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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Das Recht auf Heimat
Von Evelyn Hecht-Galinski

Als Kanzlerin Merkel, ganz die Alte, auf dem heutigen CDU-Parteitag in Berlin die Weichen stellte für die "christliche Menschenwürde", da war die Verlogenheit dieser Aussagen so eklatant, dass man sich nur noch angeekelt abwenden konnte. Dann warnte auch noch die Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor einer "Entchristlichung" der Gesellschaft, die sich nicht zu ihrer christlichen Identität bekennt. Als sie auch noch auf die vom "Christentum geprägte Geschichte" verwies, zu deren Werten sich alle Christen, auch Politiker, öffentlich bekennen sollten, dann kann ich nur sagen, diese Kulturstaatsministerin sollte umgehend zurücktreten, weil sie nichts von Kultur versteht, denn die hat absolut nichts mit religiösen Werten zu tun.

Schon der Beginn mit einem "ökumenischen Gottesdienst" zeigt doch, dass diese Partei im Grunde für jeden Bürger, der sich nicht Gott, sondern den demokratischen "Werten" verpflichtet fühlt, eigentlich nicht wählbar ist. Mir ist es schleierhaft, wie nicht-christliche Bürger eine Partei wählen können, die sich "Kreuz schlagend" vor einem Parteitag auf die "christlichen Werte" einschwört. Für mich als "atheistische Laizistin" schon unerträglich, wie aber muss es erst Muslimen oder Juden ergehen?

Auch wenn die CDU das "Christliche“ in ihrem Namen führt, ist es doch nicht die Aufgabe einer Partei, dieses Christentum in die Politik zu bringen. Mich erinnert diese Zeremonie sehr an US-Politiker, die diese Art religiöser Motive schon von Beginn an in die USA brachten.

Obwohl der Vertreter der Bischofskonferenz in Berlin, Prälat Karl Jüsten, die richtigen Worte fand, indem er darum warb, die verschiedenen Interessen von Christen, Muslimen, Juden, Andersgläubigen, Agnostikern und Ungläubigen zusammenzubringen und als Ziel des Koalitionsvertrags die "unterschiedlichen, bisweilen widerstrebenden Anforderungen und Interessen auszugleichen“ pries, so meine ich trotzdem, dass ein Gottesdienst nicht das geeignete Instrument sein sollte, um Politik auf einem Parteitag zu beginnen.

Wenn man also den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit auf seine Fahne schreibt, sollte man nicht Israel-Kritiker, BDS-Unterstützer und Palästina-Aktivisten als Antisemiten verunglimpfen und ihnen Veranstaltungsräume verweigern. Schließlich setzen gerade sie sich für Frieden und Gerechtigkeit ein.

Würde der Palästinenser vergessen?

Wenn die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Merkel die "christliche" Menschenwürde als Fundament und Kompass für die Würde des Menschen in Freiheit und Sicherheit anspricht, dann vergisst sie dabei allerdings immer wieder – ganz nach ihrem "christlich-zionistischen " Weltbild – die Freiheit Palästinas und die Würde der Palästinenser!

Mit Phrasen wie "Integrationsverweigerung", Leitplanken, Regelwerk, vertuscht sie doch eine völlig gescheiterte Integrationspolitik.

Dann appellierte noch der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, an die große Verantwortung als Parteimitglied und als "Christenmensch". Er erinnerte daran, dass es für Juden und Christen geboten sei, Geflüchteten Schutz zu gewähren. Schöne Worte, aber so weltfremd! Er sollte sich darüber informieren, wie dieser „Schutz“ für Geflüchtete gerade momentan im "Jüdischen Staat" abläuft, wo es massenhafte Ausweisungen von schwarzen Flüchtlingen geben soll, die nur die Wahl habe zwischen Ausweisung oder Gefängnis.

Vermisst habe ich auf diesem "christlichen" Parteitag die Verurteilung des "Jüdischen Staates" für seinen neuen Gesetzentwurf, der die staatliche Enteignung von Grundstücken der Kirchen ermöglichen soll, sowie die Verhängung von städtischen Gebühren an die Kirchenverwaltungen, die damit gegen den "Status Quo" verstoßen, und als eine systematische Kampagne gegen Kirchen und die christliche Gemeinde im "Heiligen Land" anzusehen ist.

Wie Kirchenvertreter in einem Schreiben darlegten, ist dieses Gesetz "diskriminierend und rassistisch" und tritt die Beziehungen zwischen den christlichen Gemeinden und den israelischen Behörden mit Füßen. Aus Protest gegen diese Willkür wurde die Grabeskirche, die als wichtigste Stätte des Christentums gilt unbefristet geschlossen. Wo blieb die deutsche "christliche Solidarität" mit den Kirchen im "Heiligen Besatzerland" und warum wurde diese israelische Provokation auf dem Parteitag nicht thematisiert?

Nach den rassistischen jüdischen Extremisten-Provokationen auf dem Haram al-Sharif gegen Muslime und deren Heiligtümer trifft es jetzt die Christen im "Jüdischen Staat". Was muss eigentlich noch passieren, bis die deutschen Politiker und Werteheuchler reagieren und sich zu Sanktionen gegen dieses Besatzer-Regime aufraffen?

Recht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre Heimat

Das führt mich nach Palästina, wo die Umsetzung der Resolution 194 der UNO- Generalversammlung immer noch auf ihre Umsetzung wartet, nämlich das legale Recht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre Heimat Palästina durchzusetzen. Gerade in diesem Jahr 2018, wo christliche Politiker zusammen mit jüdischen Funktionären und Vertretern des "Jüdischen Staates" die Gründung Israels vor 70 Jahren feiern werden, und die ausblenden, dass diese Staatsgründung am 15.Mai 1948 die Nakba, die Katastrophe, und die ethnische Säuberung Palästinas einleitete.

Ist es das "christliche Weltbild" und sind es "christliche Werte", wenn sich diese „christlichen“ Politiker ihre Feierlaune nicht verderben lassen wollen wegen Flucht und Vertreibung von mehr als 900.000 Palästinensern aus ihrer Heimat und wegen der hunderten von der "israelischen Verteidigungsarmee" dem Erdboden gleichgemachten Dörfern?

Damals wurde ganz nach dem Wunsch der Gründerväter der Grundstein für die Judaisierung Palästinas geschaffen, einem jüdischen Land mit palästinensischer Minderheit. Die verbliebenen wurden bis 1966 einer zionistischen Militärregierung unterstellt, die seit 1967 zu einem in seiner Brutalität einmaliges Besatzungsregime wurde.

Tatsächlich wurde der "Jüdische Staat" nur unter der Voraussetzung in die UNO aufgenommen, dass die Resolution 194 vom 11.Dezember 1948 umgesetzt wird, und den palästinensischen Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat Palästina gestattet oder die nicht Rückkehrwilligen für den Verlust ihres Eigentums entschädigt werden. (1)
Seitdem ist der 11. Dezember für Palästinenser ein Tag des Protests. Auf der ganzen Welt demonstrieren Palästinenser für die Umsetzung ihres Rechts auf Rückkehr in ihre Heimat und wir alle sollten sie dabei unterstützen.

Wen wundert es da, dass den Palästinensern dieses Recht von den jüdischen Besatzer-Regimen verweigert wird, würde die Anerkennung doch die gesamte historische Aufarbeitung der Nakba-Verbrechen nach sich ziehen, die längst überfällig ist.

Seit 70 Jahren wird ihnen dieses Recht auch mit Hilfe der "christlich-jüdischen Wertegemeinschaft" verweigert. Aber mit dem Schlüssel als Symbol der Rückkehr in der Hand, geben sie nicht auf, und es ist mehr als selbstverständlich, dass dieses Rückkehrrecht auch für die Nachfahren der Vertriebenen gilt. Es geht nicht um den „Wunsch“ der Israel-Lobby, dass die arabischen Staaten die Flüchtlinge einbürgern sollten, sondern um die sofortige Umsetzung der UN-Resolution 194 und die Durchsetzung des verbrieften Rechts auf Rückkehr.

Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist die wichtige Tatsache, dass diese Resolution nur einen Tag nach der "Erklärung der Menschenrechte" einstimmig(!) verabschiedet worden war, die ganz eindeutig Artikel 13 bestätigt, dass "jeder das Recht hat, ein Land zu verlassen, einschließlich sein eigenes, und zu seinem Land zurückkehren darf".

Dieses Recht verhinderten jüdische Regime bis heute, indem sie 1950 in der Knesset zwei völlig völkerrechtswidrige Gesetze –"Law of Return" und "Absentee Property Law" – verabschiedeten, die allein die "jüdische Rückkehr“ aus aller Welt garantieren, während sie die "abwesenden" Palästinenser enteigneten.

Solange die heuchlerische Staatengemeinschaft nicht endlich dieses Unrecht löst, kann und wird es keinen Frieden geben.

Tatsächlich sehen wir heute immer mehr, dass weder die USA noch der "Jüdische Staat“ an einem Frieden interessiert sind, der den palästinensischen Menschen die Freiheit bringt.

Nachdem US-Präsident Trump Jerusalem als Hauptstadt des "Jüdischen Staates" anerkannt hat und ankündigte, den Umzug der US-Botschaft von Tel-Aviv nach Jerusalem als "Geburtstagsgeschenk" am 14. Mai 2018 vollziehen zu wollwn, ist das Netanjahu-Regime vor Freude nicht mehr zu bändigen. Netanjahu nannte diese Nachricht "historisch" für das "jüdische Volk"(!) und kündigte direkt neue – völkerrechtswidrige – Siedlungen an. So können beide "Staatsmänner" perfekt von ihren Schwierigkeiten ablenken.

Ekelhafte Scheinheiligkeit

Wie können wir es hinnehmen, dass die westliche Allianz, besonders Deutschland, es hinnimmt, dass den Palästinensern ihre verbrieften Rechte verweigert werden, während dem "Jüdischen Staat" als "Wiedergutmachung" der deutschen Verbrechen im Holocaust jedes Recht, besser Unrecht zugestanden wird? Man kann sich nur mit Abscheu abwenden vor solcher ekelhaften Scheinheiligkeit. Wäre es nicht 73 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz endlich an der Zeit, den Palästinensern als letzte unschuldige Opfer von Hitler ihre Rechte zu gewähren?

Vergessen wir nie, es gibt keine "jüdische Identität", es gibt kein "jüdisches Volk" sondern nur eine jüdische Religion sowie eine israelische Identität, die allerdings durch die Forderung nach Anerkennung als "Jüdischer Staat" unbedingt durchgesetzt werden soll. Damit hat sich der "Jüdische Staat" endgültig als „Demokratie“ disqualifiziert!

Durch die fortgesetzte Unterdrückung und illegale Besatzung Palästinas haben sich die Nachfahren der Opfer zu Tätern gemacht, denen nur mit Recht auf Widerstand zu begegnen ist.

Ohne die machtpolitischen Interessen der USA und der westlichen "Werteallianz" wäre diese mörderische Vertreibungs- und Besatzungspolitik nicht möglich. Sie haben die jüdischen Regime zu Bollwerken gegen die angebliche "islamische Bedrohung" gemacht, noch grausam verstärkt nach 9/11.

Dieser Rassismus, der sich gegen Muslime und den Islam richtet, ist inzwischen zu einem "Anti-Terror-Krieg der Kulturen“ geworden, der kaum mehr zu stoppen ist, da sich inzwischen so viele Staaten und Bürger von diesem Virus haben infizieren lassen. Eine mehr als gefährliche Strategie, die uns noch viel Leid bringen wird.

So steht uns noch einiges bevor, wenn der "bayerische Albtraum" Horst Seehofer, als neuer Superminister für "Inneres, Heimat und Bauen“ übernimmt. Ganz in miefiger Tradition an das bis 1969 bestehende Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Ich erinnere mich noch mit Grauen, an den damaligen Bund der Heimatvertriebenen, der von Kanzler Adenauer an der Regierung beteiligt wurde. Es war ein revanchistischer Haufen von ewig Gestrigen, der die Politik massiv beeinflusste und die Ostverträge bekämpfte, dafür die Wiederbewaffnung unterstützte, und war schon damals alles ganz im Sinne der Bayerischen Staatsregierung, die diese Heimatvertrieben-Verbände immer besonders unterstützte.

„Heimatrecht als ein Menschenrecht“

Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Interview, das Edmund Stoiber als damaliger bayerischer Ministerpräsident der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) 2007 gab, indem er „Heimatrecht als ein Menschenrecht“ bezeichnete. Er bezog sich allerdings als Schirmherr des Sudetendeutschen Tags, auf das „widerfahrene Unrecht“, dass diesen Heimatvertriebenen in der Tschechischen Republik widerfahren war. Aus diesem Grund hatte die CSU im Europäischen Parlament der Aufnahme der Tschechen in die Europäische Union nicht zugestimmt. Wäre es nicht an der Zeit, dieselben Forderungen an den „Jüdischen Staat“ zu stellen, sich endlich vorbehaltlos und ideologiefrei mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen, da das Recht auf Heimat zur fundamentalen Frage der europäischen Wertegemeinschaft zu den Menschenrechten gehört. Stoiber ging es damals darum, dass die Tschechische Republik offen und objektiv an die Vertreibung herangeht.

Nichts anderes sind unsere Forderungen an den „Jüdischen Staat“, die endlich auch von deutschen Politikern gestellt werden sollten!

Wenn jetzt also ein bayerischer CSU-Minister Seehofer in das neu, geschaffene "Super Ministerium“ ganz nach US-Vorbild "Heimatschutz" einziehen wird, dann ist das ein mehr als bedenkliches Zeichen in Sachen Flüchtlings-und Integrationspolitik. Wird dann die bayerische „Un-Kultur“ der Bierzelte nach Berlin kommen, die zwischen Dirndl, Bier, Jodler und die neue "Leitkultur" vermitteln soll?

So sind wir wieder beim Recht auf Heimat, dem Recht auf Rückkehr, das die Vereinten Nationen für die vertriebenen Palästinenser beschlossen haben, aber auf das sie bis heute warten.


Fussnote:

http://www.freunde-palaestinas.de/al-nakba/172-das-rueckkehrrecht-der-palaestinensischen-fluechtlinge.html



Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)


Online-Flyer Nr. 649  vom 28.02.2018

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