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Kommentar
Verbrecherkrieg in Afghanistan muss sein Nürnberg finden
Kundus, Kundus und kein Ende
Von Ulrich Gellermann

Die Kriegsberichterstatter in den deutschen Regionen sind von Obama echt enttäuscht: Der müsste doch härter gegen die Russen auftreten! Da muss doch militärisch was möglich sein, so lautet es in den verschwiemelten Kommentaren. Bald, ganz bald wird der deutsche Journalismus aber das Syrien-Problem selbst lösen! Immerhin gibt es im Strafgesetzbuch den § 80a, der das Aufstacheln zum Angriffskrieg ahndet. Doch nie wird einer der Schreitisch-Mörder angeklagt, noch findet der seit 15 Jahren andauernde völkerrechts- und grundgesetzwidrige Krieg in Afghanistan seine Richter. Formaljuristisch könnte sich das ändern: Seit langem schmort im Rechtsausschuss des Parlamentes ein Gesetz, das die Führung eines Angriffskriegs unter Strafe stellen soll.

Wie die öffentlichen Reaktionen auf die jüngsten Kämpfe in Kundus zeigen, haben weder Medien noch Offizielle ein Unrechtsbewusstsein: Die Taliban, die in diesem Land zu Hause sind, gelten als die Terroristen. Die NATO-Koalition der „Mission Resolute Support“, die fremden Truppen, deren Mandate so fadenscheinig sind wie die Begründungsreden ihrer Politiker, gelten nur als brave Helfer der afghanischen Regierung. Das ist eine Regierung, deren Legitimität ebenso zweifelhaft ist wie ihre Haltung zur Scharia, die als Teil des afghanischen Rechts fest verankert ist: Frauensteinigung ist gesetzestreu. Die braven ausländischen Helfer sind die wahren Herren Afghanistans, und sie sind selbstverständlich Aggressoren. Erst jüngst starben afghanische Regierungs-Polizisten im Bombenhagel der US-Luftwaffe. Im September erwischte eine US-Drohne afghanische Zivilisten. Und strahlend meldete ZDF-heute: „Luftangriffe auf Taliban-Stellungen haben sich als erfolgreich erwiesen.“

Mördermaschinen startbereit

Wer weiß, wer will schon etwas vom „Bagram Airfield“ wissen? Das ist der Name des US-Army-Hauptquartiers in Afghanistan. Nur 70 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt sind all die glänzenden Mördermaschinen startbereit, die den Himmel über Afghanistan in eine US-Todeszone verwandelt haben: Erdkampfflugzeuge des Typs A-10 Thunderbolt II sind dort zu bewundern und auch Kampfjets vom Typ F-15E Strike Eagle. Erstklassige Mörderdrohnen zur gezielten Exekution von vermeintlichen Terroristen ergänzen das Ensemble. Doch vom Höhepunkt der modernen US-Zwingburg ist noch weniger zu lesen oder zu hören: Die USA unterhalten dort ein Foltergefängnis der Guantanamo-Klasse, das inzwischen angeblich den afghanischen Behörden unterstellt ist. Die allerdings sind letztlich den amerikanischen Besetzern unterstellt.

War nicht mal vom Abzug die Rede? Noch immer haben die USA rund 10.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, flankiert von mehr als 30.000 privaten Dienstleistern mit dubiosen Aufgabenstellungen. Und von Abzug redet niemand mehr. Rund 1.000 Bundeswehr-Soldaten sind als „Berater“ im Südosten von Kundus stationiert. Über die berichtete jüngst die TAGESSCHAU anlässlich des neuesten Taliban-Angriffs, als ginge es um einen Wandertag: „Wie die Bundeswehr den Angriff erlebt“. Da bleibt es nicht aus, dass der Kommandeur der deutschen Einheiten in Nordafghanistan, Brigadegeneral Hartmut Renk, im Plauderton zitiert wird: „Die Zivilbevölkerung wird von den Terroristen gnadenlos als menschliches Schutzschild genutzt“. Als was mögen ihm die afghanischen Zivilisten gelten, die von den fremden Truppen im eigenen Land beherrscht werden?

Gesetzentwurf zur Strafbarkeit des Angriffskriegs beschlossen

Nun hat das Bundeskabinett tatsächlich einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit des Angriffskriegs beschlossen. Dass Politiker und Bundeswehrführung, die seit Jahren in Afghanistan das Völkerrecht brechen, zur Verantwortung gezogen werden, ist kaum zu hoffen. Und doch würde ein solches Gesetz, vom Parlament beschlossen, die politische Diskussion um den Verbrecherkrieg in Afghanistan neu beleben. Die Kriegsverbrechen am Hindukusch müssen ihr Nürnberger Tribunal finden. Dann würden sich sicher auch jene Verantwortliche verantworten müssen, die den deutschen Tornado-Einsatz über Syrien befehlen. Ein Einsatz, der Tag für Tag Zielkoordinaten für einen Bombenkrieg in einem fremden Land liefert, das dem Einsatz nicht zugestimmt hat. Ein Einsatz, der also Teil eines Angriffskrieges ist. Da hätten die deutschen Kriegsberichterstatter was zu berichten.


Erstveröffentlichung am 06. Oktober 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 583  vom 12.10.2016

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