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Wirtschaft und Umwelt
Am Beispiel Glyphosat:
Die Wissenschaft im Dienste von Großaktionären
Von Felicitas Rabe

Wenig mediale Beachtung fand in der vergangenen Woche die richterliche Beurteilung der Geschäftstätigkeiten von Monsanto, die auf das Monsanto-Tribunal vom Oktober 2016 erfolgte. Am 18. April 2017 verkündeten fünf Richter aus mehreren Kontinenten in Den Haag ihr abschließendes Urteil darüber, ob der multinationale Konzern gegen UN-Konventionen und das internationale Völkerrecht verstößt. Es ging um die Fragen, ob Monsanto mit dem Vertrieb von Herbiziden und Pestiziden die UN-Biodiversitätsresolution verletzt, ob das Recht auf gesunde und ausreichende Nahrung verletzt wird, und ob die Praktiken von Monsanto gegen das Recht auf eine gesunde Umwelt und auf die Unabhängigkeit der Wissenschaft verstoßen. Außerdem wurde geprüft, ob sich Monsanto mit der Bereitstellung von Agent Orange an Kriegsverbrechen beteiligt hat und ob bestimmte Geschäftstätigkeiten zum Verbrechen eines Ökozids beitragen. In einem ausführlichen schriftlichen Rechtsgutachten haben sie ihre Bewertung publiziert.

Ausgerechnet am nächsten Tag, in ihrer Ausgabe vom 19. April 2017, veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung, ohne sich auf die Ergebnisse des Monsanto-Tribunals zu beziehen, unter der Überschrift „Wie Unkraut vergeht“ ein ausführliches Interview mit Roland Solecki, dem Leiter der Abteilung „Sicherheit von Pestiziden“ beim deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung. In diesem Interview räumt er mit allen gesundheitlichen Bedenken auf, die kritische Verbraucher und Umweltschützer gegenüber dem Breitbandherbizid Glyphosat haben könnten, welches eines der umsatzstärksten Produkte von Monsanto ist.

Roland Solecki erklärt hierbei den Lesern auch, warum die von Monsanto durchgeführten Unbedenklichkeitsstudien wissenschaftlich völlig in Ordnung sind und warum es das Beste ist, wenn Konzerne ihre Studien selbst produzieren. Schließlich wäre das Bundesinstitut für Risikobewertung, welches diese Studien prüft, eine unabhängige Behörde, die sich ausschließlich in den Dienst des Gesundheitsschutzes der Menschen stellen würde.

Vor zwei Jahren, am 16. Juli 2015 wurde die wissenschaftliche Unabhängigkeit des BfR und insbesondere des Mitarbeiters Roland Solecki in der Süddeutschen Zeitung noch ganz anders bewertet. Damals schrieb die Journalistin Silvia Liebrich im Artikel „Der Kampf um Glyphosat: Wenn Leserbriefe von Monsanto als Studie gelten“

„Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass 14 dieser so genannten Studien keine Studien im klassischen Sinne sind, sondern Leserbriefe wie der von Peter Langridge. Dennoch führt sie das BfR in einer langen Tabelle auf, die den Titel trägt: „Studien, die das BfR zur Bewertung der Kanzerogenität von Glyphosat verwendet hat.

Und wenn man noch tiefer bohrt, dann stellt man fest: Zehn dieser 14 Leserbriefe stammen allesamt entweder direkt von Mitarbeitern des amerikanischen Agrar- und Gentechnik-Konzerns Monsanto oder von Absendern, die dem weiteren Umfeld des Konzerns zugeordnet werden können.“

Als es zu der Zeit innerhalb der Weltgesundheitsorganisation WHO zu einem Streit zwischen zwei Gremien über die Unbedenklichkeit von Glyphosat kam, hatte sich Roland Solecki als unabhängiger Streitschlichter bei der WTO angedient. Nach der Bewertung des WTO-Gremiums IARC wurde Glyphosat als potentiell krebserregend eingeschätzt. Während das JMPR-Gremium, zuständig für die Festlegung von Pestizidgrenzwerten, Glyphosat auch aufgrund der Zuarbeiten des BfR als unbedenklich eingestuft. Ausgerechnet Roland Solecki, dessen Behörde dem JMPR zugearbeitet hat, wurde als „unabhängiger“ Streitschlichter ernannt.

In der Süddeutschen vom 16.05.2015 wurde das damals wie folgt kommentiert: „Nun soll ausgerechnet ein hochrangiger Mitarbeiter des deutschen BfR diesen Expertenstreit schlichten: Roland Solecki. Er wurde von der WHO berufen, um eine neu eingerichtete Taskforce zu leiten. Die soll klären, warum die beiden WHO-Gremien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Der Grünen-Politiker Ebner sieht darin einen Interessenkonflikt. Solecki habe, so Ebner, über Jahre hinweg eine maßgebliche Rolle im JMPR-Gremium gespielt. „Es kann nicht sein, dass jetzt mit Roland Solecki ausgerechnet der Autor der Glyphosat-Unbedenklichkeitsbescheinigung als oberster Richter darüber befinden soll, was dran ist am Krebsverdacht gegen das Pflanzengift. Ich frage mich, ob da das Urteil nicht schon von vornherein feststeht.“

Darüber hinaus besteht die europäische Glyphosat Task Force aus einem Konsortium von Pestizidherstellern in Europa mit dem Ziel „Ressourcen und Kräfte zusammen zu bringen, um die europäische Glyphosat-Zulassung zu erneuern.“

Mitwirkende in diesem Gremium sind Mitarbeiter von ILSI (Internationales Life Science Institute), welches direkt von Monsanto und anderen Multis finanziert wird. Außerdem wirken auch direkte Mitarbeiter von Dow, Syngenta, Arysta Life und Monsanto mit.

Selbst deutschen Politikern ist das Problem eines potentiellen Interessenkonflikts bei einem Mitarbeiter der deutschen Bundesbehörde zum Schutz der menschlichen Gesundheit schon aufgefallen. So kam es im Rahmen einer kleinen Anfrage der Grünen vom 14.04.2016 unter anderem zu folgender Frage:

„Wie ordnet die Bundesregierung die gleichzeitige Tätigkeit von Dr. R. S. für das BfR (als Leiter der Abteilung Sicherheit von Pestiziden) und für das JMPR (zuletzt als Leiter der JMPR Expert Taskforce on Glyphosate) ein?“ (1)

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, die vielfältigen Verstrickungen von Roland Solecki mit multinationalen Konzernen zu kommentieren. Interessante Informationen bezüglich seiner Verflechtung mit ILSI findet man bei Lobbypedia (2).

Hervorragende Informationen zu den Verstrickungen von vielen weiteren Personen, Institutionen und Konzernen beim Geschäft mit Ackergiften findet man in der Broschüre von PAN Europe, dem europäischen Zweig des internationalen Pestizid-Aktions-Netzwerk „A Poisonous Injection“ (3).

Möglicherweise gehört es ja auch gerade im Angesicht der BAYER-Monsanto-Fusion zu den Task Force Tätigkeiten von Herrn Solecki, die deutsche Öffentlichkeit von der angeblichen Unbedenklichkeit von Glyphosat zu überzeugen. Da hat die Süddeutsche Zeitung mit der Auswahl ihres Interviewpartners zu diesem Thema schon mal gut zugearbeitet.


Fussnoten:


1 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/081/1808168.pdf
2 https://lobbypedia.de/wiki/Bundesinstitut_f%C3%BCr_Risikobewertung
3 http://www.pan-europe.info/old/Resources/Reports/PANE%20-%202014%20-%20A%20Poisonous%20injection.pdf

Online-Flyer Nr. 610  vom 26.04.2017



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