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Globales
„Strategische Partnerschaft“ mit Saudi-Arabien endlich beenden!
Geistlichen Nimr Baqir al-Nimr hingerichtet
Von Annette Groth und Peter Kleinert

„Die aggressive und barbarische Politik Saudi-Arabiens stellt inzwischen den gefährlichsten und explosivsten Faktor in der Region des Nahen und Mittleren Ostens dar und steht an Brutalität und Brandstiftertum den Methoden des sogenannten Islamischen Staats kaum in etwas nach“, erklärt die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, anlässlich der heutigen Hinrichtung von 47 Menschen in Saudi-Arabien. Unter den Hingerichteten befand sich auch einer der bedeutendsten schiitischen Geistlichen in dem Land, Nimr Baqir al-Nimr. 



Nimr Baqir al-Nimr.
Foto: freenimr.org

 

Annette Groth: „Saudi-Arabien ist einer der wichtigsten Förderer des sogenannten Islamischen Staats und hat mit seiner Unterstützung der Terroristen maßgeblich zu deren Erstarken beigetragen. Versuchte das saudische Königshaus zunächst im Verdeckten, einen flächendeckenden Bürgerkrieg in der Region heraufzubeschwören, ist die Familie al-Saud spätestens mit der Hinrichtung al-Nimrs dazu übergegangen, ganz offen konfessionell zu zündeln. Auch die Schaffung einer „Anti-Terror-Allianz“ von 34 islamischen Staaten unter saudischer Führung Mitte Dezember ist Teil dieser Politik: wer will ernsthaft glauben, dass das saudische Königshaus den eigens geschaffenen Terror tatsächlich zu bekämpfen bereit ist? Vielmehr lässt die Zusammensetzung der „Anti-Terror-Koalition“ erahnen, worum es tatsächlich geht: mit militärischen Mitteln soll eine terroristisch-wahhabitische Vorherrschaft in der Region erreicht und zementiert werden. Die unter saudischer Führung im März 2015 im Jemen begonnene Militärinvasion ist hier beispielhaft. Selbst der Bundesnachrichtendienst warnt inzwischen eindringlich vor der Aggressivität saudi-arabischer Politik in der Region und den zu erwartenden Folgen!“

Annette Groth weiter: „Nimr Baqir al-Nimr hat mit seiner maßgeblichen Beteiligung an den Protesten im Osten Saudi-Arabiens im Jahr 2011 von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht und seine Stimme friedlich gegen die jahrzehntelange Unterdrückung und Entrechtung der saudi-arabischen SchiitInnen erhoben. Daraufhin wurde er unter anderem wegen „Ungehorsam gegenüber dem Herrscher“ und „Anstiftung zu konfessionellen Konflikten“ zum Tode verurteilt. Allein die Begründung des Urteils ist völlig absurd. Amnesty International hat zudem mehrfach auf erhebliche Verfahrensmängel hingewiesen und betont, dass die erhobenen Vorwürfe vage und unglaubwürdig waren.

Mit der Hinrichtung al-Nimrs hat Saudi-Arabien, das der Bundesregierung als „strategischer Partner“ gilt, eine weitere Grenze überschritten. Nimr Baqir al-Nimr war kein Terrorist. Vielmehr ist es die saudische Regierung, die den Terrorismus überall auf der Welt fördert! Ich fordere die Bundesregierung auf, umgehend den saudi-arabischen Botschafter einzubestellen und ihre Beziehungen zum saudischen Königshaus grundlegend zu überdenken. Tut sie dies nicht, macht sie sich mitschuldig an den Gräueltaten dieses unmenschlichen und totalitären Regimes!“  

Laut wikipedia war Nimr Bāqir an-Nimr, * 1959 in al-Awamia, ein schiitischer Kleriker und Bürgerrechtler in der Provinz asch-Scharqiyya im Osten Saudi-Arabiens. Sein Studium der islamischen Wissenschaften absolvierte er im iranischen Ghom. 

Er war der bekannteste schiitische Kleriker in Saudi-Arabien und hatte auch in Bahrain viele Anhänger. Über Jahre hinweg war er der Freitagsprediger in der schiitischen Stadt al-Awamia und trug den Titel Ayatollah. Zu Beginn des Arabischen Frühlings 2011 führte Nimr Proteste gegen die Regierung an. Bei den Demonstrationen 2011 rief er ausdrücklich zur Gewaltlosigkeit auf. An-Nimr prangerte die Benachteiligung der Schiiten im Land an und forderte, sie sollten volle Bürgerrechte erhalten. Er galt als erklärter Kritiker des Königshauses der Saud. Im Oktober 2011 kamen bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Angehörigen der schiitischen Minderheit im Osten des Königreichs mindestens 14 Menschen ums Leben. 

Bei seiner Verhaftung am 8. Juli 2012 in al-Awamia wurde er verletzt – Bilder des mit einem blutbefleckten weißen Tuch bedeckten an-Nimr auf einer Autorückbank liegend wurden verbreitet und bekamen unter den Protestierenden ikonografischen Stellenwert. Seine Festnahme führte zu erneuten Demonstrationen, bei denen mindestens zwei Protestierende von Sicherheitskräften erschossen wurden. In der Haft trat er in den Hungerstreik. 

Im November 2014 verurteilte ihn ein Gericht zum Tode wegen Anstiftung zum Aufruhr, Volksverhetzung, Vandalismus auf dem Baqi-Friedhof und Mangel an Gehorsam gegenüber muslimischen Autoritäten in Qatif. Es gab Anfang November 2014 widersprüchliche Meldungen in der arabischen Presse über eine Begnadigung bis er mit 46 weiteren zum Tode Verurteilten hingerichtet wurde. 

Im Februar 2012 wurde sein damals 17 Jahre alter Neffe Ali an-Nimr festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, bewaffnet an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Ali al-Nimr wurde zum Tode verurteilt. Im September 2015 bestätigte ein Berufungsgericht Ali an-Nimrs Schuldspruch. Es wird befürchtet, das Königshaus wolle an dem jungen Ali al-Nimr ein Exempel statuieren, um die Gefolgschaft seines prominenten Verwandten einzuschüchtern. (PK) 

Annette Groth



Online-Flyer Nr. 544  vom 06.01.2016

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