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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
In Köln ist eine starke Protestbewegung entstanden
NATO greift Kölner Kleingärten an
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker pflanzt eine Aleppo-Kiefer – in einem Garten – nein, nicht in einem Kölner Kleingarten, sondern im Garten eines Hauses für Flüchtlinge. (1) Aleppo: das ist eine zerbombte Stadt – die zweigrößte in Syrien. Es ist immer wieder dasselbe: Staaten, die sich dem US-Imperium nicht unterordnen, werden zur Zielscheibe. 1999 wurde Jugoslawien das Opfer von NATO-Bomben. 2011 haben NATO-Staaten Libyen in die Steinzeit gebombt. Und zurzeit ist es insbesondere Syrien, das mit einem von außen entfesselten "Bürgerkrieg" zur Räson gebracht werden soll. Zur Strategie in Syrien gehört es, Menschen – insbesondere solche mit hohem Bildungsstandard – von dort in die Flucht zu schlagen. Es ist die Strategie des Aderlasses, die Strategie der Entvölkerung. Und diese Menschen kommen nach Deutschland – u.a. nach Köln. Dort sollen sie wohnen. Dazu braucht es Wohnungen. Die müssen irgendwo gebaut werden. Kleingärten sollen weichen. Dagegen erhebt sich Protest. Der Gegner ist die NATO.


Leitmotiv der Initiative "Grüne Lunge Köln"

Seit Juni 2015 ist ein dringender Appell öffentlich. Darin heißt es: „Seit über vier Jahren führen die USA mit ihren Verbündeten verdeckt Krieg gegen Syrien: sie beliefern islamistische Gruppen mit modernsten Waffen... An diesem schmutzigen Krieg gegen Syrien beteiligen sich EU und Bundesregierung. Seit 2011 haben sie ein Embargo gegen Syrien verhängt. Erklärtes Ziel dieses Embargos ist es, die Wirtschaft Syriens zum Erliegen zu bringen und seine Bevölkerung zum Aufstand gegen die eigene Regierung zu treiben... Das Embargo weiter aufrechtzuerhalten, heißt, sich an einem Völkermord mitschuldig zu machen!“ (2)

Vertreibung aus Syrien

Die "Deutschen Wirtschafts Nachrichten" schreiben am 15. Mai 2016: „Die westlichen Sanktionen gegen Syrien haben sich verheerend auf die syrische Zivilbevölkerung ausgewirkt. Menschen mangelt es an Nahrung und Kleidung. Krankenhäuser sind zerstört oder funktionieren wegen des Mangels nicht mehr. Diese Sanktionen endlich aufzuheben, wäre die wichtigste Maßnahme, um die so genannten Fluchtursachen zu bekämpfen.“ (3)

Doch die herrschende Politik weist in eine andere Richtung. „Die Gemeinden sind gesetzlich verpflichtet (unter anderem gemäß § 1 FlüAG), die ihnen zugewiesenen ausländischen Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen.“ So ist es aktuellen Veröffentlichungen der Stadt Köln zu entnehmen. (4)



Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) diagnostiziert im Dezember 2015: „Aufgrund der großen Zahl von Flüchtlingen und der nach wie vor starken Arbeitsmarktmigration aus der EU musste die IW-Baubedarfsprognose noch einmal korrigiert werden. Mehr als 430.000 Wohnungen müssen demnach bis 2020 jährlich gebaut werden.“ (5) Und Springers WELT verkündet im Januar 2016: „Einer aktuellen Empirica-Prognose zufolge werden Ende 2019 rund 1,5 Millionen Flüchtlinge ein Bleiberecht in Deutschland haben... Die Wohnungsnachfrage steige bis 2020 damit deutschlandweit um zusätzlich 656.000 Wohnungen.“ (6)


Diagramm aus einer Veröffentlichung der Stadt Köln

Die Stadt Köln nennt Zahlen für Köln. Im April 2016 ist die Zahl der Flüchtlinge auf 12.822 angewachsen. Der Anteil der aus Syrien kommenden Flüchtlinge wird – was niedrig erscheint – mit 35 Prozent angegeben. (4) Statt aufzubegehren und sich mit aller Macht der kriminellen Einmischungspolitik entgegenzustellen, ist die Stadt Köln eines von vielen willigen Rädchen im Getriebe der Entvölkerungsstrategie.


Grafik aus einer Veröffentlichung der Stadt Köln, Planungsstand: 15.2.2016

Im Februar 2016 veröffentlicht die Stadt eine Grafik mit dem Titel "Neue Flächen für den Wohnungsbau". (7) Daraus geht hervor: bis 2019 sollen in Köln 5.700 neue Wohneinheiten geschaffen werden, in den zehn Jahren danach (2020 bis 2019) weitere 12.100. Eine der neuen Flächen für den geplanten Wohnungsbau ist das Gelände des Kleingartenvereins Flora e.V. von 1922 in Köln-Nippes am nördlichen Rand der Innenstadt – dort, wo in den 1970er Jahren der Kampf gegen den drohenden Bau einer Stadtautobahn gewonnen wurde. Hier hat sich die Bürgerinitiative "Grüne Lunge Köln" gebildet. (8) Sie fordert: "Rettet den Inneren Grüngürtel. Natur bewahren. Kleingärten schützen. Bebauung verhindern." Über 10.000 Bürgerinnen und Bürger – mehr als das erforderliche Quorum – unterstützen bereits die Online-Petition. (9)

Die Ergänzung zumindest einer Forderung liegt auf der Hand: Deutschland muss aussteigen aus dem System der global operierenden Kapital-Verbrecher – aussteigen aus allen imperialistischen Organisationen, aussteigen insbesondere aus der NATO. Es ließe sich ergänzen: Hunderttausende sind vor Krieg und Terror zu uns geflüchtet. Es ist Krieg und Terror, den in erster Linie das Imperium zu verantworten hat, dessen Bestandteil Deutschland ist. Dagegen wenden wir uns entschieden.

Vertreibung aus Köln-Nippes

Und noch ein Aspekt ist zu berücksichtigen. Das Kleingarten-Gelände am nördlichen Rand der Altstadt befindet sich in einer Top-Lage. Der Profit lockt. Wenn die Stadt das Gelände an einen so genannten Investor verkauft, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass hier Luxuswohnungen entstehen. Das würde die bereits laufende Entwicklung beschleunigen, die Mieten weiter empor schnellen zu lassen, Menschen mit geringerem Einkommen aus dem Viertel zu vertreiben und so aus dem ehemaligen Arbeiterstadtteil Nippes immer stärker einen Stadtteil für die Besser-Verdienenden werden zu lassen. Die durch den Flüchtlingszustrom nach oben getriebenen Wohnraumbedarfszahlen hätten dann entscheidenden Anteil daran, dass die Kleingartenanlage weicht. Aber die Geflohenen würden sich hier – wenn ab 2020 gebaut werden sollte – kaum ansiedeln. Sie müssten mit anderen, weniger attraktiven Bereichen der Stadt vorlieb nehmen. Oder vielleicht sind sie dann längst in ihre Heimat zurückgekehrt.

Nachfolgend ist der Petitionstext der Initiative "Grüne Lunge Köln" wiedergegeben. Die Petition kann online unterzeichnet werden. (9)


Rettet den Inneren Grüngürtel. Natur bewahren. Kleingärten schützen. Bebauung verhindern.

Mit großer Sorge haben wir, die Mitglieder des Kleingartenvereins Flora e.V. von 1922 und die Anwohner der angrenzenden Stadtteile Nippes und Agnesviertel, der Presse entnommen, dass das Amt für Stadtentwicklung die Bebauung der Kleingarten-Anlage ab dem Jahr 2020 prüft.

Wir wehren uns entschieden gegen die mögliche Vernichtung und den Abriss der Anlage, die von außerordentlich hohem kulturellen, sozialen und ökologischen Wert ist.

Der Kleingartenverein Flora e.V. entstand vor fast 100 Jahren nördlich der Inneren Kanalstraße als Bestandteil des neu angelegten Inneren Grüngürtels. Er bildet mit Sportplatz, Parkanlage und Kinderspielplatz einen zusammenhängenden, unter Denkmalschutz stehenden Grünraum. Seiner Entstehung lagen sowohl Ideen einer breiten Strömung sozialen Denkens für Gesellschaft und Gemeinde, als auch neue Konzepte der Stadtplanung, der Landschaftsarchitektur und der Gartenästhetik zugrunde, die den hohen historischen und künstlerischen Wert der als Teil des Inneren Grüngürtels ausgewiesenen Kulturlandschaft begründen.

Wenn die Stadt entgegen ihrer eigenen Behauptung, den Inneren Grüngürtel nicht anzutasten, die Kleingartenanlage Flora e.V. teilweise oder ganz bebaut, wird der verbleibende Teil des Grüngürtels bis zur Unkenntlichkeit entwertet. Denn zurzeit fungiert die Kleingarten-Anlage im Gesamtkonzept als "grüner Puffer" zwischen Wohnbebauung und den intensiv – im Sommer bis weit in die Nacht hinein – genutzten Sport- und Parkflächen.

Wir, die Unterzeichner dieser Petition, fordern die Stadt Köln auf, umgehend von Ihren Plänen, die Kleingartenanlage Flore e.V. ganz oder in Teilen als Baufläche auszuweisen, Abstand zu nehmen.

Begründung:

Neben dem städtebaulichen, künstlerischen und historischen Wert der Kleingarten-Anlage ist diese ein unschätzbar wichtiger Ort des sozialen Miteinanders und der Integration. Ungeachtet von Herkunft, Hautfarbe und Religion haben wir in unseren 322 Gärten intensive Kontakte mit unseren Nachbarn und helfen uns mit Rat und Tat gegenseitig. Wir erfahren Zusammenhalt im Vereinsleben und feiern unsere Feste im Vereinsheim. Wir helfen Älteren, die ihr Wissen an uns weitergeben. Wir führen unsere Kinder und Enkel an einen achtsamen Umgang mit der Natur heran. Ein Entzug der Gärten – als Beziehungsgrundlage, zum Teil schon seit Generationen – wäre ein ausgesprochen schmerzhafter Verlust.

Nicht zuletzt erfüllen die Kleingärten eine ausgesprochen wichtige Funktion als "GRÜNE LUNGE" in der Kölner Innenstadt. Sie liegen in unmittelbarer Nähe der Inneren Kanalstraße – einer der meist befahrenen innerstädtischen Straßen – und sind unersetzlich für den stadtnahen Erhalt der Artenvielfalt und den Naturschutz. Die Gärten sind daher auch seit 1991 ausgewiesener Bestandteil des "Landschaftsschutzgebietes Innerer Grüngürtel“. Die über viele Jahrzehnte gewachsene und gepflegte Pflanzenvielfalt in den Gärten bietet wichtigen Lebensraum für viele verschiedene Vogelarten und Wildtiere.

Für die sich weiter verdichtende Innenstadt werden die beiden städtischen Grüngürtel und in ihnen der Kleingartenverein Flora e.V. mit seinen 322 Gärten von außerordentlicher Bedeutung sein.

Im Namen aller Unterzeichner/innen.
Köln, 13.04.2016 (aktiv bis 12.10.2016)


Fussnoten:

1 Veröffentlichung im EXPRESS, 30.04.2016
Neue Unterkunft: Rekers starkes Zeichen für Flüchtlinge
http://www.express.de/koeln/neue-unterkunft-rekers-starkes-zeichen-fuer-fluechtlinge-23980860

2 Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Abgeordneten und Fraktionen im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament, Juni 2015
Beenden Sie das Aushungern des syrischen Volkes! Schluss mit dem Embargo, damit Syrien Frieden bekommt!
http://www.freundschaft-mit-valjevo.de/wordpress/?p=1048

3 Veröffentlichung der Deutschen Wirtschafts Nachrichtn, 15.05.2016
Fluchtursache: Bevölkerung in Syrien leidet unter Sanktionen des Westens
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/05/15/fluchtursache-bevoelkerung-in-syrien-leidet-unter-sanktionen-des-westens/

4 Veröffentlichung der Stadt Köln, abgerufen am 16.5.2016
Flüchtlinge in Köln
http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/koeln-hilft-fluechtlingen/fluechtlinge-koeln#

5 Veröffentlichung des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, Dezember 2015
Flüchtlinge und Wohnungsbedarf
http://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/beitrag/fluechtlinge-und-wohnungsbedarf-bauen-bauen-bauen-und-leerstaende-nutzen-256729

6 Veröffentlichung in der WELT, 15.01.2016
Für Flüchtlinge fehlen mehr als 650.000 Wohnungen
http://www.welt.de/finanzen/verbraucher/article151029980/Fuer-Fluechtlinge-fehlen-mehr-als-650-000-Wohnungen.html

7 Grafische Darstellungen der Stadt Köln "Neue Flächen für den Wohnungbau", 15.02.2016
Anlage_2_Uebersicht_Flaechen_Wohnungsbau.pdf
https://ratsinformation.stadt-koeln.de

8 Website der Intitiative "Rettet den Inneren Grüngürtel. Natur bewahren. Kleingärten schützen. Bebauung verhindern."
http://www.gruene-lunge-koeln.de/

9 Online-Petition der Intitiative "Rettet den Inneren Grüngürtel. Natur bewahren. Kleingärten schützen. Bebauung verhindern."
https://www.openpetition.de/petition/blog/rettet-den-inneren-gruenguertel-natur-bewahren-kleingaerten-schuetzen-bebauung-verhindern

Online-Flyer Nr. 562  vom 18.05.2016



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