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Krieg und Frieden
Zivilklausel-Bewegung mit enormen Schwächen: Aber Lichtblick im Osten und DFG-VK-Protest über einen Zivilklausel-Verstoß im Westen
Die Zivilklausel bewegt sich wenig
Von Dietrich Schulze

An den bundesweiten Zivilklausel-Verteiler [1a] hat der Autor am 15. Januar zur Lage geschrieben: „WebDoku Auszug zur Zivilklausel für 9 Monate [1b] mit letztem bundesweitem Zivilklausel-Arbeitstreffen im Februar 2017 in Bremen. Wann und wo ist nächstes Arbeitstreffen? Keine Ahnung.“ Wer die Szene kennt, konnte aus Frage und Antwort eine Ironie über die gegenwärtige Untätigkeit erkennen. Das lautstarke Schweigen der Zivilklausel-Bewegten auf dieses Email seit drei Wochen bestätigt die begründete Vermutung. Der Lateiner sagt dazu „quod erat demonstrandum“. Mehr darüber später. Hier zwei aktuelle positive Nachrichten, wie sie in der Collage ins Bild gesetzt wurden. Am 17. Januar beschloss der Senat der Hochschule Magdeburg-Stendal eine vorbildliche Zivilklausel. Am 26. Januar kritisierte die DFG-VK Münster den Verstoß gegen die gültigen Zivilklauseln von Uni Münster, FH Münster und Kunstakademie Münster. Die Räumlichkeiten des Studierendenwerks wurden einer Marketing- & Eventagentur für eine Abiturient*innen Recruiting Messe mit Bundeswehr-Werbung zur Verfügung gestellt.


Collage: Dietrich Schulze [3b]

Diese beiden Ereignisse vor allem haben mich zu diesem NRhZ-Artikel veranlasst. Wer Positives in einer Welt voll Kriegspolitik mit massiver deutscher Beteiligung übersieht oder gering schätzt, wie soll der Mitmenschen gewinnen können, an einer Welt des Friedens, der Verständigung und der Gerechtigkeit mitzuarbeiten.

Zivilklausel Hochschule Magdeburg-Stendal

Wohl als Herausgeber der WebDoku (Impressum) erhielt ich Mitte Januar den interessanten Hinweis, dass im Senat eine Zivilklausel beschlossen wurde mit einem beigefügtem Text. Auf der Webseite der Hochschule ist bisher nichts Offizielles zu finden. Da wir in Zeiten der multimedialen Netz-Informationen leben, habe ich aus begründetem Interesse einfach mal gegoogelt und bin auf einen allgemeinen Zivilklausel-Appell vom September 2017 [2a] gestoßen. Dort waren die folgenden Zeilen unter Name Microst und Datum 17. Januar zu finden:

„Der Senat der Hochschule hat vor zwei Stunden gerade meine mit 2 Kollegen eingebrachte Zivilklausel beschlossen: »Forschung, Lehre und Studium an der HS Magdeburg-Stendal sind friedlichen Zielen verpflichtet und sollen zivile Zwecke erfüllen; die Forschung, insbesondere die Entwicklung und Optimierung technischer Systeme, sowie Studium und Lehre sind auf eine zivile Verwendung ausgerichtet. Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Hochschule auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen.« (das Wort: KÖNNEN wurde gestrichen) War mindestens 2/3, ich glaube: nur 2 Gegenstimmen und ca. 4 Enthaltungen. Ich hoffe damit einen kleinen Beitrag für Zivilklauseln geleistet zu haben.“

Aus dem Kontext geht hervor, dass darüber schon seit 2016 diskutiert wurde. Und bereits 2014 war die Zivilklausel Thema einer Vollversammlung des Studierendenrats [2b]. Gut Ding braucht Weile.

Der Autor möchte dazu eine klare Stellungnahme abgeben: Der Zivilklausel-Text ist vorbildlich. Ein echter Lichtblick aus dem Osten.

Zivilklausel-Verstoß Münster

Bereits im Juli 2013 wurde an der Uni Münster [3a] die Zivilklausel beschlossen: »Forschung, Lehre und Studium an der Universität Münster sind auf zivile und friedliche Zwecke ausgerichtet«. Der Kritik an dem zu allgemein formulierten Text wurde begegnet mit der Einführung eines Ethik-Beauftragten und Fragenkatalog des Rektorats mit einem „Formular zum Kriegswaffenkontrollgesetz“. Wenn eine von 3 Fragen mit „Ja“ beantwortet wird, verweigert das Rektorat die Unterschrift unter den Vertrag des Forschungsvorhabens.

Dieses war die 14. Zivilklausel bundesweit. Der Autor analysierte die bundesweite Lage unter dem Titel "Ein Gespenst geht um …“ in einem NRhZ-Artikel [3b]. Dort findet man eine Grafik der 14 Unis und das schöne Bild in der Collage.

Ergänzung: Die Fachhochschule Münster gab sich im Juni 2015 die Zivilklausel: »Die Hochschule stellt ihr Bildungsangebot und ihre Forschung in den Dienst der Menschen. Bildung und Forschung sollen – unter Wahrung der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit – auf friedliche Ziele ausgerichtet sein und sich auf zivile Zwecke konzentrieren.«

Soviel als Vorspann für den am 16. Januar in einer PM [4] der DFG-VK Münster unter dem Titel „Kein Werben fürs Sterben“ veröffentlichten Protest gegen den Zivilklausel-Verstoß der Münsteraner Hochschulen. Es handelt sich um eine Veranstaltung der Marketing- & Eventagentur 'border concepts' in Räumlichkeiten des Studierendenwerks für eine Abiturient*innen Recruiting Messe 'Bachelor and More' mit Bundeswehr-Werbung für 30 Vollzeitstudiengänge.

Es ist überall wichtig, dass die örtliche Friedensbewegung Anteil nimmt und die Militarisierung an den Hochschulen anprangert. Von den Asten der Hochschulen sind bisher keine Stellungnahmen bekannt.

Lage der Zivilklausel-Bewegung

Aus der Feder des Autors wird seit geraumer Zeit über den Niedergang der bundesweiten Bewegung geklagt. Mit Mühe und Not konnte im Februar 2017 an der Hochschule Bremen ein bundesweites Arbeitstreffen durchgesetzt werden. Seit Herbst 2017 gab es Bemühungen um ein neues Treffen ein Jahr danach. Diese wurden aufgrund der gefühllosen Absage des AStA der angepeilten Uni ohne Fortsetzungstendenzen abgebrochen. In Nordrhein-Westfalen wütet die Landesregierung mit dem Ziel, die gesetzliche Zivilklausel vom September 2014 aus dem Hochschulzukunftsgesetz zu beseitigen. Der Passus lautet »Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach. Das Nähere zur Umsetzung dieses Auftrags regelt die Grundordnung.«

Es gibt Protest, wie in der WebDoku ausführlich dargestellt. Aber es gibt keine Initiative für die Einberufung eines landesweiten Protestmeetings. Das ist die gleiche demokratische Katastrophe wie das gegenwärtige Scheitern des bundesweiten Arbeitstreffens. Die Kritik lautet: Nicht Aufhören gegen Kriegspolitik aufzustehen und für den Frieden zu arbeiten. Die Heraushebung der beiden positiven Beispiele dient diesem Ziel. Eine bekannte Stimme mahnt „Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, sondern auch für das, was wir widerspruchslos hinnehmen.“ Ernst Bloch (Philosoph, 1885-1977)


Quellen:

[1a] Zivilklausel@havanna.stupa.etc.tu-bs.de
[1b] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20180115wd.pdf
[2a] https://marktplatz.bewegung.jetzt/t/zivilklausel-an-wissenschaftlichen-einrichtungen-einfuehren/7892
[2b] https://de-de.facebook.com/events/296680187173890/
[3a] http://ufafo.de/blog/2013/07/uni-munster-fuhrt-zivilklausel-ein/
[3b] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19275
[4] https://www.openpr.de/news/990313/Kein-Werben-fuers-Sterben.html


Über den Autor: Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten „Zivilklausel oder Militärforschung“ (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied von NatWiss und publizistisch tätig. Email dietrich.schulze@gmx.de

Online-Flyer Nr. 645  vom 31.01.2018



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