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Globales
Das zentrale Merkmal des Patriarchats
Hass auf das Lebendige
Von Claudia von Werlhof

Es stehen mir nur einige Minuten zur Verfügung, um Sie von einem neuen Begriff zu überzeugen, der jedoch von Nutzen sein wird, um unsere so gefährliche Zeit und ihre Kämpfe auf einer tieferen Ebene besser zu verstehen, und das heißt: von ihren Wurzeln her. Die Zeit, noch viele Witze zu machen und sich dauernd irren zu dürfen, ist eigentlich vorbei, denn der von den Zapatisten so genannte „Orkan“ kommt immer schneller immer näher. Daher muss es mit den Verwirrungen nun einmal ein Ende haben. Das Weltsystem, das uns alle bedroht, gründet sich im Wesentlichen auf ein sehr seltsames Phänomen, das mir erst vor kurzem bewusst geworden ist: Einen “Hass auf das Lebendige“. Es handelt sich um einen Hass auf das Lebendige, der zum System, zur Gesellschaft geworden ist: ja, zur globalen Zivilisation.


Gamescom-Messe, Köln 2015 (Foto: arbeiterfotografie.com)

Der Hass auf das Lebendige ist in allen Institutionen der modernen Zivilisation verkörpert, in der Wirtschaft ebenso wie in der Politik, in der Wissenschaft, den Geschlechterverhältnissen und speziell in der modernen Technik. Es gibt keinen Ort mehr, an dem nicht der Hass auf das Lebendige als Grundidee und -gefühl buchstäblich in Beton gegossen worden wäre. Der Hass auf das Lebendige ist daher kein beliebiges Hassgefühl oder ein rein individuell-persönliches Empfinden einer Situation oder eines Augenblicks. Sondern dieser Hass ist nichts Geringeres als der Hass auf alles Leben selbst, der – das ist die These – zum wesentlichsten und allgemeinsten Fundament, Motiv und Kriterium für die Verfassung der als „patriarchal“ definierten Zivilisation als solcher wurde, also seit etwa 5.000 Jahren.

Das Patriarchat als Begriff taucht heute erneut aus seiner Tabuisierung auf, die vor etwa 30 Jahren begann, in denen es praktisch verboten war, ihn zu verwenden. Denn das Patriarchat war ein Begriff des radikalen Feminismus, der im Zuge der Ankunft des Neoliberalismus zerstört werden sollte.

Daraus resultieren die sogenannten „Gender-Studies“, in denen vom Patriarchat keine Rede mehr ist, und die sich den Forderungen nach mehr „Gleichheit“ innerhalb des gegenwärtigen Systems anschlossen, was bedeutet, sich besser in dieses System integrieren und in ihm an die Macht kommen zu wollen – genauso wie es die Linke schon in Zeiten davor immer propagiert hatte.

System des Mordens – bis hin zum ‘Omnizid’, der Zerstörung des  Planeten

Heute jedoch geht es darum, das System des Hasses auf das Lebendige endlich zu verlassen, anstatt sich immer mehr zum Komplizen seiner Massaker zu machen – und das auch noch freiwillig. Denn das patriarchale System ist kein System des Todes – wie es hier mehrmals gesagt wurde – sondern ein System des Mordens – also des künstlichen Todes: des Ökozids, des Muttermordes, des Mordes an Menschen allgemein, und schließlich des „Omnizids“ – des Mordes an „Allem“.

Dieser taucht auch schon über dem Horizont auf und zwar in Gestalt des sogenannten „Geoengineering“, das bereits mit der Zerstörung des Planeten selbst, unserer Mutter Erde und ihrer lebendigen Ordnung begonnen hat, indem die Erde als Planet mittels Geoengineering in eine gigantische Kriegswaffe verwandelt wird! Dies geschieht durch die Anwendung neuer, „postatomarer“ Massen¬vernichtungs¬techniken, die dazu dienen sollen, die Kontrolle über den Planeten als solchen zu übernehmen und seine Energien für „Wetterkriege“ und die Anwendung von „Plasmawaffen“, unter anderen, einzusetzen.

Es handelt sich um das militärische Geoengineering, eine Art von „Erd-Kriegskunst“, die in ca. 70 Jahren des Experimentierens mit der Erde entstanden ist. Heute tritt es im Gewand eines „zivilen“, „wissenschaftlichen“ Geoengineering in Erscheinung, das uns – so sollen wir glauben – vor dem sogenannten „Klimawandel“ und der sogenannten „globalen Erwärmung“ schützen soll. Die letzteren aber sind das Ergebnis der genannten Experimente selbst und nicht etwa der Emission von CO2-Treibhausgasen, wie man uns fälschlicherweise sagt und damit die Verbrechen der Militärs verbirgt.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich das Erscheinen des Buches von Dr. Rosalie Bertell: „Planeta Tierra – la Nueva Guerra“ („Planet Erde – der neue Krieg“) ankündigen, das bald nach der UNO-Klimakonferenz in Paris im Dezember hier in Mexiko veröffentlicht werden soll (Verlag La casa del mago, Guadalajara).

Wir wussten ja, dass das Militär keine Institution der Liebe zum Leben ist. Aber wir hatten bisher keine Ahnung davon, dass auch die zivilen Institutionen mit demselben perversen, unlogischen und, wie Ivan Illich sagen würde, „kontraproduktiven“ Hass auf das Lebendige vergiftet sind.

Wie kann man das Leben hassen, das ja auch das eigene ist? Sich selbst hassen? Warum? Dieses unaussprechliche Geheimnis musste also enthüllt werden! Denn es ist ja klar, dass der Hass auf das Lebendige weder eingestanden, noch als solcher direkt benannt, gefördert oder propagiert wird. Er wird auch nirgendwo erwähnt. Denn fast niemand würde an einem Projekt des Hasses auf das Lebendige teilnehmen wollen. Schließlich ist die Liebe zum Leben immer noch etwas unseres, zutiefst menschliches – sie kommt noch aus der nicht-patriarchalen Zivilisation, der sogenannten „matriarchalen“. Diese ist die Zivilisation der Liebe zum Lebendigen! – der Kooperation mit ihm, seiner Feier und des „Guten Lebens“ in Gemeinschaft – ohne Staat, Hierarchie, Polizei oder Banken.

Damit die unsäglichen Verbrechen nicht gesehen werden, die alle Patriarchate gegen das Leben selbst, die Kinder, Frauen, Menschen überhaupt, die Erde, Tiere und Pflanzen begangen haben, wird dieses düstere Motiv des Hasses auf das Lebendige verborgen. Denn dieser Hass ist der Grund und die Rationalität für die Gewalt gegen das Leben. Und diese Gewalt soll gleichzeitig die Rebellion und den Aufstand der Menschen verhindern, die nicht an dieses Projekt des Hasses auf das Lebendige glauben und für eine schwere Beleidigung ihrer Würde halten würden, sollten sie es erkennen.

Stattdessen sagt man uns, dass die Gewalt notwendig sei für die Entwicklung, den Fortschritt und das angeblich bessere Leben für alle. Und oft genug wird diese Gewalt weder verstanden, noch wahrgenommen, es sei denn von den jeweils direkt davon Betroffenen. Der Trost besteht dann im Versprechen eines besseren Lebens, nachdem eben dies gerade geopfert wurde!

Warum wohl wird dieser Mangel an jeder Logik so oft nicht erkannt, dieser unerträgliche Widerspruch, der darin besteht, dass man das Leben opfern soll, um ein besseres zu bekommen? Dieser weitgehend unbemerkte Widerspruch ist dem utopischen Projekt des Patriarchats geschuldet, das schon in antiken Texten erklärt wird, also in den uns bekannten Frühpatriarchaten. Es handelt sich um das Projekt eines Umsturzes der Naturordnung als solcher, um stattdessen eine a- und anti-natürliche Ordnung zu errichten.

Diese Idee wird schon sehr früh ausgebildet und hat ihren Ursprung in den Eroberungskriegen gegen die matriarchalen Zivilisationen in aller Welt. Mit der Etablierung einer Kontrolle über die Unterworfenen musste ein System erfunden werden – der Staat – das diese Kontrolle organisierte. Und sie war eine Kontrolle über das Leben, die Lebenden selbst, nämlich die Unterworfenen, die Natur und die Kultur des Matriarchats. Um die Erhebung der Menschen und das Ende der patriarchalen Herrschaft zu vermeiden, entwickelte sich eben jenes System des Hasses auf das Lebendige, das in dem Projekt gipfelte, die natürliche Ordnung durch eine entgegengesetzte, künstliche ersetzen zu wollen – um sich gewissermaßen das Problem mit dem Lebendigen ein für alle Mal vom Halse zu schaffen. Mit der neuen Ordnung glaubte man, nicht mehr abhängig zu sein von der Natur, den Frauen, den Müttern und der Erde, indem man ein System männlich-patriarchaler Schöpfung erfand, das jenseits der Zyklen, Verbundenheiten und Bewegungen der Natur lag: So kam man von der Göttin zu einem Schöpfergott und schließlich zum künstlichen Leben der irdischen „Götter“ von heute, das post- und transhuman ein soll, Cyborg, Roboter oder in künstlichen Uteri hergestellt, in Phiolen, Retorten, globalen Reproduktionsindustrien – allem, was wir heute dazu in der Welt vorfinden.

Patriarchat: Das Monster, das Leben unumkehrbar vernichtet

Dieses Projekt der Ersetzung des Lebens durch ein Nicht-Leben wurde praktisch erst mit der modernen, patriarchal-kapitalistischen Zivilisation und ihrer Maschinen-Technik realisiert. Die früheren „alchemistischen“ Versuche, das angeblich bessere, höhere und göttlichere Leben zu produzieren, scheiterten alle. Erst die moderne Technik führte das patriarchale Projekt seiner monströsen Verwirklichung zu, und daher bezeichne ich das moderne Patriarchat als Das Monster!

Das Monster besteht nicht nur darin, dass es ausbeutet, extrahiert und aneignet. Sondern es besteht vor allem darin, dass es das Angeeignete in sein Gegenteil transformiert – in das, was heute „Kapital“ genannt wird: Ware, Geld, Maschine und Befehl von Oben (nach Marx).

Es kann daher in dieser Zivilisation auch keine wirkliche Demokratie geben. Es handelt sich um ein im Grunde totalitäres System, das nicht auf die Betroffenen hört, sich nicht (mehr) bremsen lässt und inzwischen eine immer größere Geschwindigkeit und Effizienz erreicht hat, um mit dem Leben auf diesem Planeten Schluss zu machen und dabei auch noch Profite und Macht zu akkumulieren...

Es soll dabei alles, was ist, von sogenannten Vätern stammen, jeder Ursprung soll patriarchal sein und nicht mehr mütterlich, von einer Mutter, der Mutter Erde, eben matriarchal. Daran ist zu sehen, dass das Patriarchat eine neue „Technologische Formation“ ist, die darin besteht, alles, was existiert, auf gewalttätige Weise zu erzeugen und zu verwandeln, und damit von sich aus nicht aufhören wird, bis nichts mehr existiert.

Der Kapitalismus ist die moderne Form der Realisierung dieses utopischen Projekts der allgemeinen Transformation, das zur Folge hat, dass wir alle tot sind, wenn es denn mit der Ankunft des „reinen“ Patriarchats ohne matriarchale Reste beendet sein wird.

Ich hoffe, dass die anwesenden Männer, die ein Problem mit dem Begriff „Patriarchat“ hatten, jetzt sehen können, dass dieses Patriarchat auch mit ihnen zu tun hat, und sich nun dafür entscheiden, die Seiten zu wechseln, um auf die der Natur und der Frauen zu kommen. Denn die Frauen sind dem Lebendigen (immer noch) näher, da es aus ihnen hervorkommt. Und daher sind sie nicht nur stets die ersten Opfer des Hasses auf das Lebendige, sondern auch der Wahrheit dieses Lebendigen näher.

Wenn sich die Frauen erheben, tun sie es für das Leben – immer schon und seit langer Zeit. Eben deshalb erheben sich die Frauen heute erneut und massiv in aller Welt – gegen die Gewalt und für das Leben. Man sollte ihnen folgen, sie umarmen und dafür lieben. Nicht sie sind die Bedrohung, sondern es ist Das Monster, die patriarchale „Hydra“, eine Kombination von allem auf einmal: dem Kapitalismus, dem Neoliberalismus, dem Kolonialismus, der Globalisierung und dem Militarismus.

Das Patriarchat ist ein historisches Projekt, das mit dem Kapitalismus seinen Höhepunkt erreicht. Wegen seines Hasses auf alles Lebendige muss es notwendigerweise kollabieren, denn es zerstört das Leben ununterbrochen, ohne es ersetzen zu können. Denn vom Kapital her kommt nichts mehr ins Leben zurück. Die „Patriarchalisierung“ ist irreversibel. Es handelt sich um eine Religion. Und die Patriarchen können nicht aufhören, an sie zu glauben, weil sie sonst zum Matriarchat zurückkehren müssten...

Das wäre in der Tat eine gute Idee! Welche Freude! Man könnte den patriarchalen Betrug hinter sich lassen und wieder in die menschliche Würde kommen, indem man sich diesem monströsen System rundweg verweigert. Ohne unsere Partizipation und Kooperation wird man es ohnehin nicht aufrechterhalten können!

Mutter Erde oder Tod! Das ist das Thema von heute. Vom gemeinsamen Haus zur gemeinsamen Sache – und das heißt Befreiung von dem absurden Hass auf das Lebendige als einer kollektiven Krankheit, die immer noch ebenso kollektiv unbewusst ist. Das Leben ist nicht da, um getötet, sondern um geliebt zu werden, und um für es zu streiten!


Vortrag, gehalten am 20.11.2015 im Rahmen des Internationalen Kolloquiums "Stimmen Weben für ein gemeinsames Haus" an der Iberoamerikanischen Universität in Mexiko-Stadt, beim Schluss-Podium "Eine neue Welt jenseits von Kapitalismus und Patriarchat bauen".


Veröffentlicht auch in der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 16 (März 2016) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.



Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/


Top-Foto: arbeiterfotografie.com


Online-Flyer Nr. 556  vom 06.04.2016

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