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Kommentar
Zweifel an der Bundesregierung sind blasphemisch
Gott will den Krieg gegen den Terror
Von Ulrich Gellermann

Es war Ostern, man dachte an nichts Böses, da meldete sich hinterrücks Norbert Röttgen im West-Berliner TAGESSPIEGEL: "Wir müssen uns noch stärker als bisher in internationale Konflikte einschalten und die Ursachen von Gewalt bekämpfen.“ Wer jetzt an die Gewalt der diversen westlichen „Engagements“ von Afghanistan bis Syrien dachte, dem wurde ganz anders: Sollte sich Deutschland wirklich mit den USA anlegen? Aus der NATO austreten, die Bundeswehr aus ihren zur Zeit 14 Auslandseinsätzen nach Hause holen und von der korrupten Regierung in der Ukraine ultimativ verlangen, das Minsker Friedensabkommen einzuhalten und endlich direkt mit den Separatisten zu reden? Ach, nein, der kleine Norbert wollte sich nur zurückmelden. Da kommt ihm der aktuelle Terror als Verstärker der eigenen Lautsprecherei gerade Recht.

Zwar ist der Mann Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, aber Röttgen hatte einst ganz andere Ambitionen. Er wurde als Merkels Darling und möglicher Nachfolger gehandelt. Aber dann hatte er eine Landtagswahl verloren. Und schwups verlor er sein Ministeramt, Merkels Wohlwollen und das Gleichgewicht. In welcher Reihenfolge auch immer. Doch Röttgen, der schon mal gemeinsam mit seiner Frau als `Die Kennedys vom Rhein´ präsentiert wurde, robbt sich langsam wieder ran und darf, offenkundig mit Merkels Zustimmung, gefährliches Zeug in die Welt setzen: „Wir müssen unsere diplomatischen Initiativen verstärken und um eine militärische Komponente erweitern“. In der einen Hand den Palmzweig, in der anderen das Maschinengewehr, kurz wedeln, zeitgleich schießen, das ist die hohe Schule der US-Diplomatie, wie man sie weltweit kennt. Röttgen darf natürlich nur das sagen, was die Kanzlerin will. Auch mit dieser Äußerung zum anhaltenden Irak-Krieg bei Günter Jauch: „Sie können alle Waffenlieferungen aus Deutschland wegdenken, wir hätten trotzdem diesen Konflikt“ referiert er nur his Mistress´s voice.

So, wie der Röttgen die deutschen Waffen-Exporte gut heißt, so begreift er auch den neuen deutschen Hilfs-Imperialismus in Syrien und begrüßt „positiv“ die Bereitschaft Saudi Arabiens mit eigenen Truppen in den Syrienkrieg zu marschieren. Dass Saudi Arabien – durch Geld, Söldner und Waffenlieferungen – längst in Syrien Kriegspartei ist, mag dem CDU-Politiker öffentlich nicht einfallen. Einen guten Waffen-Kunden wird man schließlich nicht bloßstellen. Auch, dass der lang andauernde „Krieg gegen den Terror“ bisher nur den Terror hat wachsen lassen, dass mit jedem Auslandseinsatz, mit jeder Drohne, mit jedem gelieferten Panzer die Zahl terroristischer Anschläge gestiegen ist, macht die Propheten der „militärischen Komponente“ nicht irre in ihrem Glauben daran, dass sie ein Gottesgeschenk für die Welt sind.

Anders lässt sich das Facebook-Posting des Vorsitzenden der „Evangelischen Kirche in Deutschland“ Heinrich Bedford-Strohm nicht erklären: "Terror ist Gotteslästerung“, schreibt der Mann und sieht sich auf der richtigen Seite, hatte doch auch die Kanzlerin amtlich festgestellt: "Terrorismus ist für mich Gotteslästerung“. Der oberste Pfarrer Deutschlands und die Pfarrerstochter, sie halten sich für schlau: Mit dem Verdacht der „Gotteslästerung“ wird der Terror schnell der islamischen Glaubensrichtung angeklebt. Obwohl man wissen kann, dass zum Beispiel die Terrorgruppe IS/Daesch nur ein Geschäftsmodell einer Gruppe ehemaliger Geheimdienstoffiziere der irakischen Streitkräfte ist, die unter der falschen Flagge des Islam an die Macht wollen. Aber das Etikett der Gotteslästerung weist dem Feind deutlich die Rolle des Bösen zu und gibt den Bundeswehreinsätzen den heiligen Schein der Verteidigung des echten Glaubens.

Und wo der liebe Gott wohnt, da ist der Zweifel nicht angebracht. So muss denn Norbert Röttgen als Zeuge auftreten, wenn es um einen Terrorismus-Unterstützer, den türkischen Präsidenten Erdogan, geht. Der schnell und leicht beleidigte Herr ist wegen einer deutschen Satire-Sendung über ihn böse und mischt sich in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland ein. Und weil das Schweigen der Bundesregierung langsam peinlich wird, meldet sich Röttgen mit einer doppelten Zurückweisung: Er habe „keinen Zweifel“, dass die Bundesregierung „die zweifelsfreie Geltung“ von Grundrechten in Deutschland „auf ihren Wegen und ihren Kanälen“ zum Ausdruck gebracht habe. Dieser servile Ton ist zweifellos der gebückten Haltung zu verdanken, mit der Röttgen eine Nicht-Kritik am NATO-Partner und Terror-Paten zu erklären versucht. Und Zweifel an der Bundesregierung – die den Terror in Brüssel oder Paris als „Gotteslästerung“ verkauft, den der Türkei in Syrien oder in Kurdistan aber einfach nicht wahrnehmen will – der ist natürlich blasphemisch.


Erstveröffentlichung am 31. März 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 556  vom 06.04.2016

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