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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Medien
Beschwerden gegen manipulierende Berichterstattung von ARD-aktuell mit ihrer Tagesschau
Gegen die Macht um Acht
Von Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer

ARD-aktuell setzt propagandistische Wortschöpfungen wie "Kurdenenklave" mit ihren giftigen Widerhaken in die Welt und stützt sich in ihren Beiträgen einseitig auf westliche Informationen und auf Informationen und Filmmaterial aus Terroristenkreisen. Darum geht es in dieser Woche bei den Programmbeschwerden, die Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer beim NDR-Rundfunkrat eingereicht haben. "Die ARD-Nachrichten sind der Taktgeber für die meisten Medien der Bundesrepublik Deutschland. Wer sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt, der kritisiert den Kern des deutschen Journalismus. Die Tagesschau-Maschine ist weder verlässlich noch neutral und keinesfalls seriös. Sie ist nur wenig Anderes als eben fünfzehn Minuten Staatsfunk." So heißt es im Vorwort des im Mai 2017 erschienenen Buches "Die Macht um acht - Der Faktor Tagesschau" von Uli Gellermann, Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam. Die eingereichten Programmbeschwerden sind zu den "fünfzehn Minuten Staatsfunk" ein notwendiger Kontrapunkt.


"'Kurdenenklave' - Stuss – oder Perfidie – mit einem Wort" - Programmbeschwerde gegen Tagesschau- und tagesschau.de-Veröffentlichungen vom 19.02.2018 - eingereicht am 21.02.2018


Screenshot aus 20-Uhr-Tagesschau vom 19.02.2018


Screenshot aus tagesschau.de-website vom 19.02.2018

Sehr geehrte Rundfunkräte, erlauben Sie die schlichte Rückfrage: Wenn´s bei ARD-aktuell schon im Kleinen nicht sauber klappt, wie sollte es dieser Redaktion dann im Großen gelingen? Guckt eigentlich der promovierte Chefredakteur Gniffke die Sendungen selbst noch an, die er zu verantworten hat? Wissen Sie was darüber? Oder ist Ihnen das inzwischen auch schon egal?

Text einer Studiomeldung am 19. Februar in den Tagesschau-Ausgaben 17 Uhr und 20 Uhr (frühere Sendungen dieses Tages haben wir nicht mehr überprüft):
    Einen Monat nach Beginn der türkischen Offensive in Nordsyrien will die Regierung in Damaskus offenbar die kurdische Miliz YPG unterstützen. Syrische Medien berichten über eine entsprechende Einigung. Danach sind regierungstreue syrische Kräfte bereits in dem Gebiet im Norden im Einsatz. Sie stünden kurz vor dem Einmarsch in die umkämpfte Enklave Afrin (...)
Auch auf der Internet-Seite tagesschau.de wird der Quatsch verbreitet:
    Syriens Kurden und die Regierung in Damaskus haben sich über die Entsendung von regierungstreuen Kräften nach Afrin geeinigt, um dort den Luftraum und die Grenze gegen türkische Angriffe zu verteidigen. Nach einem Bericht des syrischen Staatsfernsehens stehen regierungsnahe Truppen, so genannte Volkskräfte, kurz vor einem Einmarsch in die kurdische Enklave Afrin im Nordwesten des Landes.
Zwar verläuft die Grenze zwischen der Türkei und Syrien in dieser Region nicht geradlinig, sondern das syrische Afrin ragt etwas ins türkische Staatsgebiet hinein, so wie Tschechien im Oberfränkischen in das deutsche Gebiet hineinragt; die syrische Provinz Afrin liegt aber nicht als vom Mutterstaat vollständig abgetrennte Insel im türkischem Staatsgebiet. Erst dann könnte von einer „Enklave“ gesprochen werden. Das hätte die Tagesschau-Redaktion mit einem Blick auf ihre eigene Landkarte feststellen können, mit der sie ihre Meldung illustrierte.

Hilfreich wäre ein zweiter Blick in den Brockhaus gewesen, bitte nachschlagen unter „E“ (wie „Eselei“). Aber dazu langt es offenbar zeitlich in der Redaktion nicht mehr, und nicht mal die jederzeit greifbare Wikipedia wurde zu Rate gezogen:

Eine Enklave (von französisch enclaver, ‚umschließen‘) ist ein Staatsgebiet, das vollständig vom Gebiet eines anderen Staates umschlossen ist, also keine Grenze zu einem zweiten Staat und keinen eigenen Zugang zur hohen See hat. Beispiele sind Büsingen am Hochrhein, Lesotho, San Marino und die Vatikanstadt. (1)

Am 20. Februar wurde der „Enklave“-Quatsch bei ARD-aktuell noch immer nicht abgestellt, sondern in einer neuen Variante geboten: „Kurdenenklave“. Sowohl in der Studiomeldung als auch als Schriftzug auf zwei Fotos zur Hintergrund-Illustration. Ein halbwegs nachdenklicher Redakteur hätte den Stuss schon deshalb nicht verzapft, weil selten verwendete Fremdwörter in einer Informationssendung für ein Millionenpublikum nichts verloren haben.

Pure Gedankenlosigkeit von gestressten Nachrichtenredakteuren? Die neue Wortverbindung „Kurdenenklave“ nährt einen anderen Verdacht: Sie ist typisch für die Sprachschöpfungen der prowestlichen Nachrichtenagenturen, und die dienen nun mal dem Transport transatlantischer Propaganda.

Die USA wünschen sich schon lange ein kurdisches eigenstaatliches Gebilde in dieser Region, weil es einen Dauerkonflikt begründen würde zwischen Türken, Syrern, Irakern, Iranern, Armeniern und Aserbeidschanern; „balkanisieren“ ist seit der Zerschlagung Jugoslawiens der gebräuchliche Begriff für diese Politik. „Teile und herrsche“: Die Scheingründe für ein permanentes militärisches Engagement der USA zur Kontrolle der gedamten Region wären geschaffen. Das entsprechende Interesse Washingtons ist nachweisbar, Außenminister Tillerson hatte erst jüngst angekündigt, eine kurdische 30 000 Mann starke „Grenztruppe“ in Nordsyrien schaffen zu wollen. Die plötzlich häufige Verwendung von „Kurdenenklave“ passt gut in den Rahmen einer US-konformen Akzeptanzstrategie.

Kritische Distanz zu Dergleichen und Nachdenklichkeit bei der Arbeit sind allerdings nicht Sache von Qualitätsjournalisten der ARD-aktuell. Die haben für sowas keine Zeit. Sie müssen als Wasserträger Einsatz zeigen. Und liefern nur Gründe für Beschwerden über die Verletzung ihrer staatsvertraglichen Pflichten. Zu nennen sind besonders die Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit, Sachlichkeit, Vollständigkeit der Informationen, Verarbeitung nach „anerkannten journalistischen Grundsätzen“. Zu denen gehört es nicht, entweder nur idiotische oder gar doch perfide propagandistische Wortschöpfungen wie „Kurdenenklave“ mit ihren giftigen Widerhaken in die Welt zu setzen.

1 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Enklave


"Ost-Ghouta" - Programmbeschwerde gegen 20-Uhr-Tagesschau vom 21.02.2018 - eingereicht am 22.02.2018



Screenshot aus 20-Uhr-Tagesschau vom 21.02.2018

Sehr geehrte Rundfunkräte, der Beitrag vom 21.2. 2018 enthielt zwei Filme, die von Terroristen-Unterstützern produziert wurden. Das „Erbin City Media Office“ wird von ausländischen Staaten der „Westlichen Wertegemeinschaft“ finanziert und ist schon aus diesem Grund keine glaubwürdige und unabhängige Quelle. Sie sprudelt im Sumpf der Dschihadisten, die von der Gniffke-Organisation so gern als „moderate Rebellen“ verklärt werden. (1)

Die Verwendung derartiger Quellen ohne Offenlegung ihres Charakters ist ein gravierender journalistischer Regelverstoß und hat mit unabhängiger Berichterstattung nichts zu tun.

Entsprechendes gilt für die „White Helmets“ und deren Film-Schnipsel. Auch dieser „Hilfsdienst“ wird von westlichen Staaten (USA, England, Deutschland) finanziert. Auch er gilt als terrorismusnah und ist ausschließlich in terroristisch beherrschten Regionen Syriens aktiv. Dies im Beitrag über den Beschuss Ost-Ghoutas unerwähnt zu lassen, verstößt gegen das gesetzlich verpflichtende Gebot, „umfassend“ und „der Wahrheit verpflichtet“ zu informieren.

Wie über Jahre üblich, verschwieg ARD-aktuell auch in diesen Nachrichten wesentliche Zusammenhänge. Das geschieht offenbar in der Absicht, dem Zuschauer eine Alternativen ausschließende, äußerst einseitige Interpretation der Vorgänge zu oktroyieren und ihn daran zu hindern, sich eine selbstständige Meinung zu bilden. Er soll sich nicht die Frage stellen, wer für was in Syrien verantwortlich ist, welchen gravierenden Schuldanteil z.B. die USA und die Westliche Wertegemeinschaft WWG an dem entsetzlichen Elend haben. Völkerrechtliche Grundsätze – die Handlungen der syrischen Armee und der russischen Streitkräfte sind legal und weitgehend legitim, die Aktionen der USA und ihrer „Koalition“ inkl. Bundesrepublik Deutschland sind völkerrechtswidrig und auch nicht legitim, in Fällen wie Deir Ez-Zur kriegsverbrecherisch – spielen für ARD-aktuell ersichtlich keine Rolle.

ARD-aktuell hätte in diesem – wie auch in allen anderen Beiträgen über Ost-Ghouata – zusätzlich andere Quellen verwenden müssen (z.B. syrische oder russische), um ein Mindestmaß an ausgewogen-sachlicher Darstellung zu sichern und eigene Unparteilichkeit zu zeigen. Folgende für eine stimmige Situationsbeschreibung erforderlichen Informationen, verfügbar in anderen als den „transatlantisch“ orientierten Quellen, wurden von ARD-aktuell vollkommen unterschlagen:

Die syrische Regierung hatte monatelang vergeblich mit den in Ghouta eingeschlossenen Terroristen verhandelt, die Waffen niederzulegen, wie das für die übrigen so genannten De-Eskalationszonen vereinbart worden war. Die Terroristen haben das verweigert. Sie haben vielmehr aus ihren Stellungen heraus immer wieder die östlichen Stadtgebiete von Damaskus mit Artillerie und mit Raketen beschossen. Dieser Dauerbeschuss hat ungezählte Tote unter der Zivilbevölkerung in Damaskus verursacht. Das mörderische Feuer der Terroristen musste einmal beendet werden.

Russland hat eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt, um dies und die Gesamtsituation zu klären. (2)

Statt solcher sauberen und für das Verständnis der Lage erforderlichen Sachinformation liefert ARD-aktuell emotionalisierenden Schund nach dem gleichen propagandistischen Muster wie bei der Befreiung Ost-Aleppo. Frontberichte, in denen das Leid der Zivilbevölkerung propagandistisch gegen die syrische Armee ausgespielt wird; der Armee wird blanke Eroberungslust unterstellt, als ob es nicht darum gehe, das von Terroristen zerrüttete Staatswesen wiederherzustellen und dem Terror ein Ende zu machen, der von den Dschihadisten in Ost-Ghouta für die Menschen in Damaskus ausgeht. Das Leid der Zivilbevölkerung (getötete und verletzte Kinder sowie Krankenhäuser unter Beschuss werden stets nachdrücklich hervorgehoben) dient journalistischer Effekthascherei, soll Stimmung gegen diejenigen machen, die bemüht sind, die jahrelang vom Westen unterstützten Terroristen, Söldner und Dschihadisten in Ost-Ghouta niederzuschlagen. Ekelhaft, wie das Ganze noch als journalistisches Engagement für Menschlichkeit im Krieg ausgegeben wird.

Nach aller Erfahrung in der Auseinandersetzung mit Ihnen, den Rundfunkräten, über die miesen Produkte dieser Qualitätsredaktion wird es nichts bewirken, aber wir tun es trotzdem: Wir zeigen den Rahmen auf, in dem die Berichterstattung der ARD-aktuell steht.

Die höchst unterschiedliche und partiell fälschliche Darstellung über die Befreiung der Großstädte Aleppo und Mossul offenbart, dass hier ein empörender Journalismus nach Doppelstandards praktiziert wurde. Das ist u.W. inzwischen sogar wissenschaftlich gesicherter Kenntnisstand. Muster: Russen und syrische Armee haben Ost-Aleppo rücksichtslos zerbombt und die Zivilbevölkerung massakriert, um der „Rebellen“ Herr zu werden. Mossul hingegen wurde von den USA und ihren Verbündeten von IS-Terroristen befreit, zivile Opfer waren bedauerlicherweise unvermeidlich.

Die Schlacht um Mossul, wo sich nach Schätzung westlicher Geheimdienste 7000 bis 10000 Dschihadisten des "Islamischen Staates" (IS) unter rund eineinhalb Millionen Einwohnern verschanzt hatten, wurde seitens der ARD-aktuell durchgehend begrüßt. Dagegen wurde die syrisch-russische Offensive zur Befreiung Ost-Aleppos aus den Händen von rund 8000 Terroristen als grausamer und verbrecherischer Angriff auf die „Opposition“, die "Rebellen" oder gar die Bevölkerung der Stadt verurteilt. Die Identität dieser "Opposition" wie auch ihr tatsächliches Verhältnis zur Bevölkerung, die zu diesem Zeitpunkt noch 150000 bis 200 000 Menschen zählte, blendete man dabei aus. Die Berichterstattung orientierte sich an den (geo)strategischen Interessen derer, die Assad stürzen möchten, nicht am tatsächlichen Kriegsgeschehen. (3)

Fazit: Auch im Fall Ost-Ghouta bleibt ARD-aktuell ihrer propagandistischen Linie treu. Die Opfer des Krieges werden nur dann angesprochen und gezeigt, wenn abträglich über die syrische Armee und über die russischen Interventionskräfte berichtet werden soll. Grundsätzlich wird nicht dargestellt, welche Motive und Interessen die Kriegsparteien und ihre politischen Hinterleute haben. Es wird auch grundsätzlich nichts über die US-amerikanischen Gründerväter der Terror-Organisationen von al-Kaida über al-Nusra bis IS mitgeteilt. Das propagandistische US-Konzept von einem angeblich notwendigen „Regime-Change“ in Syrien gemäß einer vorgeblichen „Schutzverantwortung“ („R2P“) ist kritiklos in die Berichterstattung der ARD-aktuell integriert.

Die Redaktion stützt sich in ihren Beiträgen einseitig auf westliche Informationen und auf Informationen und Filmmaterial aus Terroristenkreisen. Dafür werden unverantwortlicherweise auch Rundfunkgebührengelder verwendet, die damit letztlich Terroristen zugute kommen. Zugleich unterschlägt die Redaktion wesentliche Informationen. Nicht Aufklärung und rationale Faktendarstellung werden geboten, sondern an Gefühle appellierende Propaganda. (4)

Die Verstöße gegen den Programmauftrag und gegen die Programmrichtlinien gem. NDR-Staatsvertrag sind nicht zu übersehen.
 
1 https://translate.google.de/translate?hl=de&sl=en&u=https://southfront.org/how-pro-al-qaeda-propaganda-videos-are-made/&prev=search
2 Quelle u.a.: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/02/22/un-soeldner-setzen-menschliche-schutzschilde-in-ost-ghouta-ein/?nlid=bb935694fb
3 Quelle: https://www.infosperber.ch/Artikel/Medien/Aleppo-Mossul-Kriegsberichte-Doppelmoral-und-Propaganda
4 siehe auch: https://www.heise.de/tp/features/Ost-Ghouta-Die-Hoelle-und-der-Tunnelblick-3975680.html

Online-Flyer Nr. 649  vom 28.02.2018



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