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Kommentar
Europäische Union: Schamlos und scheinheilig
Afghanen an der Grenze
Von Ulrich Gellermann

Fast alle europäischen Länder waren dabei: Als die USA die Koalition der Hörigen zusammen trieb und im Dezember 2001 in Afghanistan nach Osama bin Laden suchte: Albanien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg (mit immerhin einem Soldaten), Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Mazedonien, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn und natürlich das Vereinigte Königreich. Sie hatten ein auf sechs Monate begrenztes Mandat und waren zu Beginn 129.895 Mann. Der Gleichberechtigung wegen werden auch ein paar Frauen dabei gewesen sein. Immer noch sind europäische Truppen in dem armen geschundenen Land, und immer noch behaupten sie dem Land zu helfen.

Hilfe suchen jetzt jene Afghanen, die sich, im Vertrauen auf den Westen, oder weil Ihnen nichts anderes übrig blieb, mit den Besatzungstruppen eingelassen haben. Sie suchen durch das überfüllte und verarmte Griechenland einen Weg in die reicheren Länder der EU. Und treffen auf eine bewaffnete, verschlossene Grenze in Mazedonien. Das Land, ein Zerschlagungsprodukt Jugoslawiens, ist selbst ein Fluchtstaat: An die 300.000 Mazedonier leben im Ausland. Auch deshalb will keiner der Flüchtlinge bleiben. Mazedonien wäre nur eine Durchgangsstation, wenn die Länder der EU nicht die Schotten dicht machen würden. Auch und gerade die Bundesrepublik, von der einst behauptet wurde, dass ihre Freiheit am Hindukusch verteidigt werde, hat die ersten 120 Afghanen „nach Hause“ geschickt. Das tapfere Österreich, damals mit immerhin drei Soldaten an der Seite der USA in Afghanistan, hat faktisch die Grenze geschlossen. Jetzt bieten die Österreicher Soldaten für Grenzkontrollen in Mazedonien an. Und weil Mazedonien seit Dezember 2005 den Status eines Beitrittskandidaten der EU hat, weiß das Land was sich gehört.

Mit überwältigender Mehrheit stimmten am 22. Dezember 2001 fast alle Bundestags-Abgeordneten für den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan. SPD, GRÜNE, CDU, CSU, FDP: Alle schlossen sich der schon damals als Lüge erkennbaren, scheinheiligen Behauptung des Kanzlers Schröder an, nach der Frieden in Afghanistan „nur durch Krieg näher gerückt" sei. Einzig die PDS, die heutige Linkspartei, stimmte gegen den Krieg. Die Kinder dieses Krieges betteln jetzt an den europäischen Grenzen um Schutz. Auch in der Folgezeit war die Front der Kriegs-Freunde ziemlich geschlossen. Selbst wenn die GRÜNEN immer wieder versuchten, den Eindruck einer Anti-Kriegspartei zu erwecken. Aber bis hin zum Einsatz deutscher Tornados, auch vom grünen Ersatzheiligen Winfried Kretschmann gebilligt, stimmten GRÜNE für einen Krieg, der den Afghanen bis heute Tod und Not beschert. Auch die Gründer der AfD, die sich heute als Oppositionspartei tarnt, saßen damals brav in der CDU und der FDP ohne ein einziges Mal ihre Stimme gegen den dreckigen Krieg in Afghanistan zu erheben. Und heute steht diese Partei an der Spitze einer braunen Bewegung, die Flüchtlinge mit Waffengewalt an einem Leben ohne Bomben hindern will. Wahrscheinlich deshalb schwafelt sie in ihrem Programm von der NATO als „Klammer einer transatlantischen Sicherheitsarchitektur“ und beschwört „das Bündnis mit den USA“ als „entscheidenden Anker“.

Die NATO ist der Anker, den sich die EU und ihre Mitgliedssaaten um den Hals gebunden haben, um schneller und gründlicher politischen Selbstmord zu begehen. Es waren Truppen der NATO-Länder, die, ob in Afghanistan oder dem Irak, dem Willen der USA zur Zerstörung gefolgt sind. Es waren europäische NATO-Länder, die mit den USA gemeinsam den Menschen in Libyen den Tod gebracht haben. Und es sind wieder NATO-Länder, die sich an dem von den USA inszenierten Regime-Change-Krieg in Syrien beteiligen. Schamlos verweigert sich die EU der Verantwortung für die Kriegsfolgen. Scheinheilig waschen sie ihre Hände in Unschuld. Aber an den Grenzen stehen die Opfer der EU-NATO-Kriegspolitik und warten auf die Einlösung der Freiheitsversprechen und das Versprechen eines grenzenlosen Europa. "Gegebenenfalls muss . . der Schutz für den Schengen-Raum an einer anderen Grenze durchgeführt werden“, verkündet der deutsche Innenminister und verbirgt hinter seinen Bürokratismen, dass er gern Griechenland zum ständigen Flüchtlings-Lager bestimmen würde. Zu Beginn jedenfalls. Dass danach noch das ehemalige Jugoslawien als Stau-Raum und Auffangbecken der Kriegs-Flüchtlinge zur Verfügung stünde, wird den Vollstrecker von Merkels Willen beruhigen. Nicht mehr lange: Die Todesangst, auch von der EU als treuer NATO- und US-Helfer ausgelöst, treibt die nächste Million Flüchtlinge vor sich her.


Erschienen am 25. Februar 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer


Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 551  vom 02.03.2016

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