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Kommentar
Gespenster der Vergangenheit: Militarismus und Nationalismus
Rüstung und Entrüstung
Von Harald Schauff

Gespenster der Vergangenheit spuken noch heute: Militarismus und Nationalismus. Ausfuhrrekorde sind dem Bundeswirtschaftsministerium ein Wohlgefallen. Mit Rekordzahlen beim Rüstungsexport bringt die Wirtschaft ihren Minister jedoch in Erklärungsnot. Immerhin hatte der Scherzbengel Gabriel bei Amtsantritt vollmundig verkündet, diesen deutlich reduzieren zu wollen. In der ersten Hälfte seiner Amtsperiode hat das noch nicht ganz geklappt. Beim Durchwinken der Exporte hat er wohl das eine oder andere U-Bötchen, Panzerchen und Kanönchen übersehen.

Kann bei diesen Massen an Ausfuhrware ja mal vorkommen. Außerdem sollte ein Ressortleiter besser nicht versprechen, was Staatssekretäre und Wirtschaft nicht zu halten gewillt sind. Vielleicht hat er dieses Jahr mehr Glück. Infolge der abkühlenden Weltkonjunktur könnte auch weniger deutsches Militärgerät ins Ausland geliefert werden. Das kann er sich dann gutschreiben und darauf verweisen: Gut Ding will Weile haben. Besonders in der Wirtschaftspolitik. Ein schweres Panzerschiff wie die Fregatte ‘Deutschland’ braucht eben seine Zeit, bis es auf den neu eingegeben Kurs in Richtung ruhige und friedliche Gewässer einschwenkt. Solche Riesenpötte sind wahrlich nicht leicht zu steuern, weil extrem träge, ganz wie Tanker oder Containerschiffe. Da gehen schnell mal ein paar Jahre ins Land...

Ähnlich wie bei Kriegen, die Millionen Menschen in die Flucht treiben. Die Bundesregierung schwadroniert gern von der Bekämpfung der Fluchtursachen. Dabei ergibt sich ein Problem: Die Suche nach den Ursachen, den eigentlichen wohlgemerkt. Sie ist so endlos lang, diese Ursache-Wirkungs-Kette. Leicht gerät ihr Anfang aus dem Blick. Anderenfalls hätten Waffenschmieden und Kanonengießereien wie Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann und Heckler & Koch längst dicht gemacht werden müssen. Nix da. Sie produzieren fröhlich weiter ihr Tötungsinstrumentarium und brüsten sich stolz mit dessen Funktionstüchtigkeit und Präzision. Es lebe die deutsche Wertarbeit. Gleich wer dadurch stirbt. Ja, die kausalen Ketten gilt es zu verstehen. Damit tun sich entrüstete Pegida-Protestler schwer, sonst würden sie ihre Kundgebungen vor den Toren der Panzerbauer und Kanonenfertiger abhalten. Den kritischen Blick vor die eigene Haustür kennt der Nationalismus nicht. Er hält lieber argwöhnisch Ausschau, wer sich von jenseits des Garten- und Grenzzaunes annähert. Der ist ihm fremd und suspekt, da fühlt er sich bedroht. Sein Feind kommt immer von außerhalb. Deshalb kann der Zaun gar nicht hoch genug sein, das eigene Terrain möchte erbittert verteidigt werden, wenn nötig, mit Waffengewalt. Gegen marodierende Horden, welche die Angst in den Fremden, den Flüchtlingen zu erblicken glaubt.

Aus Tradition hielt der Nationalismus immer schon gern Händchen mit dem Militarismus. Dieser hatte ihm zu Bismarcks Zeiten den Weg zur deutschen Einheit geebnet. Mittels dreier Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich. Dort gab es 1871 im Spiegelsaal von Versailles den krönenden Abschluss: Die Krönung des deutschen Kaisers. Dank des preußischen Militarismus schwoll dem deutschen Nationalismus gehörig die Brust. Sein Kopf blieb klein und sah nicht, wohin er sich verrannte: In die Katastrophen zweier Weltkriege und des Dritten Reiches einschließlich Holocaust. Und noch immer hat er nichts gelernt aus der Geschichte. Immer noch fürchtet er die Wildfremden, die ihm angeblich seinen Platz streitig machen, ihn seiner abendländischen Kultur (auf Orientteppichen) berauben und seinen Leib und sein Leben gefährden. Angeblich hätte der dritte Weltkrieg gegen sein Land längst begonnen, die Flüchtlinge seien Invasoren. Er meint zu wissen, was gut für sein Land ist. Er merkt nicht, dass er dessen größte Bedrohung tagtäglich im Spiegel erblickt.


Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe April 2016, erschienen.

Online-Flyer Nr. 557  vom 13.04.2016



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