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Globales
Frankreichs enge Beziehungen zu Scheichtümern auf der Arabischen Halbinsel
Gefährliche Großmachtpolitik
Von Werner Rügemer

Nach den terroristischen Morden in Paris am 13. November 2015 wurde in der EU zur Verteidigung »unserer freien westlichen Lebensweise« aufgerufen. Für das »befreundete Frankreich« wurden Solidaritätsbekundungen inszeniert. Doch die Eliten der Grande Nation sind dabei, ein enges militärisch-industriell-kulturelles Bündnis mit solchen Staaten zu schmieden, die diesen Terrorismus fördern und ihren Untertanen diktatorisch eine Lebensweise aufdrücken, die dem islamischen Fundamentalismus entspricht.


Nicolas Sarkozy noch zusammen mit Gaddafi
NRhZ-Archiv

Ende Mai 2009 eröffnete der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy zusammen mit der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den französischen Militärstützpunkt in Abu Dhabi. Kampfjets der Republik veranstalteten ein Schaufliegen. Es war die erste Basis, die Frankreich nach 1945 und nach dem Ende seiner Kolonialherrschaft im Ausland neu errichtete – abgesehen von seinen Exkolonien in Afrika.

Der Stützpunkt markiert die Wende nicht nur in der französischen Militär- und Außenpolitik, sondern auch in der Wirtschaftspolitik. Sarkozy betonte bei der Übergabe, so manifestiere man die Verantwortung Frankreichs als globale Macht. Seit 2009 ist Paris zugleich wieder Vollmitglied der NATO. Mit Sarkozy schürte das Land den Krieg gegen Ghaddafis Libyen und trat und tritt wie eine Kolonialmacht in Afrika auf. Etwa in Mali, wo es nicht zuletzt um die Sicherung der Uranvorkommen im benachbarten Niger geht, an denen der französische Atomkonzern Areva Interesse hat.

Der Stützpunkt Abu Dhabi liegt an einer strategisch wichtigen Stelle, an der Meerenge von Hormus gegenüber dem Iran, und beherbergt neben Heer, Marine und Luftwaffe auch ein Ausbildungszentrum für den Häuserkampf. Die Militärbasis entspricht nicht nur dem Interesse der gewählten und ungewählten Eliten Frankreichs. Die VAE wollen neben den USA einen zweiten strategischen Partner gewinnen und finanzierten deshalb den Stützpunkt selbst.

Die reichen Staaten auf der Arabischen Halbinsel lösen sich mehr und mehr von der einseitigen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten von Amerika. Denn die fördern mit dem Frackingverfahren wieder mehr Öl selbst, die Länder der Arabischen Halbinsel exportieren deshalb mehr Öl und Erdgas in Richtung Asien. Zudem verhält sich die Regierung in Washington nach Auffassung der Scheichs, Emire und Sultane zu nachgiebig gegenüber ihrem regionalen Hauptfeind Iran.

Die USA hielten und halten sich insbesondere Saudi-Arabien, die VAE und Katar neben Israel als Bündnispartner im Nahen Osten, verlangen dabei aber zugleich Vasallentreue. Mit dieser Rolle wollen sich die Golfstaaten nicht mehr länger begnügen. In die entsprechenden Freiräume dringen inzwischen einige EU-Staaten ein. Sie laden die Emirate zu Investitionen in der EU ein und organisieren wirtschaftlich-technologische Kooperationen.

Dabei hat Frankreich einen deutlichen Vorsprung vor Großbritannien und Deutschland. Französische Regierungen und Konzerne wollen damit ihre neue Weltmachtrolle nicht nur militärisch ausbauen. Sie wollen der schwindenden Wirtschaftskraft der Grande Nation entgegenwirken. Damit begeben sie sich aber auch in neue Abhängigkeiten und verflechten sich zugleich mit dem Terrorismus, der von Golfstaaten gefördert wird.

VAE: Rüstung, Industrie, Kultur

Die VAE sind eine treibende Kraft bei der Militarisierung der Golfstaaten insgesamt und beim Aufbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie: Auch das war ein Grund für Paris, hier einzusteigen. Zum einen kauften die VAE Hunderte Kampfpanzer aus Frankreich, ebenso Kampfjets und Schiffe: 50 Prozent der Rüstungsgüter kommen jetzt von dort.

Zum anderen bauen die VAE mit der Holding Emirates Defence Industries Company (EDIC) eine eigene Rüstungsindustrie auf, mit Hightech-Schwerpunkt: Lenkflugkörper, unbemannte Späh- und Kampfsysteme, Cyber Security. Daneben geht es um die Produktion von Munition, Armeefahrzeugen sowie Schiffen. EDIC wird operativ von Luc Vigneron geleitet, dem ehemaligen Chef des französischen Weltkonzerns Thales (Militärtechnik, Luft- und Raumfahrt, Sicherheit, Transport), dessen viele Tochterfirmen für EDIC zuliefern. Die beiden Haupteigentümer von Thales sind Frankreich und der französische Rüstungskonzern Dassault.

Andere Golfstaaten sind auf verschiedene Weise an EDIC, an der eigenen Militarisierung und an der Aufrüstung von Nachbarstaaten beteiligt. Die VAE finanzieren Rüstungsprogramme für andere Golfstaaten sowie Waffenverkäufe an Ägypten, Jordanien, Marokko, Somalia, Sudan und Tunesien. Zusammen mit Saudi-Arabien finanzierten die VAE z. B. den Kauf von 24 französischen Kampfjets »Rafale« (Dassault) für Ägypten.

Die VAE führen auch den Ausbau der Peninsula Shield Force an, des militärischen Arms des Golf-Kooperationsrates arabischer Staaten (GCC); Mitglied sind neben den VAE noch Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, Bahrain und Oman.

Neben der Rüstungsindustrie bauen die VAE in Kooperation mit meist französischen Konzernen eine eigene Schwer- und Telekommunikationsindustrie sowie biotechnologische Unternehmen auf. Die staatliche Fluggesellschaft Etihad kauft seit einiger Zeit verstärkt Airbus-Großflugzeuge und ging 2012 eine Kooperation mit Air France/KLM ein. Etihad stieg daneben aber auch bei kleineren Fluggesellschaften ein, in Europa sind das bisher Air Berlin, Aer Lingus (Irland), Air Serbia, Darwin Airline (Schweiz) und Alitalia. Auch kulturelle Beziehungen werden intensiviert: In Abu Dhabi betreibt die Universität Paris eine Filiale, ebenso wird dort ein Museum errichtet, das dem Louvre nachgebildet ist.

Katar: Investitionspartnerschaft

Die umfangreichsten gegenseitigen Investitionen verbinden Frankreich mit Katar. Für das Emirat ist Paris gegenwärtig der wichtigste strategische Partner beim Versuch, in die wirtschaftliche Weltliga aufzusteigen.

In Katar unterhalten die USA die »Al-Udeid Air Base«, die von Großbritannien und Australien mitgenutzt wird. Hier liegt die längste Start- und Landebahn der Golfregion, zentral für die Bombenangriffe auf Afghanistan, Irak und Syrien. Das Emirat kauft immer mehr Rüstungsgüter aus Frankreich, etwa die Kampfjets »Rafale« und »Mirage« von Dassault.

Katar hat nach Russland und Iran die größten bekannten Vorräte an Erdgas, ist größter Exporteur von Flüssiggas. Die Scheichs wollen die Gasverarbeitungsindustrie ausbauen. Die großen französischen Energiekonzerne Veolia, Vivendi und Engie SA (bis April 2015 GDF Suez) sind hier engagiert.

Die Herrscherfamilie hat auch langfristige Pläne für den Ausbau der Verkehrs-, Tourismus- und Sportinfrastruktur aufgestellt. Da winken über die bereits vergebenen Aufträge für die Fußballweltmeisterschaft 2022 (Stadien, Metro, Städtebau) hinaus weitere Aufträge für die großen französischen Baukonzerne Vinci und Bouygues. Gleichzeitig agieren 51 Unternehmen in Katar, die französischen Investoren gehören, hinzu kommen gut 100 Jointventures. Der französische Atomkonzern Areva verhandelt mit Katar auch über den Verkauf zweier Atomkraftwerke vom neuen Typ EPR.

Die Investitionen in die Gegenrichtung sind allerdings wesentlich umfangreicher. Seit 2005 legen die Scheichs über ihren Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) und über dessen Tochterfonds hohe Summen vor allem in Großbritannien und Frankreich an. Im Königreich handelt es sich zwar um einige wichtige Finanzinvestitionen, etwa Beteiligungen an der Bank Barclays, am hauptstädtischen Flughafen Heathrow und an der Londoner Börse, auch um Beteiligungen an einer der größten Supermarktketten des Landes, Sainsbury’s, und am exklusivsten Warenhaus der Welt, Harrods, sowie am Unterhaltungskonzern Miramax, der zuvor dem Disney-Konzern gehörte. Aber die allermeisten Investitionen gelten zahlreichen Luxusimmobilien und den Bürohäusern von Weltkonzernen, die in London einen Sitz haben, z. B. Royal Dutch Shell und Crédit Suisse (in dieser Schweizer Bank ist Katar gleichzeitig Großaktionär). Auch das Londoner Olympic Village gehört den Kataris.

Die weitaus umfangreichsten Industrieinvestitionen tätigt QIA aber in Frankreich. Der Staatsfonds ist Großaktionär etwa bei Vinci (weltweit größter Baukonzern), Total (Öl), bei den Energie-, Technologie-, Wasser- und Medienkonzernen Veolia, Vivendi und Engie SA, beim weltweit operierenden Verlags-, Medien- und Sportrechtekonzern Lagardère, bei Air Liquide (Industriegase), beim Atomkonzern Areva, bei Technip (Anlagenbau), beim Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Group (vorher EADS, Hauptaktionär Frankreich, auch deutsche Miteigentümer), bei France Telecom, natürlich standesgemäß auch beim weltgrößten Konzern für Luxusgüter LVMH, dessen Produkte wie Textilien der Tochtergesellschaft Christian Dior, Handtaschen (Louis Vuitton), Cognac und Champagner zum Leben der vielköpfigen Scheichclans und des internationalen Jetsets gehören, der sich in den Luxushotels und Appartementhochhäusern der Golfstaaten tummelt.

… und Sportbusiness

Daneben kaufen sich die Kataris wie in London auch in Paris, an der Côte d’Azur und Riviera und in Monte Carlo in die Topliga der Immobilien ein, etwa in Geschäftspassagen im Umkreis der Prachtstraße Champs Elyseés in der Hauptstadt. Einige Perlen behalten sich einzelne Scheichs persönlich vor. So gehört das Hôtel de Coislin an der zentralen Place de la Concorde dem Clanchef Al-Thani. Die Immobiliengeschäfte wurden unter Präsident Sarkozy zudem dadurch attraktiv gemacht, dass den märchenhaft reichen Investoren sämtliche Gewinnsteuern erlassen wurden.

Sarkozy hatte im November 2010 im Regierungssitz Elysée ein Treffen arrangiert, zu dem Michel Platini eingeladen war, Exfußballnationalspieler und damaliger Chef des europäischen Fußballverbandes UEFA, und ein Vertreter Katars. Es ging um die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2022 durch die FIFA. Platini nahm den wohl unausgesprochenen, aber deutlichen Wunsch mit, sich in seiner Funktion in der FIFA für die Vergabe an Katar einzusetzen. Er habe gewusst, was er tun müsse, sagte Platini später. Das Vorhaben gelang – pikanterweise wurden damit die USA ausgeschaltet, die sich ebenfalls beworben hatten. Platinis Sohn Laurent wurde Europachef der Firma Qatar Sports Investments.

Katar konnte sich somit in Frankreich als Sport- und Medienmacht gebärden. Seiner Sport Holding gehört der bekannteste französische Fußballklub: Paris Saint-Germain. Die ehrgeizigen und auf Außendarstellung erpichten Eigentümer finanzierten den Kauf teurer Spieler, etwa des englischen Stars David Beckham.

Katar tritt bei vielen Sportveranstaltungen in Frankreich als Sponsor auf und baut Kooperationen aus. Das soll dazu beitragen, dass in Katar selbst neue Mannschaften, Spielstätten, Sportorganisationen für Fußball, Handball, Tennis, eine Radrundfahrt, Rennen für Motorrad und Superbikes und weitere westliche Sportarten entwickelt werden. Das Scheichtum bemüht sich auch darin erfolgreich um die Ausrichtung internationaler Spiele.

Katar hat sich auch in den Medien Frankreichs Einfluss verschafft. Al-Dschasira, der staatsfinanzierte, weltweit aktive TV-Sender, hat mit einer Tochtergesellschaft einen Teil der Sportberichterstattung Frankreichs in der Hand. Allerdings ist der weniger sichtbare, indirekte Einfluss auf die politische Meinungsbildung viel entscheidender. Die wichtigsten Medien Frankreichs gehören Konzernen, an denen Katar beteiligt ist und/oder mit denen strategische Kooperationen bestehen.

Bernard Arnault vom Luxusgüterkonzern LVMH, reichster Franzose, Trauzeuge Sarkozys, gehören das führende Boulevardblatt Le Parisien und das Wirtschaftsmagazin Les Échos; Le Parisien macht unverblümt Werbung für Sarkozy. Die als konservativ bezeichnete Tageszeitung Le Figaro mit den angeschlossenen Internettöchtern ist Eigentum des Rüstungsmagnaten Serge Dassault. Über den internationalen Energiekonzern Vivendi gehört dessen Chef Vincent Bolloré der TV-Sender Canal+. Martin Bouygues, Chef des gleichnamigen Baukonzerns, besitzt Europas größten Privatsender TF 1.

Golf: Höchste Rüstungsdichte

Ein Wendepunkt für die Beziehungen zwischen Frankreich und den Emiraten war der Einsatz Frankreichs im Krieg gegen Syrien. Selbst als der Oberkriegsherr im Nahen Osten, die USA, sich zurückhielt, preschte Hollande vor und verlangte den Angriff auf Damaskus. Das bedeutete zugleich eine weitere Annäherung an Saudi-Arabien und die VAE, die wichtigsten Unterstützer der diversen Terroristengruppen, die Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad bekämpfen.

Seit seinem Amtsantritt am 15. Mai 2012 war Hollande mindestens 20mal bei bilateralen Wirtschaftstreffen, einmal nahm er an einer Sitzung der saudischen Regierung teil. In diesem Zusammenhang stiegen die Umsätze der Rüstungskäufe der Golfstaaten in Frankreich steil an. Hauptabnehmer sind Saudi-Arabien und die VAE. Von 2010 bis 2015 verdoppelte sich der Rüstungsexport von Dassault, Thales, Nexter, Airbus und Safran auf die Arabische Halbinsel. Die Rüstungschefs lobten die »Entschlossenheit der französischen Regierung und die gute Zusammenarbeit mit dem französischen Verteidigungsministerium«.¹

In den Golfstaaten wird die bereits höchste Rüstungskonzentration in einer Weltregion weiter verdichtet. Beispielsweise stehen in Saudi-Arabien mit seinen 30 Millionen Einwohnern in der Berufsarmee 230.000 Mann unter Waffen, soviel wie etwa Deutschland und Frankreich. Der Rüstungsetat des Königreichs beträgt mindestens zehn Prozent des Gesamthaushalts, ein Vielfaches im Vergleich zum Durchschnitt der NATO-Staaten, sogar mehr als in Israel. In absoluten Zahlen umfasst der saudische Militärhaushalt umgerechnet 81 Milliarden Dollar (Stand 2014), das ist der fünftgrößte der Welt, und liegt weit vor dem Frankreichs (62 Milliarden), Großbritanniens (60 Milliarden) und der Bundesrepublik Deutschland (46 Milliarden). Die VAE haben mit einer Bevölkerung von 5,5 Millionen Einwohnern einen Militärhaushalt, der in der Größenordnung den entsprechenden Etats etwa der Niederlande (17 Millionen Einwohner) und Kanadas (36 Millionen Einwohner) entspricht.

Auch zwischen Frankreich und Saudi-Arabien geht es nicht nur um Rüstung. 2015 erhielten französische Unternehmen Aufträge über zehn Milliarden Euro. Dazu gehören Patrouillenschiffe, aber auch Satelliten, Nahverkehrssysteme und der Bau von Wassersystemen in der Wüste. Wie Katar wünscht sich Saudi-Arabien Atomreaktoren aus Frankreich. Gleichzeitig wollen und sollen saudische Investoren sich in französische Unternehmen einkaufen.

Natürlich beteiligen sich auch andere EU-Staaten an dieser Entwicklung, allerdings in geringerem Ausmaß als Frankreich. Deutschland liefert Panzer an Saudi-Arabien und umwirbt Katar als Investor – QIA ist inzwischen Miteigentümer von Deutsche Bank, Volkswagen AG und Siemens. Auch hiesige Baukonzerne wie Hochtief und Bilfinger profitieren von der modernen Sklavenarbeit bei der Errichtung von Sportanlagen für die Fußballweltmeisterschaft in Katar 2022. 2009 erhielt die Deutsche Bahn den Auftrag, in dem knapp 12.000 Quadratkilometer kleinen Emirat ein Schienensystem für Güter- und Personenverkehr einzurichten. Der angeschlagene Energiekonzern RWE möchte Bin Butti International Investment aus Abu Dhabi für eine zehnprozentige Kapital­erhöhung gewinnen. Der norwegische Konzern Norsk Hydro betreibt ein Jointventure mit Katar Petroleum: Es geht um das weltgrößte Werk für Primäraluminium. Seit 2011 agiert Luxemburg als strategischer Partner Katars in Sachen Medien (SES-Astra-Satellitenpark) und Finanzen (KBL European Private Bankers, Dexia-BIL).

Auch außereuropäische Unternehmen – etwa aus China und Südkorea – konkurrieren um Aufträge in Katar und den anderen Golfstaaten. Doch die Konzerne aus der EU und vor allem aus Frankreich haben die Nase vorn. Selbstverständlich bleiben die USA militärisch und geheimdienstlich weiterhin ein bestimmender Faktor.

Förderung von Fundamentalismus

Frankreich und der Westen fördern unter der »­False flag«-Operation »Kampf dem internationalen Terrorismus« durch die enge Zusammenarbeit mit den Emiraten genau den internationalen Terrorismus, den sie zugleich vorgeben irgendwie zu bekämpfen. Frankreich und der Westen machen aber auch eine Lebens- und Wirtschaftsweise salonfähig, die allen westlichen Werten – zumindest den behaupteten – widerspricht. Den islamistisch-fundamentalistischen Golfstaaten gelten Menschen- und Völkerrecht nichts. Hier herrscht die Scharia statt Demokratie; öffentliche Hinrichtungen wie im tiefsten, von der christlichen Kirche verdunkelten Mittelalter Europas; diktatorische Erbmonarchie statt allgemeiner Wahlen; Staatsreligion statt Glaubensfreiheit; Patriarchat statt Gleichberechtigung von Mann und Frau; sexuelle Diskriminierungen; Zensur statt freier Meinung; brutale Unterdrückung demokratischer Bewegungen. Und nicht zu vergessen: eine moderne Form der Sklaverei. Die Herrscherclans schwimmen im Reichtum, während große Teile der Bevölkerung diktatorisch niedergehalten werden. Millionen Niedrigstlöhner aus Indien, Pakistan, Nepal, Sri Lanka, von den Philippinen und aus afrikanischen Staaten schuften weitgehend rechtlos auf gefährlichen Baustellen und werden wie Gefangene gehalten. Arbeitsrechte gelten nichts, tödliche Unfälle sind einkalkuliert. Katar etwa hat bei einer Gesamtbevölkerung von 2,3 Millionen Einwohnern lediglich 278.000 Einheimische. In den VAE sind von den 5,5 Millionen Einwohnern 3,8 Millionen Arbeitsmigranten.

In Frankreich und in den anderen beteiligten EU-Staaten entstehen durch die Geschäftsverbindungen nur wenige Arbeitsplätze, großenteils im zweifelhaften Rüstungssektor. Für die abhängig Beschäftigten hier und dort fällt damit wenig ab, Gewinner sind die Großinvestoren und Terrorfürsten. Der Terrorismus in seinen kontrollierten und unkontrollierten Formen gehört zur erweiterten »westlichen Wertegemeinschaft«.

Nachsatz: Nach dem Abgasskandal bei VW mussten der neue Vorstand samt den Porsche/Piëch-Familienclans am ersten Dezemberwochenende beim Großaktionär QIA (17 Prozent) in Katar antanzen (»Antrittsbesuch bei einem wichtigen Partner«). Die Scheichs sorgten sich nicht um Luftverschmutzung, sondern um den Milliardenverlust bei ihrem Aktienpaket. Sie sind 2009 bei Porsche und VW als Miteigentümer eingestiegen. Sie halten zusammen mit den saudischen Terrorbrüdern die Ölförderung hoch und die Benzinpreise niedrig, damit die Autoproduktion vorankommt. Sie sind die größten Bremser bei den Klimaverhandlungen. Sie verlangten von ihren deutschen Freunden »Strukturveränderungen«, unter anderem, dass der Einfluss des VW-Betriebsrats auf Unternehmensentscheidungen noch weiter zurückgedrängt wird – was der Vorstand natürlich dementierte.(PK)


(1) Pierre Alonso: Ventes d’armes. Le grand boom des exportations ­francaises, in: Libération vom 14.6.2015

Werner Rügemer ist Wirtschaftsjournalist und lebt in Köln. Von ihm erschienen zahlreiche Bücher zu Unternehmensberatern, Korruption, Ratingagenturen u. v. m. Diesen Artikel hat er in der jungen Welt veröffentlicht, von der wir ihn mit Dank übernommen haben. http://www.jungewelt.de/2015/12-29/053.php



Online-Flyer Nr. 544  vom 06.01.2016



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