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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Globales
Diana Johnstone: Die Chaos-Königin
Clinton am roten Knopf
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Der finale Jugoslawien-Krieg (verniedlicht „Kosovo-Konflikt“, 1999) ist das Werk des smarten, allzeit lächelnden Bill Clinton. Kilotonnenweise Bomben befahl er täglich auf die jugoslawische Stammrepublik Serbien – vornehmlich auf zivile Ziele. Was in diesem Inferno aus Lügen, Intrigen und Mordkumpanei als für die Menschenrechte notwendig dargestellt werden sollte, könnte sich als Geburtsstunde einer vielköpfigen Hydra von Politikerinnen erweisen. „Die Chaos-Königin Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht“ von Diana Johnstone greift passend zum diesjährigen US-Wahlkampf tief in die Asservaten-Kammer. The Show must go on...


Obama und engste Mitarbeiter (zweite von rechts sitzend: Hillary Clinton) verfolgen am 1. Mai 2011 die Operation Neptune’s Spear (Quelle: White House Flickr Feed, wikipedia gemeinfrei, fotografiert von Pete Souza, Official White House Photographer)

Eine Studienkollegin der heutigen US-Präsidentschaftskandidatin Clinton bewegte sich im Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien auf dem diplomatischen Parkett, vorrangig um diplomatische Lösungen zu verhindern. Madeleine Albright – mit ihrem deutschen Dackel Joschka an der Leine – schien „stolz darauf zu sein“, dass man den „Kosovo-Krieg“ in Washington „Madeleines Krieg“ nannte. Nichts anderes als der Vollzug der antiken Teile-und-Herrsche-Praxis ist der Vollzug der „Neuen Weltordnung“ (NWO New World Order) nach Maßgabe der einzigen Supermacht USA, denn sie „wird die Schwächung, ja sogar Zerstörung, der nationalen Souveränität sein, die bisher die Basis des Völkerrechts darstellte.“ Während Klaqueure der selbsternannten „Antinationalen“ oder „Antideutschen“ Beifall spenden, wird geflissentlich übersehen oder bewusst ausgeblendet, so Johnstone: „Die Souveränität der einzigen Supermacht kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden...“

Basis des Völkerrechts

So liest sich Johnstone’s Plädoyer zur Verhinderung einer „skrupellosen, opportunistischen, aggressiven“ US-Präsidentin Clinton (von Kritikern als Killary tituliert) ohne eigene Prinzipien – dafür aber einsetzbar als Speerspitze des militärisch-industriellen Komplexes – wie ein Handbuch der heimtückischen Machenschaften im „Smart-Power“-Stil. Soft-Power als kostengünstiger und hochwirksamer Part der allgegenwärtig zunehmenden psychologischen Kriegführung ist unverzichtbares Instrument der auf Suzanne Nossel (2004 in Foreign Affairs) basierenden Smart-Power, die Hillary Clinton sich zu eigen macht... „ein Rezept für die massive Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder“, so Johnstone. „Es beinhaltet die Zerschlagung von Staaten wie Jugoslawien oder des Sudan, die uns nicht gefallen (Stichwort: Selbstbestimmung), die Erhaltung von Staaten wie Ukraine und Georgien, die wir mögen (Herrschaft des Rechts), Sanktionen und Bomben gegen missliebige Staaten (Verbreitung amerikanischer Werte) und vor allem Regimewandel (Eliminierung von Diktatoren).“

Fraglos positioniert sich die Kandidatin, die – vergleichbar Madeleine – Libyen als ihren „eigenen Krieg“ verbuchen möchte, gegen Syrien und Russland. „Sie war eine der Hauptanstifterinnen des Krieges zum Sturz von Gaddafi in Libyen und immer eine der entschiedensten Verfechterinnen des Einsatzes aller notwendigen Mittel, um Baschar al-Assad in Syrien zu stürzen.“ Also nichts, worüber der deutsche Medien-Michel sich aufregen müsste. Und selbstverständlich ist sie im Machtgefüge eine uneingeschränkt glühende Vertreterin Israels, die ohne zu zögern, dessen Feinde „auslöschen“ würde, so dass der Milliardär Haim Saban mit US- und israelischer Staatsbürgerschaft „so viel wie nötig“ in ihren Wahlkampf zu investieren verspricht.

Schön oder Schein

Aber zurück zur Hydra, die von keinem Herkules zerstört, vielmehr von einem mächtigen Komplex dirigiert wird. Was im Jugoslawien-Krieg mit Unterstützung von Werbeagenturen und Imagebildung als neuartig in Erscheinung trat, ist Teil einer Herrschaftsausübung, die es wieder und wieder zu durchschauen gilt, denn zunächst soll die willfährige Mrs. Clinton in der Folge des derzeitigen obersten Befehlshabers Obama möglichst – in Abgrenzung zu Bush II und dem mit Hitler-Attributen überhäuften Gegenkandidaten Donald Trump – als LOVE Mark eingeführt werden. Was schwer fallen dürfte, aber deutsche Systemmedien arbeiten daran.

Powerfrauen – Scharfmacherinnen

Clinton als liebenswerte oder zumindest geschätzte Karrierefrau, die von ihrer vormaligen Konkurrentin Samantha Power als „Monster“ bezeichnet wurde, weil sie vor nichts zurückschrecke, um gewählt zu werden. Ja, die Powerfrauen, „diese Scharfmacherinnen arbeiten alle für demokratische Administrationen, denen angeblich die Sache der Menschenrechte am Herzen liegt...“ (Johnstone), als da wären Susan Rice, Amtsnachfolgerin von Madeleine Albright, die maßgeblich bei der Abspaltung des Südsudan mitwirkte, besagte Samantha Power, Stipendiatin der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden, die sich erfolgreich zur Befürworterin von Präventivkriegen zur „Beendigung von Völkermorden“ inszenierte. Die bereits erwähnte Suzanne Nossel, Geschäftsführerin von Human Rights Watch und der US-Sektion von Amnesty International, wurde 2009 von Mrs. Clinton  ins Außenministerium befördert, um 2012 von dort entlassen als Geschäftsführerin von Amnesty International ihre „Smart Power“-Optionen zu verbreiten, z.B. in Gestalt einer im selben Jahr weltweit beachteten Kampagne für Pussy Riot (und damit gegen Russland). Überhaupt ist Nossel Spezialistin, wenn es um die Rechte von LGTB (Lesben, Gay, Trans- und Bisexuelle) geht, insbesondere sie auf dem Wunschzettel fokussierter Staaten nicht ausgiebig beachtet werden. Homophobie – als Schlagwortschöpfung – gerät damit in den Ruch kriegstreiberischer Rezepte wie die Einbeziehung der Forderung nach Befreiung der Frauen, was bereits als embedded Feminism geoutet wurde.

Amnesty und Avaaz

„Wir müssen die Lautstärke aufdrehen“, tönte Suzanne Nossel provokativ im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi für Amnesty, statt wie sonst üblich, diplomatische Anstrengungen zu unternehmen, Pussy Riot straflos ausgehen zu lassen für ihr Randalieren, das im Kölner Dom ebenso mit Strafverfolgung geahndet würde wie in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Auch nicht der russische Staat, die Kirche hatte Klage eingereicht. In einer „persönlichen Botschaft“ an Millionen Empfänger forderte die ai-Chefin Nossel, „eine Erdrosselung der Freiheit und einen Unwillen zur Respektierung der Menschenrechte“ anzuprangern. Schließlich unterstütze Präsident Putin seinen Verbündeten in Syrien, dem „Verbrechen gegen die Menschheit“ zum Vorwurf gemacht werden. Johnstone: „Schon 2012, noch lange vor der Ukraine-Krise, waren die ‘weichen’ Machtinstrumente der USA am Werk...“ Und auch die „Smart-Power“-verdächtige Online-Plattform Avaaz stößt ins Horn: „Jetzt liegt unsere beste Möglichkeit, Putin zu beweisen, dass er einen Preis für seine Repression zahlen muss, in Europa. Das Europäische Parlament ruft zu einer Einfrierung der Vermögen und zu einem Reiseverbot für Putins mächtigen inneren Kreis auf...“ Und alles wegen einer Punkband, die mit teils obszönen Handlungen in die Öffentlichkeit trat?

Die Kampagnen zur Feindbild-Stilisierung sind im Grunde so durchsichtig, dass politisch aktive und interessierte Menschen aufmerksam werden müssten, aber ihre Durchführung ist mit Milliardenbeträgen unterfüttert, wie die Staatssekretärin im Clinton’schen Außenministerium, Viktoria Nuland, Ukraine-Beauftragte und Ehefrau des umtriebigen Neokonservativen Robert Kagan, zugab.

Diana Johnstone’s Abhandlung über die Kandidatin Clinton ist spannende Lektüre, die ganz nebenbei Seilschaften und Verstrickungen im schmutzigen Geschäft mit den Menschenrechten, die nur soviel wert sind wie sie Kriegsziele rechtfertigen, präsentiert oder einfach nur auffrischt.




Diana Johnstone
Die Chaos-Königin
Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht
Übersetzt von Michael Schiffmann
Westend-Verlag 2016
288 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
19,99 Euro

Online-Flyer Nr. 581  vom 28.09.2016



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