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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Krieg und Frieden
US-Marschflugkörper treffen Luftwaffenstützpunkt in Syrien
Frieden durch völkerrechtswidrigen Angriff?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

„Meine amerikanischen Landsleute, heute Abend habe ich einen völkerrechtswidrigen Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt in Syrien angeordnet, über den ohne Untersuchungen behauptet wird, dass von ihm aus der syrische Präsident Baschar al-Assad, den wir Diktator nennen, einen Angriff mit schrecklichen Chemiewaffen auf unschuldige Zivilisten durchgeführt hat. Heute Abend sehe ich mich gezwungen, alle Nationen, die wir die zivilisierten Nationen nennen, aufzurufen, sich uns anzuschließen, wenn wir die Welt mit Terror überziehen. Und wir hoffen, dass, solange Amerika für Gewalt und Terror steht, sich letzten Endes die Interessen unseres Imperiums durchsetzen werden – oder mit anderen Worten: sich alle dem Imperium in Frieden und Harmonie unterwerfen. In diesem Sinne: Gott segne Amerika und die gesamte Welt.“ Hat US-Präsident Donald Trump so gesprochen? Nein, das hat er nicht. Die vorgetragene Rede erinnert an extremste Propaganda-Reden seiner Vorgänger. Sie hat folgenden Wortlaut:

„Meine amerikanischen Landsleute, am Dienstag hat der syrische Diktator Baschar al-Assad einen schrecklichen Chemiewaffenangriff auf unschuldige Zivilisten veranlasst. Indem er ein tödliches Nervengas verwendete, hat Assad das Leben hilfloser Männer, Frauen und Kinder ausgelöscht. Es war ein langsamer und brutaler Tod für so viele. Sogar wunderschöne Babys wurden bei diesem sehr barbarischen Angriff brutal ermordet. Kein Kind Gottes sollte jemals so einen Horror erleben.“


Screenshot aus Video "Statement by President Trump on Syria", youtube-Kanal "The White House", 06.04.2017

„Heute Abend habe ich einen gezielten Militärschlag auf den Luftwaffenstützpunkt in Syrien angeordnet, von dem aus der Angriff mit Chemiewaffen durchgeführt wurde. Es liegt im grundlegenden nationalen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten, die Verbreitung und Verwendung von Chemiewaffen zu verhindern. Es besteht kein Zweifel daran, dass Syrien verbotene Chemiewaffen eingesetzt, seine Verpflichtungen aus der Chemiewaffenkonvention verletzt und das Drängen  des UN-Sicherheitsrates ignoriert hat. Jahrelange Versuche, Assads Verhalten zu ändern, sind gescheitert, sehr dramatisch gescheitert. Als Folge daraus vertieft sich die Flüchtlingskrise weiter, und die Region wird noch instabiler, wodruch die USA und ihre Verbündeten bedroht werden.“


Screenshot aus Video "Statement by President Trump on Syria", youtube-Kanal "The White House", 06.04.2017

„Heute Abend rufe ich alle zivilisierten Nationen auf, sich uns anzuschließen, um das Gemetzel und Blutvergießen in Syrien zu beenden und um dem Terrorismus in all seinen Arten und Ausprägungen ein Ende zu setzen. Wir bitten um Gottes Weisheit, während wir vor der Herausforderung unserer sehr aufgewühlten Welt stehen. Wir beten für das Leben der Verwundeten und für die Seelen derjenigen, die uns verlassen haben. Und wir hoffen, dass, solange Amerika für Gerechtigkeit steht, sich letzten Endes Frieden und Harmonie durchsetzen werden. Gute Nacht. Und Gott segne Amerika und die gesamte Welt. Danke.“ (1)(2)


Screenshot aus Video "Statement by President Trump on Syria", youtube-Kanal "The White House", 06.04.2017

Am 28.02.2017 hatte US-Präsident Donald J. Trump vor dem US-Kongress gesagt: „Die Vereinigten Staaten sind bereit, neue Freunde zu finden und neue Partnerschaften einzugehen, wenn sich unsere Interessen decken. Wir wollen Harmonie und Stabilität, nicht Krieg und Konflikt...“ (3) Nun heißt es gegen Schluss der dreiminütigen Rede zur Rechtfertigung des völkerrechtswidrigen Angriffs auf den Luftwaffenstützpunkt in Syrien: „Wir hoffen, dass... sich letzten Endes Frieden und Harmonie durchsetzen werden“. Ist das – nur fünf Wochen später – die Perversion der Äußerungen vor dem US-Kongress? Hat Präsident Trump mit seinem Hinweis auf die "wunderschönen Babys", die bei dem angeblichen Giftgas-Angriff ums Leben gekommen sein sollen, „bigotte politische Perversion zum Maßstab seines Handelns“ gemacht, wie Willy Wimmer es formuliert? (7)


Antikriegsbündnis Aachen: "Führt der Donald endlich Krieg, hat Frau Merkel ihn ganz lieb!" – Kundgebung in Aachen am 8. April 2017 (Foto: arbeiterfotografie.com)

„Ein Star ist geboren: US-Präsident Donald Trump“, schreibt Gideon Levy am 9. April 2017 in der israelischen Zeitung Haaretz. „Ein Raketenangriff – und der Mann, den die ganze Welt gefürchtet hat, ist über Nacht zur großen Hoffnung geworden. Der Teufel von gestern ist der Gott von morgen. Von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bis hin zu [israelischen Politikern]... Alle lassen sie ihn hochleben.“ (4)

Hat das Washingtoner Establishment die Kontrolle wieder erlangt?

Ist es so, wie Paul Craig Roberts es beschreibt: "Trump hat aufgegeben... Washington hat den Konflikt mit einem Tomahawk-Raketen-Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt wieder eröffnet. Das russisch/syrische Abwehrsystem hat den Angriff nicht verhindert. Das Washingtoner Establishment hat die Kontrolle wieder erlangt. Erst Flynn und dann Bannon. Alle, die in der Trump-Administration zurück geblieben sind, sind Zionisten und durchgeknallte Generäle, die Krieg mit Russland, China, Iran, Syrien und Nord-Korea wollen. Es gibt niemanden im Weißen Haus, der sie stoppen könnte. Lebe wohl, normalisierte Beziehungen mit Russland." (5)

Ist es so, wie Noam Chomsky am 27. März 2017, kurz vor dem angeblichen Giftgaseinsatz und der darauf folgenden US-Militäroperation, in einem Interview geäußert hatte: „Ich denke, dass man nicht die Möglichkeit außer acht lassen sollte, dass es so etwas wie eine inszenierte oder fingierte Terror-Operation geben könnte, die das Land von heute auf morgen verwandelt.“ (I think that we shouldn't put aside the possibility that there would be some kind of staged or alleged terrorist act, which can change the country instantly.) (6) Ist der angeblich durch Assad ausgeführte Giftgaseinsatz – mit seinen Folgen – diese inszenierte Terror-Operation, die alles verändert hat – mit der Trump signalisiert, dass er sich der Kriegstreiberclique unterwirft?

Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt ein raffinierter Schachzug?

Oder ist es so, wie Willy Wimmer es andeutet, dass der bevorstehende Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson ohne den völkerrechtswidrigen Angriff zu einem Kamikaze-Trip geworden wäre? Willy Wimmer am 9. April 2017 gegenüber Sputnik-News: „Man mag sich den Besuch des frischgebackenen amerikanischen Außenministers am 11. April 2017 in Moskau, wenn dieser Besuch denn zustande kommen sollte, ohne den amerikanischen Kriegseinsatz gegen Syrien am 7. April 2017 nicht vorstellen. Vor dem Hintergrund der Abläufe bisheriger Art in Washington wäre ohne diesen ebenso rechtswidrigen wie merkwürdigen Angriff ein Flug eines Mitglieds des Kabinetts Trump ein 'Flug ohne Wiederkehr' nach Moskau gewesen… Bei dem in Washington herrschenden Klima wäre vermutlich eine Wohngemeinschaft zwischen Tillerson und Edward Snowden der einzige Ausweg gewesen, um überleben zu können.“ (7)

Entsprechend dieser Andeutungen zieht Wolfgang Effenberger mit Thierry Meyssan in Erwägung, dass es sich bei dem Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt um einen raffinierten Schachzug gehandelt haben könnte, mit dem Trump seine Opposition befriedigen wollte, um sich Handlungsfreiheit für seine weiterhin auf Verständigung gerichtete Politik zu verschaffen. Darauf würde hindeuten, dass US-Präsident Trump Russland und Syrien vorher über den Raketenangriff informiert habe, die russische Luftabwehr keine Gegenmaßnahmen ergriffen habe, die Militärbasis fast leer gewesen sei und nur 23 von 59 abgeschossenen Raketen ihr Ziel erreicht hätten. Wolfgang Effenberger: „Daraus könnte tatsächlich abgeleitet werden, dass dieser Angriff abgesprochen war, um Trumps Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen... Wir haben also Grund zu der Hoffnung, dass Trump keineswegs vom Establishment besiegt oder umgedreht wurde, sondern durch das Manöver eines angekündigten Scheinangriffs seine beabsichtigte Politik weiter verfolgt.“ (8)(9)

Verrat am Versprechen, die Regime-Change-Praxis beenden zu wollen?

Donald Trump hatte im Wahlkampf geäußert, er wolle der Praxis des Regime-Change ein Ende setzen. Nun hat CNN am 9. April 2017 ein Interview mit Nikki Haley, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, geführt. Damit wird der Eindruck erzeugt, es sei jetzt das erklärte Ziel der USA, einen Regime-Change in Syrien herbeizuführen. „Es gibt keine Lösung mit Assad“, heißt es bei t-online. (10) Und CNN formuliert: „Haley: keine politische Lösung mit Assad“ (Haley: No political solution with Assad). (11) Aber CNN unterschlägt mit dieser Formulierung die Relativierungen, von denen ihre Worte umgeben sind, insbesondere den nachfolgenden Satz „Ich denke nicht, dass das etwas ist, was von den USA zu entscheiden ist.“ (I don't think that that's something for the United States to decide). (12)(13)


Screenshot aus CNN-Interview mit Nikki Haley vom 9. April 2017


Auszug aus dem Transkript des CNN-Interviews mit Nikki Haley

TAPPER: So, 10 days ago, you said that getting Assad out of Syria was -- would no longer be a priority for the United States. Obviously, since then was the chemical weapons attack. But I'm trying to figure out, is regime change in Syria now the official policy of the United States?

HALEY: So, there's multiple priorities. It's -- getting Assad out is not the only priority. And so what we're trying to do is obviously defeat ISIS. Secondly, we don't see a peaceful Syria with Assad in there. Thirdly, get the Iranian influence out, and then finally move towards a political solution, because, at the end of the day, this is a complicated situation. There are no easy answers. And a political solution is going to have to happen. But we know that it is not going to be -- there's not any sort of option where a political solution is going to happen with Assad at the head of the regime. It just -- if you look at his actions, if you look at the situation, it's going to be hard to see a government that's peaceful and stable with Assad.

TAPPER: Well, of course, it's hard to, but is it the position of the Trump administration that he cannot be ruler of Syria anymore; regime change is the policy?

HALEY: Well, regime change is something that we think is going to happen, because all of the parties are going to see that Assad is not the leader that needs to be taking place for Syria. So, what I think you're seeing is, this isn't about policy or not. This is about thoughts. And so, when you look at the thoughts, there is no political solution that any of us can see with Assad at the lead. And so I -- and I don't think that that's something for the United States to decide. That's something the entire international community has decided, that it's going to hard-pressed to see Assad in that leadership role. And so you're going to see the president is going to very much watch this. We are all going to keep calling out the international community and asking them to push for a political solution. We're going to continue to call out bad actors when they do something like this. And you're going to see this administration act when they think it's appropriate.

Quelle: http://edition.cnn.com/TRANSCRIPTS/1704/09/sotu.01.html


Fussnoten:

1 Rede von US-Präsident Donald Trump, 06.04.2017
Statement by President Trump on Syria
Video im Youtube-Kanal "The White House"
https://www.youtube.com/watch?v=4sVp3yFNEYQ&t=89s

2 Rede von US-Präsident Donald Trump, 06.04.2017
Statement by President Trump on Syria
Wortlaut (englischsprachig) auf der website des Weißen Hauses
https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/04/06/statement-president-trump-syria

3 Rede des US-Präsidenten Donald J. Trump vor dem US-Kongress am 28.02.2017
Wir wollen Harmonie und Stabilität, nicht Krieg und Konflikt
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23606

4 America the Liberator
Now is the time to recall what happens when America comes to the aid of other nations with military action
Gideon Levy am 09.04.2017 bei haaretz.com
http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.782389

5 Trump Has Surrendered. Will Putin Be The Next To Surrender?
Paul Craig Roberts am 6.4.2017
http://www.paulcraigroberts.org/2017/04/06/trump-surrendered-will-putin-next-surrender/

6 If Trump Falters with Supporters, Don't Put 'Aside the Possibility' of a 'Staged or Alleged Terrorist Attack'
Interview von Jan Frel / AlterNet mit Noam Chomsky, 27.3.2017
http://www.alternet.org/right-wing/noam-chomsky-it-fair-worry-about-trump-staging-false-flag-terrorist-attack

7 Rex Tillerson reist nach Moskau
Willy Wimmer am 09.04.2017 bei de.sputniknews.com
https://de.sputniknews.com/politik/20170409315256589-rex-tillerson-moskau/

8 Trump heult plötzlich mit den Wölfen: Kehrtwende oder Schachzug?
Wolfgang Effenberger am 12.4.2017 in der NRhZ 608
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23716

9 Russland über US-Luftangriff in Syrien vorab informiert
Artikel vom 07.04.2017 in der Tageszeitung "Neues Deutschland"
Der Kreml ist nach eigenen Angaben von den USA vorab über den US-Angriff informiert worden. Das bestätigte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Freitag [07.04.2017] in Moskau. Unkommentiert ließ er die Frage, ob russisches Militär die Marschflugkörper absichtlich nicht abgefangen habe. Russland hat in Syrien auch das Abwehrsystem S-400 stationiert.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1047429.russland-ueber-us-luftangriff-in-syrien-vorab-informiert.html

10 Trumps neuer Plan für Syrien 
"Es gibt keine Lösung mit Assad"
t-online-Veröffentlichung vom 09.04.2017
Was unternimmt Donald Trump nach dem Raketenangriff in Syrien? Die amerikanische UN-Botschafterin gibt erstmals Hinweise auf die weiteren Pläne der US-Regierung.
http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_80854602/usa-fordern-regimewechsel-es-gibt-keine-loesung-mit-assad-.html

11 Haley: No political solution in Syria with Assad in power
CNN-Veröffentlichung vom 09.04.2017
Haley: No political solution with Assad
http://edition.cnn.com/2017/04/08/politics/nikki-haley-syria-interview-sotu-cnntv/

12 Haley thinks 'regime change' coming to Syria
CNN-Video, veröffentlicht am 09.04.2017
In an interview on State of the Union, UN Ambassador Nikki Haley tells Jake Tapper that there is no role for Assad to govern the Syrian people
https://www.youtube.com/watch?v=HEiepZ2fFog

13 Interview With U.S. Ambassador to the United Nations Nikki Haley
Rush Transcript der CNN-Sendung "State of the Union" vom 09.04.2017
http://edition.cnn.com/TRANSCRIPTS/1704/09/sotu.01.html

Online-Flyer Nr. 608  vom 12.04.2017



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