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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Globales
Vor 50 Jahren, am 19.4.1967, starb Konrad Adenauer
„Russland“ erobern, diesmal transatlantisch
Von Werner Rügemer

Mit dem ersten, christlich lackierten Bundeskanzler Konrad Adenauer hatten deutsches und US-Kapital 1949 die Weichen für die Sonderstellung des neugegründeten Staates Bundesrepublik Deutschland im Nachkriegs-Europa gestellt - neuer Krieg gegen „Russland“ inbegriffen. Diese Konstellation ist wirksam bis heute. Das Begräbnis Adenauers geriet zu einem diplomatischen (Halb-)Weltereignis. Die noch unerfahrenen Protokollchefs des erst 18 Jahre zuvor ganz neu gegründeten Staats Bundesrepublik Deutschland sahen sich ein paarmal den Farbfilm über die feierliche Beerdigung des britischen Ministerpräsidenten Winston Churchill an: Wie inszeniert ein Staat, der erst noch ein richtiger werden soll, zum ersten Mal ein richtiges Staatsbegräbnis?


"Der Krieg und sein Schatten – Zwei alte Herren: reif fürs Panoptikum", Fotomontage von John Heartfield, 1961 (aus der Ausstellung "Die Kunst ist tot" in der Galerie Arbeiterfotografie, Köln)

Nach dieser Vorbereitung plante man das Pontifikalamt im Kölner Dom mit Kardinal und behelmten Bundeswehroffizieren, arrangierte man die lokalen, nationalen und internationalen Repräsentanten sowohl in familiärer, kirchlicher, politischer und militärischer Rücksicht. Man legte die Sitz-, Steh- und Laufordnungen fest, positionierte Fotografen, Medien und unauffällige Sicherheitsbeamte. Man suchte die Polizei- und NATO-Eskorte aus, die den Sarg mit dem Schiff auf dem Rhein von Köln in Adenauers südlich von Bonn gelegenen Wohnort Rhöndorf geleitete.

Die gewichtigste Delegation vorneweg stellte die Gründungsmacht des immer noch besetzten Staates: US-Präsident Lyndon Johnson war begleitet von Außenminister Dean Rusk, dem Ex-Militärgouverneur Lucius Clay und den die ersten Schritte des ersten Bundeskanzlers bis 1955 überwachenden US-Hochkommissaren John McCloy und James Conant. Es folgten die Vertreter der westlichen Alliierten, die trotz der erklärten Souveränität der Bundesrepublik auch noch ihre Truppen und Geheimdienste hier stationiert hatten (allerdings wesentlich weniger), Frankreichs Staatschef Charles de Gaulle und, abgedrängt, der britische Ministerpräsident Harold Wilson – er firmierte als Vertreter einer sich sozialistisch nennenden Partei unter einer Bezeichnung, die in diesem Milieu verhasst war, auch wenn diese Partei wirklich nicht störte. Dahinter tummelte sich das doch immer noch zahlreiche monarchische Gesocks der westeuropäischen Demokratien sowie bunte Repräsentanten und Diktatoren aller Kontinente.

Es fehlte freilich die halbe Welt, die von der toten Hauptperson und seinen lebenden Beschützern nicht ins Reich von America First and free capitalism gerechnet wurde und noch zur Eroberung anstand.


Adenauer-Denkmal in Köln (Foto: arbeiterfotografie.com)

Amtseid: Antikommunismus mit dem Sternenbanner in der Hand

Am 8. Mai 1945, dem Tag der Niederlage des europäischen Faschismus, es herrscht Waffenstillstand, bestellt John K. Patterson, US-Militärgouverneur von Köln, Konrad Adenauer zu sich. Den hatten die US-Geheimdienste als „Anti-Nazi“ benannt, der habe als früherer Kölner Oberbürgermeister Widerstand gegen Hitler geleistet und sei somit der ideale neue Kölner Oberbürgermeister im befreiten Deutschland. Adenauer wird herangeschafft. Er überreicht sogleich eine kleine seidene US-Flagge und belehrt den US-Repräsentanten: Die größte Gefahr sei ein kommunistischer Frieden, gefährlich sei die kommunistische Gewerkschaft, von der ein Vertreter ihn gerade aufgesucht habe. Das Sternenbanner habe er 1929 von der Ford Company erhalten, als er den Vertrag über die Kölner Ford-Niederlassung unterzeichnet habe. Patterson ernennt Adenauer zum Kölner Oberbürgermeister. Antikommunismus mit dem Sternenbanner in der Hand: Das war Adenauers Amtseid.

Adenauer hat in seinem Leben vieles und vieles heimlich getan, aber eines nie, nämlich Widerstand gegen die Nazis zu leisten. In Köln nutzte er zunächst zielstrebig das katholische Milieu – die Zentrumspartei, schlagende Verbindungen, Erzbistum – zum Aufstieg aus kleinbürgerlichem, preußisch-untertänigem Beamtenmilieu. Als Kölner Oberbürgermeister 1917 noch vor Ende des Krieges im Stadtrat gewählt und durch Verordnung von Kaiser Wilhelm II ins Amt gesetzt, biederte der Aufsteiger sich zuerst den lokalen Größen der Wirtschaft an, so dem Bankier Louis Hagen, der neben seinem Amt als IHK-Präsident noch in etwa 50 Aufsichtsräten saß. Mit ihm und den Bankiers von Oppenheim, dem Geheimen Kommerzienrat von Guilleaume (Felten & Guilleaume) und dem aufsteigenden Privatbankier Kurt Freiherr von Schröder gründete er in kleiner Männerrunde den Kölner Rotary-Club.

Als politisch gewiefter Oberbürgermeister der damals flächenmäßig größten deutschen Stadt wurde er 1920 Präsident des Preußischen Staatsrats und bekam dafür in Berlin neben üppigen Tagegeldern eine repräsentative Privatwohnung gestellt. Der prominent gewordene freundete sich mit den reaktionärsten Industriellen des Ruhrgebiets an, mit Fritz Thyssen, Friedrich Flick, Hugo Stinnes, Albert Vögler (RWE), Carl Duisberg (Bayer), Peter Klöckner, die meist als Mitglieder des Geheimbundes „Ruhrlade“ Adenauers Zentrumspartei und nach einer Schamfrist schließlich auch die NDSAP finanzierten. Mit diesen Freunden forderte Adenauer im Bund zur Erneuerung des Reiches (BER) ein autoritäres Präsidialsystem, um der neumodischen Demokratie – sie barg ja die Gefahr des „Kommunismus“ - Einhalt zu gebieten.

Im Reichswirtschaftsrat, der als exklusiver Kungelclub neben dem Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) betrieben wurde, versuchten die Freunde, mithilfe von US-Krediten eine privatwirtschaftliche Alternative zur staatlichen Reichsbahn aufzubauen. In der Deutschen Kolonialgesellschaft – von 1931 bis 1933 war Adenauer Vizepräsident - forderte der imperiale Träumer Kolonien für das zu kurz gekommene Deutsche Reich.
Kölner Rathaus: Zockerbüro des Oberbürgermeisters

Als Mitglied in 15 Aufsichtsräten bezog der eifrige Aufsteiger Tantiemen z.B. bei Deutsche Lufthansa, Deutsche Bank, RWE und Rheinische Provinzial-Versicherung. Er konnte deshalb als Insider erfolgreich an der Börse spekulieren. Die Angebote etwa aus dem Vorstandsbüro der Deutschen Bank in Berlin für kurzfristig realisierbare Vorzugsaktien gingen direkt im Kölner Rathaus ein – das OB-Zimmer glich zeitweise einem Zockerbüro. Öffentliche und privatwirtschaftliche Ämter vermischte der raffgierige Politchrist routinemäßig mit seinem persönlichen Vorteil – und gleichzeitig schimpfte der Heuchler als Präsident des Deutschen Katholikentages 1922 gegen den „materialistischen Zeitgeist“ und machte seinen armen Schäfchen, die keine einzige Aktie hatten, sondern nur ein kleines Gehalt, ein schlechtes Gewissen.

Adenauer bewunderte Benito Mussolini, der seine autoritäre Führung faschistischer Prägung mithilfe des Vatikans und Krediten der Wall Street zugunsten der Privatwirtschaft festigte. In Köln als erster deutscher Stadt förderte der OB deshalb die Gründung eines italienischen Kulturinstituts. Autoritäre Lösungen, verbunden mit der neuesten Technologie und Austricksen der Gewerkschaften war deshalb auch Adenauers Konzept der Modernisierung von Verwaltung und Wirtschaft. Er war gegen „überzogene Kommunalisierung“. Privatunternehmen sollten möglichst viele öffentliche Aufgaben übernehmen. Er setzte sich dafür ein, dass die Kölner Börse ein neues Gebäude erhielt.

Unter seiner Leitung entstand in Köln für Arbeitslose ein Freiwilliger Arbeitsdienst (FAD). Das war eine Erziehungsmaßnahme vor allem für junge Menschen. Sie sollten „im gemeinsamen Dienst freiwillig ernste Arbeit leisten und zugleich sich körperlich und sittlich ertüchtigen“. Sie wurden für Erdarbeiten etwa im Botanischen Garten, für Radwege und Sportplätze eingesetzt. Autofan Adenauer setzte als Lobbyist der Autoindustrie 1927 den Bau der Rennstrecke Nürburgring in der Eifel durch, förderte den ADAC, brachte 1930 Ford (mit geheimen, nicht vom Stadtrat beschlossenen) Steuererleichterungen nach Köln. Noch vor Hitler leierte er den Autobahnbau in Deutschland an und weihte 1932 den ersten Autobahn-Abschnitt ein, zwischen Köln und Bonn.

Die Legende: Adenauer als Nazi-Gegner

Im März 1933 wurde er von den Nazis abgesetzt. Deshalb stilisierte er sich nachträglich als NS-Verfolgten. „Als ich 1933 entlassen wurde und auf der Straße stand, waren die einzigen, die mir Hilfe anboten, Juden. Niemand anders. Und ich hatte vorher viele Freunde.“ Sogar im KZ sei er gewesen, behauptete er 1947.

Das alles war eine glatte Lüge. Widerstand gegen die Nazis? Im August 1932 hatte er als Vertreter des Zentrums dem Bankier Kurt Freiherr von Schröder, Mitbegründer des Rotary-Clubs und Verbindungsmann zur NSDAP, die Zusicherung gegeben, dass das Zentrum Hitler als Reichskanzler tolerieren würde. Im Februar 1933 stimmte er als Präsident des Preußischen Staatsrats einer preußischen Regierung aus NSDAP und Zentrum zu, Göring sollte Ministerpräsident werden. Von Schröder, der Hitlers Kanzlerschaft eingefädelt hatte und der im Mai 1933 Präsident der Kölner IHK wurde, gratulierte er zu dieser Wahl. Nach 1945 log er, er habe seit Anfang 1933 „keine Verbindung“ zu von Schröder gehabt, obwohl sie bis 1944 weiterbestand.

Der Lügner stand nach 1933 keineswegs auf der Straße, im Gegenteil. Vom NS-Staat bekam er ein Ruhegehalt von 12.000 Reichsmark pro Jahr und eine Abfindung von 280.000 Reichsmark. Damit konnte er sich zunächst in Berlin eine Villa mieten und danach in Rhöndorf ein großes Grundstück kaufen, sein neues Haus bauen lassen (in dem er später auch als Kanzler der Bundesrepublik weiter wohnte) und sorgenfrei und standesgemäß leben.

„Meinetwegen auch Hitler“

Wie vor 1933 verbrachte er samt Familie im Grand Hotel Chandolin im Wallis einen mehrwöchigen Urlaub mit anschließender Rundreise durch die Schweiz.

Von seinen alten Freunden verlassen? Er ging noch 1939 zu Empfängen bei seinen Industriellenfreunden Klöckner und Thyssen im Ruhrgebiet. Er hielt Kontakt zu Hitlers Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht und zum Bayer-Chef Duisberg. Er erkundigte sich bei seinem Bankiersfreund Robert Pferdmenges von der Bank Oppenheim eingehend, ob Friedrich Flick („als Mensch und Geschäftsmann anständig und ehrlich“) schon seine RWE-Aktien habe verkaufen und wieder eine neue Firma habe erwerben können. Er hielt beständigen Kontakt zu Dannie Heineman, einem US-Industriellen jüdischer Herkunft, der ihm schon mal 10.000 Reichsmark überwies: Heinemann – das waren „die Juden“, die ihm halfen.

Den Kontakt zu Carl Goerdeler, der einen konservativen Widerstandskreis gegen Hitler aufbaute, wies er dagegen prinzipiell ab. Widerstand gegen die Nazis hielt Adenauer für unsinnig. Im Gegenteil: Seine eigene Partei, das Zentrum, habe versagt, weil es sich „in den letzten Jahren nicht rechtzeitig mit neuem Geiste erfüllt“ habe. Eine Monarchie wie zu Zeiten des bewunderten Kaiser Wilhelm II sei die Rettung „oder meinetwegen auch Hitler, erst Reichspräsident auf Lebenszeit, dann kommt die folgende Stufe“, bekannte er am 30. Juni 1933 aus dem Kloster Maria Laach seiner Freundin, der Bankiersgattin Dora Pferdmenges.

1944 wurde er aus Anlass des konservativen Attentats auf Hitler zeitweise verhaftet. Es war unter den damaligen Umständen eine Haft de luxe. Ein KZ war es schon gar nicht, sondern eine Gefangenschaft mit Vorzugsbehandlung. Russische Kriegsgefangene mussten extra eine Wanne säubern, damit er ein Bad nehmen konnte. Ein Mithäftling durfte ihm die Hose bügeln. Töchter und Ehefrau brachten ihm Socken und Hemden und besseres Essen. Ein Masseur betreute ihn, wegen Erkrankung wurde er mit ärztlichem Attest in das Kölner Krankenhaus Hohenlind eingeliefert.

Das Kriegsende konnte der Lügner bequem in seinem Rhöndorfer Anwesen erwarten. Noch im Februar 1945 wurden ihm vom NS-Regime Kriegsgefangene zugewiesen, von denen er sich seinen schönen Rosengarten pflegen ließ.

CIA, Rockefeller, CDU

Adenauer rühmte sich, 1918 den Kölner Arbeiter- und Soldatenrat ausgetrickst und damit „die Rettung der Stadt aus der Revolution“ geschafft zu haben. Mit bürgerlich-demokratischen Mitteln war der Sozialismus im größeren Kontext allerdings nicht auszutricksen, deshalb hatte der verbissene Antidemokrat andere wie seine Freunde von der „Ruhrlade“ und den Bankier von Schröder gewähren lassen. Leider konnten die dann aber auch mit Hitler doch nicht, wie der versprochen hatte, den Kommunismus ausrotten. Deshalb war es ja die dringlichste Sorge des 1945 wieder eingesetzten Kölner OB, mit dem Sternenbanner in der Hand dem US-Militärgouverneur die Warnung vor der immer noch weiterdauernden „kommunistischen Gefahr“ vorzutragen.

Dass nur die mächtigen USA der letztlich rettende Akteur in Europa sein würden und sein sollten, das war Adenauer schon aus dem Ersten Weltkrieg vertraut, umso mehr in der Weimarer Zeit, in der die USA mithilfe des Dawes-Plans in Westeuropa, insbesondere beim Kriegsgegner Deutschland investierten. Adenauer als Kölner OB nutzte exzessiv die Kommunalanleihen, die durch den Dawes-Plan ab 1924 möglich wurden. Dass sie größtenteils dann nicht zurückgezahlt wurden, kümmerte weder Adenauer noch die Wall Street-Banken, die sie ihrem gutgläubigen Publikum angedreht hatten.

Sein US-Freund Dannie Heineman, der seit 1905 Generaldirektor des belgischen Elektro- und Mischkonzerns SOFINA war und dies bis 1955 bleiben sollte, hatte auf Adenauers Einladung hin schon 1930 in Köln für die US-geführte, transatlantische Gemeinsamkeit geworben: „Outlines of a New Europe“ hieß der Titel seiner Rede. Im selben Jahr wurde die zweite deutsche Ford-Niederlassung in Köln eröffnet, ein Jahr später gründete die US-amerikanische Handelskammer ihre Kölner Filiale.

Als die Briten Ende 1945 die USA als Militärmacht in Nordrhein-Westfalen ablösten, entließen sie Adenauer als Kölner OB, weil er die Ruhrindustrie lieber mit der französischen, belgischen und luxemburgischen Schwerindustrie verbinden wollte – das hatte doch auch während der Nazizeit schon so gut geklappt und war auch im Sinne der USA. Adenauer kämpfte aber keineswegs um sein provinzielles Kölner Amt, denn er sollte und wollte mehr. Er gründete mit dem protestantischen Bankiersfreund Pferdmenges die nun Katholiken und Protestanten zusammenführende CDU, in Abstimmung mit CIA-Chef Allen Dulles und dem 1948 gegründeten American Committee for the United Europe. Gelder flossen von der Ford- und der Rockefeller-Stiftung, die gleichzeitig auch die Springer-Presse finanzierten.

Finanzberater Adenauers war der Privatbankier und Rotary-Mitbruder Pferdmenges. Der war auch CDU-Schatzmeister und trieb zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Spenden bei Unternehmen ein. Gleichzeitig führte er treuhänderisch auch die Geschäfte des gemeinsamen Freundes Friedrich Flick, solange der nach dem Nürnberger Tribunal seine Strafe als Kriegsverbrecher absitzen musste (aber von McCloy vorzeitig aus dem Gefängnis geholt wurde).

Der Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) hatte 1933 unter Präsident Gustav Krupp die „Hitler-Spende“ eingerichtet, in das die Mitgliedsunternehmen entsprechend ihrer Lohnsumme einzahlten. Die Spenden waren steuerbegünstigte Betriebsausgaben. 1951 richtete der Nachfolgeverband BDI – die Mitglieder waren dieselben - neben den schon laufenden Spenden die „Adenauer-Spende“ nach den selben Modalitäten ein – einziger Unterschied war, dass aus kosmetischen Gründen nun nicht mehr der Vertreter eines Großkonzerns als Präsident agierte, sondern der unbekannte Mittelständler Fritz Berg.

Vasallen-Demokratie: Die BRD als Vorposten gegen „Russland“

Die Bundesregierung stand unter Aufsicht eines US-Hochkommissars, zunächst war dies ab Gründung des Staates 1949 John McCloy, ab 1953 bis 1955 James Conant.

McCloy, Präsident der 1944 unter US-Führung gegründeten Weltbank, hatte seit den 1920er Jahren sowohl Wall Street-Banken bei Krediten zum Beispiel an die IG Farben wie auch diese selbst beraten. Mit dem Dawes-Plan von 1924 sorgten die USA dafür, dass Wall Street und US-Konzerne wie Ford und Standard Oil vor allem in Deutschland Fuß fassten und dass keine Verbindung zur aufstrebenden Sowjetunion entstand.

McCloy führte seine Aufgabe nun fort, genehmigte das Grundgesetz und passte auf, dass es an wichtigen Stellen nicht eingehalten wurde. Der Hochkommissar und seine Bundesregierung lehnten alle Vorschläge ab, Deutschland als einheitliches, nachfaschistisches, neutrales, abgerüstetes Land aufzubauen. Die Bundesregierung verhinderte die Volksabstimmung darüber, Adenauer begründete dies intern damit, dass die Bevölkerung „entsetzlich dumm“ sei (d.h. nicht antikommunistisch genug).

Die USA retteten, nachdem beim Nürnberger Tribunal die erste politische Garde abgeurteilt worden war, hunderttausende NS-Kollaborateure in den neuen Staat und in die Unternehmen. McCloy holte verurteilte Kriegsverbrecher wie Krupp und Flick und die Manager des Chemie-Monopols IG Farben aus dem Gefängnis. Das kapitalistische Privateigentum und die Kriegsgewinne wurden gegen Einschränkungen und Verstaatlichung abgeschirmt.

Der CIA säuberte zusammen mit dem US-Gewerkschaftsbund AFL/CIO und mit Adenauers klammheimlicher Unterstützung die westdeutschen Gewerkschaften von tatsächlichen und vermeintlichen Kommunisten. Zur „kommunistischen Gefahr“ zählte auch der linke Flügel der CDU, der mit der SPD zusammenarbeiten wollte und deshalb von Adenauer, der gleichzeitig CDU-Vorsitzender war, intrigant geschwächt wurde.

McCloy, der später auch Vorstandsmitglied von Mercedes Benz USA wurde, sorgte dafür, dass US-Konzerne wie Ford, General Motors, ITT, Standard Oil, Dupont und IBM die Gewinne bekamen, die sie in Deutschland während des Krieges gemacht hatten, sich aber nicht hatten auszahlen können. Auch die enge Verbindung zwischen US-Konzernen und Banken mit der IG Farben durfte nicht bekannt werden.

So baute der CIA aus dem Wehrmachts-Geheimdienst „Fremde Heere Ost“ den neuen westdeutschen Geheimdienst auf, die „Organisation Gehlen“, benannt nach General Gehlen, dem Chef von „Fremde Heere Ost“. Der CIA kaufte das Anwesen in Pullach und finanzierte die Organisation, gab ihr die Aufträge und nutzte deren mitgebrachte Kontakte aus der Nazi-Besetzung Osteuropas, etwa für die Subversion mithilfe von NS-Kollaborateuren in den nun sozialistischen Staaten. 1955 wurde die Organisation zwar in Bundesnachrichtendienst BND umbenannt und dem Bundeskanzleramt unterstellt, das mit McCloys Erlaubnis von Hans Globke geleitet wurde, der den Kommentar zur den Juden-Gesetzen verfasst hatte. Das hochqualifizierte Opportunisten-Trio Adenauer, Globke, Gehlen stimmte gern zu, dass der BND weiter von den neuen, mächtigeren antikommunistischen Herren geführt wurde.

McCloy und der korrupte Opportunist Adenauer arbeiteten Hand in Hand, um das bewährte antikommunistische Potential Deutschlands zunächst im Separatstaat der BRD zu konzentrieren, im US-Interesse neu zu organisieren und auf den neuen, nun gemeinsamen Kampf gegen „Russland“ zu orientieren.

Adenauers Demokratie als Polizeistaat

Die USA zwangen ihre westlichen Kriegsalliierten Frankreich, Großbritannien und Belgien, der Wiederbewaffnung ihres Ex-Feindes zuzustimmen. Auch mit der Aufnahme der aufgerüsteten BRD in die NATO blieb sie ein vor allem von US-Militärstützpunkten überzogenes besetztes Land. Ziel war nicht die offizielle NATO-Doktrin - einen Angriff der Sowjetunion abzuwehren -, sondern langfristig die antifaschistische Systemalternative zu vernichten und das sowjetische Territorium zu erobern.

Die USA organisierten den von ihnen gegründeten Staat als strahlendes Schaufenster gegen die DDR und den Sozialismus. Dem gehätschelten antinationalen Vorposten in der Mitte Europas und mit der Grenze zum Systemfeind wurden mit der Londoner Schuldenkonferenz die meisten Schulden erlassen und gestundet. Ein Friedensvertrag wurde (bis heute) verhindert, denn er hätte dem Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, der BRD, Reparationen für die von der Wehrmacht besetzten Staaten auferlegen müssen.

Für Adenauer war es selbstverständlich, genauso wie für seine Schutzherren, bei Bedarf polizeistaatlich vorzugehen. CIA, BND und die Bundespost verletzten das grundgesetzliche Gebot zur Wahrung des Brief- und Fernmeldegeheimnisses millionenfach, routinemäßig und komplizenhaft. Telefone wurden abgehört, Briefe und Päckchen aus den und in die sozialistischen Staaten wurden geöffnet und teilweise vernichtet. Kritische Berichterstatter – die gab es in den Anfängen der BRD noch! – ließ der notdürftig lackierte Neu-Demokrat mit hunderten von Strafanzeigen wegen „politischer Beleidigung“ überziehen, vor allem gegen die faktisch gesicherte Feststellung, Adenauer sei der „Kanzler der Alliierten“ oder deren „Lakai“. Allein bis Ende 1952 brachten gefällige Gerichte mehrere Dutzend Angeklagte im Durchschnitt drei Monate ins Gefängnis. BND-Chef Gehlen wurde beauftragt, Medien mithilfe von fake news zu manipulieren – nicht nur die von den USA subventionierte Gossenpresse wie BILD.

So setzte Adenauer den BND auch als seinen persönlichen Geheimdienst ein und ließ die SPD-Spitzenpolitiker Wehner, Ollenhauer und Heinemann bespitzeln. Sie wollten nicht die prinzipielle und atomkriegsgefährliche Konfrontation mit DDR und Sozialismus fortführen. Adenauer ließ im Wahlkampf den beliebten SPD-Parteivorsitzenden Willy Brandt ausspionieren: Wer war seine erste Ehefrau? Ist aus seinem Exil während der Nazizeit Belastendes zu finden? Uneheliche Geburt? Für den Kanzler und seinen Verteidigungsminister Strauß und ihre Hintermänner galt: Exil war „Vaterlandsverrat“. Wer Widerstand gegen Faschismus geleistet hatte, durfte kein Regierungsamt übernehmen.


Sockel des Adenauer-Denkmals in Köln anläßlich des 50. Todestages am 19.4.2017 (Foto: arbeiterfotografie.com)

Der Vasall will unabhängig werden (ein bisschen)

1963 war Adenauer aus seinem Amt gedrängt worden. In den Jahren danach spitzte sich unter seinem Nachfolger, dem ebenso christlich lackierten Ex-Nazi Kurt Georg Kiesinger, ein Grundproblem des Sonderstaats zu: Die USA verhandelten mit der Sowjetunion über einen Atomwaffensperrvertrag. Die herrschenden Kreise der Bundesrepublik glaubten sich von ihrer Schutzmacht allein gelassen. Entspannung, Ausgleich mit dem Todfeind? Kiesinger klagte: „Die Amerikaner lassen uns über ihre Politik im Unklaren.“ Der ebenso tiefschwarz christlich lackierte Ex-Nazi Franz-Josef Strauß, CSU-Chef und Bundesfinanzminister, wurde kurzzeitig ein bisschen frech: „Man muss sich darauf einstellen, dass die Amerikaner mit den Russen Politik über unseren Kopf hinweg machen.“ Zuvor schon hatten die USA den dringlichen Wunsch Adenauers und Strauß' nach einer deutschen Atombombe abgelehnt.

Das erinnert an heute, 2017, als der neue US-Präsident Donald Trump kurzzeitig und missverständlich andeutete, er wolle die von Obama begonnene Aufrüstung gegen Russland nicht fortführen: Merkel, Juncker und NATO-Generalsekretär Stoltenberg fühlten sich verlassen und verraten: NATO ist obsolet? „Wir“ werden nicht mehr von den USA geschützt?

Und sofort war die lange schlafende Forderung nach der deutschen oder auch westeuropäischen Atombombe wieder da. Und Großbritannien tritt zwar aus der EU aus, aber nicht aus der NATO. Der transatlantische Eroberungszug Richtung Russland ist noch längst nicht beendet. Unter deutscher Führung riskiert das kapitalisierte EU-Europa im schwankenden Schlepptau des großen Onkels, noch einmal, den großen Krieg auf eigenem Territorium.


Erstveröffentlichung bei Rubikon

Online-Flyer Nr. 610  vom 26.04.2017

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