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Globales
In Anbetracht der Bedrohung der öffentlichen Ordnung
Mit Referendum zu Erfolg und Stabilität der Regierung Venezuelas
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Demonstrationen und Gegen-Demonstrationen auf der Straße führen zu nichts. Sie lösen kein Problem. Mit gesundem Menschenverstand und nacktem Realismus ist in der Tat zu erkennen, dass kein politisches oder wirtschaftliches Problem auf der Straße gelöst wird. Im Gegenteil sind Demonstrationen und Gegen-Demonstrationen vor allem in einem aufgewühlten Land wie momentan Venezuela völlig kontraproduktiv, denn sie können für eine unerwünschte Konfrontation mit unsäglichen Folgen das Feld bieten. Präsident Maduro wäre gut beraten, wenn seine Regierung angesichts der Bedrohung der öffentlichen Ordnung den Ausnahmezustand verhängte. Die Unruhe und Gewalt auf den Straßen haben schon mehrere Tote verursacht.

Die Unzufriedenheit der Mittelschicht mit der sozialistischen Regierung Venezuelas hat zugenommen, seitdem Lebensmittel in den Regalen der Supermarkt-Ketten fehlen. Dieses Phänomen hat Chile schon erlebt in den Tagen vor dem Putsch 1973 gegen den damaligen legitimen sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Das Verschwinden von Lebensmitteln stachelte damals auch die Wut vieler Bürger gegen die amtliche Regierung Chiles an. Am Tag nach dem Putsch kehrten wie durch ein Wunder alle Waren in die Geschäfte zurück.

Die venezolanische Regierung baut auf eine Mehrheit im Parlament, so dass sie aus dieser institutionellen Ecke kein negatives Votum zu befürchten hat. Im Fall Chiles hatte die sozialistische Regierung Allendes keine Mehrheit im Kongress. Deshalb versuchten damals (1973) Christdemokraten zusammen mit rechten nationalistischen Parteien durch einen parlamentarischen Beschluss, den Präsidenten zum Rücktritt zu zwingen. Der Versuch scheiterte an der fehlenden, dazu erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit. Deshalb blieb den reaktionären Kräften nur die brutale Gewalt, der Militärputsch. Mit ihrem Aufstand gegen die legitime Regierung Salvador Allendes haben die Streitkräfte Chiles die lange demokratische Tradition des Landes brutal mit Terror gebrochen.

In Venezuela sieht es heute anders aus. Dort steht das Militär an der Seite der Regierung von Nicolás Maduro. Der Präsident könnte das Land unter Ausnahmezustand zum Referendum aufrufen, wobei sich die Bevölkerung über die Kontinuität der sozialistischen Regierung auszusprechen hätte bis Ende der Amtsperiode des amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro gemäß der Verfassung des Landes oder falls sie dagegen stimmten, für ihr vorzeitiges Ende und vorzeitige Neuwahlen. Der abzusehende Triumph eines Ja für die Regierung Maduros wäre eine kräftige Zurückweisung der illegitimen Opposition auf der Straße. Sie würde aber vor allem Washington und seine ausländischen Medien in die Schranken weisen, die hinter dem hinterhältigen Versuch stehen, in Venezuela einen gewaltsamen Regierungswechsel hervorzurufen, um ein Vasallenregime in Caracas zu installieren. Die reaktionären Kräfte würden so gezwungen, die Stimme des venezolanischen Volkes zu respektieren. Sonst entlarven sie sich öffentlich als brutal faschistische Kräfte, die sie in Wirklichkeit sind.

In Chile, wo die Lage im September 1973 von reaktionären Kräfte - unterstützt von der Nixon-Regierung Washingtons - auch zur Konfrontation aufgehetzt wurde, hatte der Präsident Allende ein Referendum oder Plebiszit geplant. Der terroristische Sturz des vom Volk gewählten Präsidenten war nicht nur absolut unverhältnismäßig, sondern völlig unbegründet, denn der chilenische Präsident war vorher bereit, dem Volk per Plebiszit über seine weitere Regierung die Entscheidung zu überlassen. Es war in der Tat vorgesehen, der Präsident würde am jenen Dienstag, den 11.September 1973, das Plebiszit ankündigen. Die Militärgewalt und der Putsch verhinderten diesen geplanten demokratischen Ausweg aus der Krise unter dem chilenischen Präsidenten Salvador Allende. Der terroristische militärische Sturz von Präsident Salvador Allende wurde schon lange vor Allendes Amtsantritt erdacht und geplant. Was diesen Militärputsch betrifft, ist die Figur von General Pinochet absolut sekundär, völlig unbedeutend. Jedoch versucht die öffentliche Aufmerksamkeit hierzulande bis heute, den Hintergrund der kurzen sozialistischen Zeit in Chile (1970-1973) zu ignorieren und lediglich die schreckliche Konsequenz zu betrachten: Die Diktatur General Pinochets und die Gräueltaten dieser deplatzierten, 17 Jahre langen Episode (1973-1990) in der Geschichte Chiles. Das öffentliche Schweigen über den Präsidenten Allende ist endlich zu brechen und ihn in den Vordergrund zu stellen, anstelle des verräterischen Generals, der die mediale deutsche Aufmerksamkeit anzieht.

Die sozialistische venezolanische Regierung hat dieses brutale Kapitel der jüngsten Geschichte Chiles sicherlich ausführlich studiert, um gegen die inländische und ausländische Reaktion vorbereitet zu handeln. Deshalb hätte ein geplantes Referendum eine erfolgreiche Perspektive für die Stabilität der sozialistischen Regierung Venezuelas, die ganz anders als in Chile, das Militär hinter sich hat.


Verfasst am 26.4.2017 unter Bezugnahme auf Meldungen über Unruhen und Proteste in Venezuela


Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 611  vom 03.05.2017



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