet werden.

Bereits im Juli 2018 haben wir Folgendes vorgeschlagen: Die Kampagne Stopp Air Base Ramstein kann also nur dann sinnvoll weitergeführt werden, wenn auch sie mithilft, die Forderung zu propagieren, die zur Hauptforderung der deutschen Friedensbewegung werden sollte: Durch Kündigung des Stationierungsvertrages muss durchgesetzt werden, damit alle Truppen der USA und anderer NATO-Staaten aus der Bundesrepublik Deutschland abziehen, und die Bundesrepublik Deutschland muss aus der NATO austreten – also: NATO raus und raus aus der NATO!




Mit Dank übernommen von LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein – dort veröffentlicht am 26.10.2018 (mit zusätzlichen Hinweisen)
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP14118_261018.pdf



Siehe auch:


NATO raus – raus aus der NATO
Initialzündung für eine Kampagne der Friedensbewegung
NRhZ 551 vom 02.03.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22582

Der Kampf um eine wirksame Friedensbewegung
Nun die Kündigung des Truppenstationierungsvertrages zur zentralen Forderung machen!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 679 vom 24.10.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25318

Stopp-Ramstein-Planungskonferenz am 28.10.2018 in Frankfurt
Kündigung des Truppenstationierungsvertrages zur zentralen Forderung gemacht
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 680 vom 31.10.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25339

Online-Flyer Nr. 680  vom 31.10.2018



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