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Globales
Gedanken anlässlich einer Reise
Russland 2016 mit anderen Augen betrachtet
Von Brigitte Queck

Gelinde gesagt entsetzt war ich nach dem Lesen des Interviews mit Michail Kostrikow, Sekretär des ZK der KPRF, in der "jungen Welt" vom 2.9.2016 “Keine Unterstützung für Putin“. Vor den Russland vom Westen auferlegten Sanktionen habe ich im Jahre 2014 eine mehrmonatige Umfrage über den Lebensstandard von Sankt Petersburg bis zur finnischen Grenze (Karelien) gemacht und war zusammen mit meinem Mann auch in diesem Jahr wieder in Russland bei Freunden zu Gast. Dass in Russland Millionen Menschen erwerbslos sind, ist so nicht richtig. Sicher geht nicht jeder einer geregelten Arbeit nach, und trotzdem gibt es in Russland keine Armut.

Die meisten der von mir befragten Menschen stehen nach wie vor hinter der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Jeder in Russland hat ein Dach über den Kopf. Ja, in Karelien werden viele alte Häuser auf dem Lande weggerissen, weil kaum noch junge Menschen wegen der im Kapitalismus weggebrochenen Infrastruktur auf dem Lande leben wollen. Genau wie auf dem Gebiet der ehemaligen DDR versuchen kleinere Läden auf dem Lande diesen Missstand auszugleichen. Was mich immer wieder beeindruckt, ist die rege Bautätigkeit überall in Russland. Farbenfrohe Hochhäuser, die vor zwei Jahren - auch außerhalb der Großstädte - nicht zu sehen waren, künden vom gewachsenen Wohlstand der russischen Bevölkerung.

Sicher sind die Mieten im heutigen kapitalistischen Russland verhältnismäßig hoch - in der Nähe des Zentrums von Sankt Petersburg ca. 15.000 Rubel. Das ist ein großer Teil des Mindesteinkommens dort. Aber man muss berücksichtigen, dass ca. 90 Prozent der russischen Bevölkerung Wohneigentum hat - besonders die ältere Generation. Während eine Durchschnittsfamilie in Deutschland bis zum Rentenantritt - 67 Jahre - arbeiten muss, um eine eigene Wohnung zu besitzen, hat eine Durchschnittsfamilie in Moskau oder Sankt Petersburg schon nach 17 Jahren, bzw. in Sibirien schon nach drei Jahren eine Eigentumswohnung erworben! (Bericht aus einer gewiss nicht Putin-freundlichen Tageszeitung der Stadt Sankt Petersburg) Die meisten Menschen, die schwer Arbeitenden in den Reinigungsfirmen, im Gaststättenwesen oder gar im Bauwesen verdienen mehr als 30.000 Rubel monatlich.

Das Angebot im Handel ist überwältigend und zwar trotz der Sanktionen des Westens gegen Russland! Das Gemüse und Obst kommt aus Moldawien, Usbekistan und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Grundnahrungsmittel wie Brot Butter, Milch und dergleichen befinden sich dank der Forderung des russischen Präsidenten W. Putin auf dem gleichen Niveau wie vor den Sanktionen. So kostet 1 Brot ca. 25-40 Rubel, 1 kg Kartoffeln 30 Rubel, Butter 50 Rubel, 1 Huhn 130 Rubel, 1 kg Quark 120 Rubel, 1 Gurke 19 Rubel, 1 Weißkohl 29 Rubel, Makkaroni 39 Rubel, 300 g Saure Sahne 42 Rubel, 1 kg Bockwürste 390 Rubel. Gewiss kann man dies nicht mit den Preisen zu sowjetischen Zeiten vergleichen! Aber hungernde Menschen - wie hier im angeblich reichen Deutschland mit seinen Suppenküchen - haben wir in Russland keine gesehen. Und wir haben auch keine armen Rentner gesehen, die aus dem Abfall Flaschen suchen - wie bei uns.

Besonders wird sich im heutigen Russland um Familien mit Kindern sowie um Rentner gekümmert. Die Durchschnittsrente liegt bei ca. 17.000 Rubel, mit denen - wie mir dort lebende Rentner versicherten - gut auszukommen ist. Frauen können zwei Jahre zu Hause ihre Kinder betreuen und bekommen dafür 70 Prozent ihres früheren Lohnes gezahlt. Ab dem zweiten Kind gibt es ein so genanntes Muttergeld im Umfang von 300.000 bis 400.000 Rubel, das oft als Anlage für den späteren Erwerb von Wohneigentum genutzt wird. Während eine Familie im Gebiet von Sankt Petersburg ab dem dritten Kind 30 Prozent weniger Mietgeld zahlen muss - bei vier Kindern wären das 40 Prozent weniger Miete - bekommt in Karelien jede Familie ab drei Kindern eine monatliche Unterstützung von 20.000 Rubel.

Das Existenzminimum wird vom Staat bei 5000 Rubel pro Familienmitglied angesetzt. Diejenigen Familien, die unter diesem Minimum leben, werden unterstützt. Ist es da ein Wunder, dass im heutigen Russland sehr viele Kinder geboren werden - im Unterschied zu dem ja angeblich so reichen Deutschland! Auch die alten Rentner werden nicht im Stich gelassen. Rentnern über 80 Jahre stehen monatlich 2000 Rubel zusätzliche Rente zu. Was mir ebenso im Unterschied zu Deutschland auffiel: alle Rentner können problemlos, ohne aufs Geld zu schauen, umherreisen. Der Staat zahlt ihnen eine kleine Zusatzrente im Umfang des Sozialtickets, mit dem sie mit Bus, Straßenbahn oder Metro kostenlos fahren können! In manchen Gebieten Russlands erstreckt sich diese Vergünstigung sogar auf ganze Gebiete - mithin auch auf Zugfahrten.

Übrigens bekommen die Menschen in Russland ab 60 Jahren (Männer) und 55 Jahren (Frauen) Rente. Die meisten Menschen in Russland sind gut, ja sogar schick gekleidet! Überall kann man mittlerweile in Städten Russlands preiswerte kleinere Gaststätten finden, in denen z.B. ein Menü bestehend aus Vorsuppe, Hauptgang und Tee nur ca. 170 Rubel kostet! Das Flugzeug, die AEROFLOT, die uns auch diesmal nach Russland hin und zurück flog, war bis auf den letzten Platz besetzt. Was Wunder? Russland ist eine Reise wert!

Online-Flyer Nr. 578  vom 07.09.2016



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