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Krieg und Frieden
Rolf Gössner bei den 18. Aachener Friedenstagen
Der Westen schafft sich seine Feinde selbst
Von Vera Thomas-Ohst (Euregioprojekt Frieden)

Angst ist das Schmieröl des Staatsterrorismus. Es ist diese bittere Erkenntnis, die darauf verweist, dass eine Politik der Verunsicherung und Angst als Herrschaftsinstrument nutzbar ist. Mit dem Krieg gegen den Terror insbesondere in Afghanistan, im Irak und in Somalia, Jemen, Libyen, Pakistan und Syrien schuf der Westen wahre Rekrutierungsprojekte für Terroristen und züchtete seine eigenen Feinde heran. In dieser Mitverursachung von Ausbeutung, Krieg Terror und Elend liegt auch die politische Mitverantwortung dafür, dass Millionen Menschen in die Flucht getrieben werden. Das war das Themenfeld, in dem sich der Vortrag "Angst- statt Sicherheitspolitik" von Dr. Rolf Gössner bewegt, mit dem am 24. März 2017 die 18. Aachener Friedenstage angelaufen sind.


Dr. Rolf Gössner (Foto: arbeiterfotografie.com)

Dr. Rolf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Anwalt, Publizist und seit 2007 stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen referierte am Freitag, den 24. März in der Annakirche in Aachen über Terror – wo er herrührt, wozu er missbraucht wird und wie er zu überwinden ist unter dem Titel: „Angstpolitik statt Sicherheitspolitik“

Er sprach vor einem aufmerksamen Auditorium über die herrschende Sicherheitspolitik mit fatalen Aufrüstungsreflexen und hohem Gewaltpotential. Über verfassungswidrige Sicherheits-und Antiterror-Gesetze in Serie und das neue Antiterror-Gesetzespaket 2016. Er wies darauf hin, wie der Westen sich seine Feinde selbst schafft und Symptome statt Ursachen bekämpft. Er analysierte die Verflechtungen des Verfassungsschutzes in Naziszenen und vermittelt, dass trotz Skandalgeschichten, Versagen und Vertuschen keine ernsthaften Konsequenzen zu erkennen sind.

Am Beispiel Schnöggersburg erklärt er die Zusammenhänge zwischen Aufstandsbekämpfung im urbanen Raum, Bundeswehr im Inneren der EU-Staaten und der Zukunft der Kriegsführung. „Die Kriege der Zukunft, so Gössner, werden Kriege in urbanen Ballungsräumen sein… es werden asymmetrische Kriege sein, die nicht gegen Heere, sondern gegen Terroristen und Aufständische geführt werden“.

Tatsächlich trainieren Bundeswehrsoldaten für ihre militärischen Interventionen auch Aufstandsbekämpfung, also die Niederschlagung sozialer Unruhen und militanter Aufstände, sowie den „asymmetrischen Krieg“ realitätsnah in urbanen Räumen. So etwa in der künstlichen Übungsstadt Schnöggersburg, eine sechs Quadratkilometer große Übungsstadt, die für 140 Millionen Euro in Sachen-Anhalt als Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) in der Colbitz-Letzlinger Heide derzeit entsteht, die größte militärische Übungskampfstadt unter der Regie des Rüstungskonzerns Rheinmetall: ein „urbaner Ballungsraum“ mit 520 Gebäuden, einer Altstadt und Hochhaussiedlungen, einem Regierungs-und einem Elendsviertel, mit Industriegebiet und Bahnstation, Flughafen, Straßen, U-Bahn-Tunnel und Kanalisation, mit Moschee, Stadion und Stadtpark mit Fluss und Brücken. Also eine typische Infrastruktur moderner europäischen Metropolen, dort wo sich soziale Konfliktlagen zusammenballen und entladen können.

Das Schlussplädoyer: Ursachenbekämpfung statt Aufrüstungs- und Kriegspolitik: Die aktuelle Anhäufung von sicherheitspolitischen Instrumenten der Überwachung und Kontrolle, der Gefahrenvorsorge und –abwehr auf Vorrat und der Militarisierung nach außen und innen weist über reine Terrorabwehr weit hinaus. Mit ihrer Art von Antiterrorkampf zeige sich die Bundesrepublik, die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten sowie die EU insgesamt weiterhin ignorant gegenüber den wirklichen Ursachen von Terror, Gewalt und Flucht, an denen westliche Saaten und Staatengemeinschaften maßgeblich beteiligt sind.

Die bisherigen kriegerischen Militärinterventionen haben die Welt jedenfalls nicht sicherer gemacht und den Terrorismus nicht eingedämmt – im Gegenteil: Krieg ist seinerseits Terror und gebiert immer neue Terroristen. „Wir brauchen starke nationale und europäische Gewerkschafts-, Protest- und Widerstandsbewegungen, die - über Deutschland und Europa hinausdenkend – für eine friedlichere Welt und eine gerechte Weltordnung gewaltfrei kämpfen. Die vorherrschende freiheitsraubende Sicherheits-und Aufrüstungspolitik ist also keineswegs alternativlos“.




Rolf Gössner am 24. März 2017 in der Anna-Kirche in Aachen (Fotos: Karl-Heinz Otten / arbeiterfotografie.com)

Online-Flyer Nr. 606  vom 29.03.2017



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