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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Krieg und Frieden
Persönliche Erklärung vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig
Den Krieg würde niemand in diesem Saal überleben
Von Wolfgang Jung / LUFTPOST

Auch das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat dem LUFTPOST-Herausgeber Wolfgang Jung die Befugnis, gegen die völkerrechts- und verfassungswidrige Nutzung der US Air Base Ramstein zu klagen, abgesprochen. Im Rahmen der Revisionsverhandlung über die Verwaltungsstreitsache Wolfgang Jung gegen die Bundesrepublik Deutschland am 05.04.2016 wies der vorsitzende Richter darauf hin, dass es nicht um die Aufklärung aufgeworfener Sachfragen, sondern nur um die Klagebefugnis des Klägers gehe. Der Klägeranwalt Dr. Peter Becker stellte den Antrag, seinem Mandanten Wolfgang Jung Gelegenheit zu einer Erklärung zu geben, damit dieser seine persönliche Betroffenheit darstellen könne. Der Vorsitzende merkte an, das sei in der Prozessordnung zwar nicht vorgesehen, ließ den Kläger aber reden. So gab der Kläger Wolfgang Jung zu seiner Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und die völkerrechts- und verfassungswidrige Nutzung der U.S. Air Base Ramstein die folgende persönliche Erklärung ab:


Wolfgang Jung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Foto: LUFTPOST)

Ich bin 1938 geboren und habe als Kind den Zweiten Weltkrieg von Anfang bis Ende miterlebt. Manchmal träume ich heute noch von Angriffen britischer und US-amerikanischer Jagdbomber, bei denen auch Kinder meines Alters starben, und von nächtlichen Aufenthalten in stickigen Erdbunkern. Mein Vater galt seit Kriegsende als vermisst, und meine Mutter und ich erfuhren erst 1950, dass er bereits im Dezember 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft verstorben war.

Weil ich schon als Kind erleben musste, was Krieg bedeutet, habe ich mich bereits als Gymnasiast, Student und Lehrer für Völkerverständigung und Aussöhnung eingesetzt, mich immer wieder an Friedensdemonstrationen beteiligt und tue das als 78-jähriger Pensionär immer noch.

Ich bin in Miesenbach aufgewachsen, nur 2 km Luftlinie von der U.S. Air Base Ramstein entfernt, und lebe bis heute in ihrer Nähe. Flugzeuge, die in Ramstein starten oder landen, haben keine Touristen und Geschäftsreisende oder dringend benötigte Maschinenteile und leicht verderbliche Lebensmittel an Bord, sie bringen Soldaten, Waffen und Munition in Kriegsgebiete oder kehren mit Toten und Verwundeten – und seit letzter Woche auch mit aus der Türkei evakuierten US-Zivilisten zurück.

Von diesem US-Militärflugplatz gehen auch Gefahren für die Anwohner aus. Sie erinnern sich immer noch an die Flugtagskatastrophe im Jahr 1988, bei der über 70 Besucher getötet und mehr als 1.000 zum Teil schwerst verletzt wurden. Nur zwei Jahre danach stürzte kurz nach dem Start in Ramstein ein Transporter des Typs Galaxy ab, nur wenige Kilometer – also kaum eine Flugminute – von dem US-Munitionsdepot Miesau entfernt. Dort waren Tausende kurz vorher unter strengen Sicherheitsvorkehrungen aus einem Depot bei Clausen abtransportierte Giftgasgranaten unter freiem Himmel zwischengelagert. Nicht nur die Region Westpfalz und das Saarland, sondern weite Gebiete Süddeutschlands und Frankreichs schrammten damals ganz knapp an einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes vorbei. Meine Frau und ich wollten deshalb schon aus der Westpfalz wegziehen, mussten aber bleiben, weil meine Mutter erkrankte und zum Schwerstpflegefall wurde.

Ramstein: Indikator für eine neue US-Militärintervention

Die Anwohner der Air Base Ramstein wissen schon Wochen vorher, dass wieder eine neue US-Militärintervention im Mittleren Osten oder in Afrika bevorsteht, weil der über diese Base abgewickelte Flugverkehr zum Transport von Truppen, Bomben und Raketen dann signifikant zunimmt. In den lokalen Medien wird über Warnsignale dieser Art schon lange nicht mehr berichtet.

Um über die von der U.S. Air Base Ramstein und anderen Militärbasen ausgehenden Gefahren zu informieren, gebe ich zusammen mit meiner Frau Fee Strieffler seit 2004 auf eigene Kosten die "LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein" heraus, ein werbefreies Informationsmedium, das unter http://www.luftpost-kl.de aufzurufen ist. Darin verbreiten wir von mir übersetzte wichtige Nachrichten aus öffentlich zugänglichen US-Quellen – aus Militärpublikationen wie der STARS AND STRIPES und dem KAISERSLAUTERN AMERICAN, aus US-Zeitungen wie der New York Times und aus Websites wie Global Research und Information Clearing House. Damit wollen wir auf Rechtsverstöße aufmerksam machen und vor der wachsenden Kriegsgefahr warnen.

Auf der U.S. Air Base Ramstein werden seit Jahren das Grundgesetz und das Völkerrecht missachtet. Durch Veröffentlichungen in verschiedenen ausländischen und deutschen Medien wurde in jüngster Zeit wenigstens die auf dieser Base errichtete SATCOM-Relaisstation bekannt, über die der gesamte Datenaustausch zwischen den Drohnen-Piloten und -Operatoren in den USA und den US-Drohnen abgewickelt wird. Den über Pakistan, Afghanistan, dem Irak, Syrien, dem Jemen, Somalia und anderen afrikanische Staaten kreisenden US-Drohnen sind nicht nur feindliche Kämpfer, sondern auch schon Tausende unbeteiligter Zivilisten zum Opfer gefallen. Durch die Schließung der derzeit noch unersetzlichen SATCOM-Relaisstation auf der Air Base Ramstein könnte der weltweite, überwiegend völkerrechtswidrige US-Drohnenkrieg schlagartig beendet und damit eine der Hauptursachen für den Flüchtlingsstrom und das Flüchtlingselend beseitigt werden.

Ramstein: Gefahr für den Weltfrieden

Von der U.S. Air Base Ramstein gehen aber noch weit größere Gefahren für den Weltfrieden aus. Dieser Militärflughafen ist das größte Luftdrehkreuz der US-Streitkräfte außerhalb der USA. Nach Meinung eines früheren Base-Kommandeurs ist sie die "größte, verkehrsreichste, beste und eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Militärbasis der Welt". Über die Air Base Ramstein werden über 90 Prozent der Personen- und Frachttransporte der US-Streitkräfte in den Mittleren Osten und nach Afrika abgewickelt. Auf dieser Base befinden sich wichtige Kommandozentralen, die für den gesamten militärischen Flugverkehr über Europa, Afrika und dem Mittleren Osten zuständig sind.

Dem Hauptquartier der U.S. Air Forces in Europe – Air Forces Africa unterstehen alle US-Flugplätze in Europa. Über das 603. Air and Space Operations Center / AOC werden alle US-Luftoperationen über Europa und Afrika kommandiert und kontrolliert. Es kann innerhalb von nur 7 Stunden Luftangriffe in ganz Europa, einschließlich Russlands, und in Afrika organisieren. Analysten des AOC sollen auch an der Vorbereitung von Drohnenangriffen in Afrika beteiligt sein.

Dem AIRCOM Ramstein unterstehen die Luftwaffen aller NATO-Staaten. Es wertet alle einlaufenden Informationen aus und regelt u. a. auch die Luftraumüberwachung über dem Baltikum. Eine Befehlszentrale für den Raketenabwehrschild der USA und der NATO ist in das AIRCOM integriert. Weil der Abwehrschild die russischen Interkontinentalraketen, die einen atomaren Erstschlag der USA überlebt haben, über Europa abfangen soll, muss die Befehlszentrale in Ramstein sofort von russischen Raketen ausgeschaltet werden, wenn sich die Interkontinentalraketen der USA im Anflug auf Russland befinden.

Philip Breedlove, ein General der U.S. Air Force, der vorher Chef der beiden Hauptquartiere auf der Air Base Ramstein war und derzeit vom EUCOM in Stuttgart aus alle US-Streitkräfte in Europa und vom NATO-Hauptquartier bei Mons in Belgien aus alle Streitkräfte sämtlicher NATO-Staaten kommandiert, hat in einer Anhörung vor dem Verteidigungsausschuss der US-Repräsentantenhauses in Washington am 25. Februar dieses Jahres gesagt: "Das EUCOM arbeitet mit den Verbündeten und Partnern zusammen, um Russland abzuschrecken, bereitet sich aber auch darauf vor, nötigenfalls zu kämpfen und zu siegen."

Vorbereitungen für einen Angriff auf Russland

Die Vorbereitungen für einen Angriff auf Russland laufen bereits. Am Himmel über der Westpfalz und dem Saarland werden Luftkämpfe und Luftangriffe auf feindliche Radarstationen geübt. Auf den US-Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels in Bayern proben Soldaten aus allen NATO-Staaten und Partnerländern gemeinsame Kampfeinsätze. Ständig rotieren Einheiten der U.S. Air Force und der U.S. Army aus den USA nach Europa, um sich in zahlreichen Manövern auf den Ernstfall vorzubereiten – entlang der gesamten Ost- und Südgrenze der NATO vom Baltikum und den anderen osteuropäischen Staates übers Schwarze Meer und das Mittelmeer bis nach Spanien. Ende März wurde bekannt, dass ab Februar 2017 eine komplette US-Panzerbrigade entlang der Ostgrenze der NATO positioniert werden soll.

Wiederholt haben auch schon schwere US-Atombomber des Typs B-52 an den Manövern teilgenommen. Die US-Atomwaffen in Europa werden modernisiert. In vorgeschobenen Depots entlang der NATO-Ostgrenze werden Waffen und sonstiges Kriegsgerät bereitgestellt. Das Ammunition Center Europe, das größte Munitionsdepot der U.S. Army in Europa bei Miesau im Kreis Kaiserslautern, wurde gerade mit 5.000 Tonnen Munition im Wert von 177 Millionen Dollar aufgefüllt.

Die US-Streitkräfte haben im Budgetentwurf für 2017 die Vervierfachung ihrer Militärausgaben für Europa beantragt. Der US-Thinktank Atlantic Council fordert in seinem neuesten Report "Alliance at Risk" die NATO ganz offen zur Vorbereitung eines Atomkrieges gegen Russland auf. All diese Maßnahmen dienen der Vorbereitung eines völkerrechts- und verfassungswidrigen Angriffskrieges gegen Russland und erhöhen die Kriegsgefahr.

Ich habe als Kind den Zweiten Weltkrieg überlebt. Dieses Gericht könnte mit einem Urteil, das die Bundesregierung zum Eingreifen zwingt, einen entscheidenden Beitrag zur Verhinderung des Dritten Weltkriegs leisten. Den würde nämlich niemand in diesem Saal überleben.


Veröffentlichung mit zusätzlichen Hinweisen und Informationen bei LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein
http://luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP04816_060416.pdf


Online-Flyer Nr. 557  vom 13.04.2016



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