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Kommentar
Die Legende vom Kampf gegen den Terror
Weihnachten an der Islam-Front
Von Ulrich Gellermann

Da war er wieder, der deutsche Rache-Engel: Auf dem Adventsmarkt im Feldlager von Masar-i-Scharif in Afghanistan lief Frau von der Leyen durch die weihnachtliche Gegend. Die Dame war schon mehrfach zum Fest dort: „Die Besuche der Verteidigungsministerin kurz vor Weihnachten haben Tradition“, teilt die Bundeswehr mit. Denn der deutsche Recke steht dort auf Wacht gegen den Terrorismus. Und das schon seit 15 Jahren. Da gab es in Deutschland noch gar nichts zu rächen. Aber an der Seite der USA wurde tapfer der Terror bekämpft. Mit dem bekannten Erfolg: Mehr Terror, mehr Tote. In Afghanistan ohnehin. Aber natürlich auch in allerlei anderen Ländern.

Ziemlich pünktlich, nach dem Ende des Sozialismus, als dem Kapitalismus ein prima Feind abhanden gekommen war, warf Samuel Huntington 1996 sein Buch „The Clash of Civilizations“ auf den Markt. Mit dem „Kampf der Kulturen“ war in den Machtzentralen des Westens ein neuer Feind gefunden: Der Islam. Ein Gespenst, mit dem die Massen geängstigt und diszipliniert werden konnten. Ein Widersacher, der zudem über den Treibstoff verfügte, der nicht nur die Wirtschaft antrieb sondern auch den Rohstoff-Hunger des Westens gieren ließ: Öl. Und weil „unsere“ Kultur als die überlegene verkauft wurde, musste das auch bewiesen werden: Im Irak, in Afghanistan, in Libyen und in Syrien. Die Zahl der Toten, primär auf der Seite der islamisch geprägten Länder, ist ohne Ende. Mehr als 700 Luftangriffe haben die USA im Jahr 2016 allein in Afghanistan geflogen. Aber die kaputten Hütten, die ermordeten Ziegenhirten und deren Familien sind nie auf TV-Bildern zu sehen.

Sich vom Terror nicht unterkriegen lassen

„Sie stehen dafür ein, dass wir uns nicht unterkriegen lassen vom Terror, dass wir uns wehren gegen diejenigen, die die Menschen terrorisieren“, glaubte Frau von der Leyen vor ein paar Tagen auf dem Bundeswehr-Adventsmarkt den Soldaten in Afghanistan sagen zu müssen. Flankiert wird diese sonderbare Frau von der BILD-Zeitung: „Fast 3.300 deutsche Soldaten sind momentan im Auslandseinsatz. Drei der Einsatzgebiete sind das afrikanische Mali, der Balkanstaat Kosovo und der arabische Staat Libanon im Norden Afrikas. Von dort haben sechs Kameraden für BILD über ihr Weihnachten im Einsatz berichtet“. DAS SIND UNSERE WEIHNACHTSHELDEN schreibt das Blatt. Unsere Weihnachtshelden leiden unter einem schweren Weihnachtsbaum-Mangel: Mal ist er nur künstlich teilt Stephan G. aus dem Libanon mit, dann zu sperrig „da die Feldpost so große Sendungen nicht verschicken kann“ berichtet die Soldatin Nicole B. aus Mali.

Ob es auch ein Weihnachtsmarkt war, den der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker vor ein paar Tagen im türkischen Incirlik besuchte? Nein, der ranghöchste Soldat der Bundeswehr traf sich dort mit Brigadegeneral Ismail Günaydin, dem Kommandeur der türkischen Luftwaffenbasis. Um diese Sätze abzusondern: „Die Hydra des Terrorismus beschränkt sich nicht nur auf ein einzelnes Gebiet. Umso wichtiger ist die Entschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft, dagegen vorzugehen.“ Das erzählte der General auf einem Stützpunkt der türkischen Diktatur, die munter das eigene Volk terrorisiert. Doch General Wieker hat für solche Einzelheiten keine Zeit. Er muss schnell weiter nach Katar zur Außenstelle des deutschen Einsatzkontingents im dortigen CAOC (Combined Air Operations Centre). Denn dort befindet sich unter Führung der Vereinigten Staaten auf der Al Udeid Air Base der „Einsatzgefechtsstand der alliierten Luftstreitkräfte in Afghanistan“.

„Unsere Werte werden siegen“

Katar ist einer der wesentlichen Finanziers des arabischen Terrorismus. Besonders viel katarisches Geld fließt nach Syrien. Dort finanziert das Emirat die terroristische “Nusrah Front“, einen al-Qaida Ableger. Das Geld ist gut angelegt, falls der syrische Präsident Assad weichen sollte, kann Katar endlich seine Erdgas-Pipeline zur Türkei bauen. Katar aber kann nichts mit dem internationalen Terror zu tun haben, erklärte die Kanzlerin jüngst, als solche Nachrichten auftauchten. Denn Katar, so schreibt das Auswärtige Amt, „engagiert sich mit Investitionen in Deutschland und hält u.a. Beteiligungen an Volkswagen, Hochtief und Siemens.“ Dass in diesem Land des Terrors, der Sklavenarbeit und des religiösen Fanatismus die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 mit deutscher Hilfe ausgerichtet wird, kann den ranghohen Besucher aus Deutschland nicht kümmern. Wahrscheinlich musste der General die Unterkünfte deutscher Soldaten mit Tannenzweigen schmücken.

„Unsere Werte werden siegen“, behauptete die Kanzlerin nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin. – Auf dem Speiseplan der Truppenverpflegung im Kosovo, dem Bundeswehr-Feldlager Prizren, stand für Mittag am 24. Dezember: „Vorspeise Festtagssuppe, Hauptmahlzeit Rumpsteak oder Kalbsbraten, für die Vegetarier Gemüsefrikadelle, und zum Nachtisch Vanillecreme mit Himbeersoße.“ Seit dem 12. Juni 1999 ist die Bundeswehr im Kosovo. Dieser Staat wurde damals mit den Luftangriffen der NATO auf Jugoslawien geboren. Seit der „Befreiung“ des Kosovo sind dort mit saudischem Geld 240 neue Moscheen gebaut worden. Streng fundamentalistisch wahabitischer Provenienz, versteht sich. Rund 360 Dschihadisten stellt das kleine Land für die Terror-Gruppen in Syrien.

Wo siegen welche Werte? Die wertvollen westlichen Bomben treffen zumeist islamische Köpfe. Die wertvollen deutschen Beziehungen zu Katar und Saudi Arabien wurden und werden zu keiner Zeit in Frage gestellt. Der Kampf gegen den Terror zeugt nur neuen Terror. Das Weihnachtsgeschwätz der deutschen politischen und militärischen Führung soll mit seinem Lametta die Paten des Terrors in Kanzleramt und dem Verteidigungsministerium tarnen. Stille Nacht allerseits. Der Baum brennt.


Erstveröffentlichung am 26. Dezember 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 594  vom 28.12.2016



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