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Kommentar
In Syrien Terror zusammen mit Russland bekämpfen oder Syriens Regierung?
Frankreich vor der Entscheidung
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Die FAZ vom 5.10. streute eine leise Desinformation in ihrem Artikel "Eisige Stunden im Elysée-Palast" über das Treffen in Paris am Freitag dem 2.10. von Russlands Präsident Wladimir Putin, dem Präsidenten Frankreichs François Hollande, der Bundeskanzlerin Deutschlands Angela Merkel und dem Präsidenten der Ukraine Petro Poroschenko.



NATO-Partner Obama und Hollande
NRhZ-Archiv 

Das Gespräch zwischen dem Gastgeber Hollande und Putin "sei eisig verlaufen", heißt es. Ja, sehr wahrscheinlich, denn Hollande zeigte kein Verständnis für die russischen Luftangriffe gegen Terroristen und Rebellen-Banden in Syrien. Im Gegenteil, der französische Präsident scheint nicht zu begreifen, was eine politische Opposition und was eine bewaffnete Haltung gegenüber einer legitimen Regierung ist. Er wirft beide in einen Topf, ohne die innersyrische Opposition zu beachten, die gar nicht bewaffnet handelt. Paris hat sich desavouiert, indem es Partei für eine ausländische "Opposition" ergreift, die bewaffnet aus Istanbul agiert und den Friedensprozess in Syrien torpediert.

 

Der Staatschef im Elysée zeigt sich anmaßend: Er schafft es nicht, eine anständige konstruktive Rolle für die Befriedung Syriens zusammen mit Russland und Deutschland einzunehmen, sondern beharrt auf der Sackgasse an der Seite von marodierenden Elementen, die nicht zum politischen Prozess gehören. Eingepfercht in dieser Sackgasse wagte er, den russischen Präsidenten belehren zu wollen, wen er angreifen sollte und wen nicht. Unerhört, aber die FAZ liess das unkommentiert durchgehen. Ist man in Deutschland immer noch Entwicklungsland, was Diplomatie bedeutet? Hollande versuchte zudem, den russischen Präsidenten vor der Presse wegen der russischen Angriffe auf Terroristen in Syrien bloßzustellen und wollte dafür gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin eine Pressekonferenz abhalten. Das ist ihm aber nicht gelungen. Die vom ZDF-Korrespondenten aus Paris angekündigte Pressekonferenz Hollande-Merkel fiel ins Wasser. Angela Merkel hat sich dazu nicht hergeben lassen. Sie war bestens über die Lage in Syrien unterrichtet. Ihr langes, über drei Stunden dauerndes Gespräch mit dem russischen Präsidenten verlief in aller Ruhe und Wärme, im Gegensatz zu ihrer kürzeren Unterredung mit Hollande. Auf jeden Fall erscheint das Bundeskanzleramt umfassend informiert und war auf das Verhalten der französischen Seite vorbereitet. 

Gemäßigte Rebellen - eine US-Konstruktion. Mörder sind überall Mörder

Eines sollte inzwischen auch jedem Redakteur klar sein: Die syrische Armee kämpft in ihrem Land gegen Terrororganisationen, den IS und andere bewaffnete Banden, die sich als Rebellen ausgeben und die Regierung Syriens stürzen wollen. Russland unterstützt die syrische Regierung und Armee mit russischen Militärgerät und Einsätzen von Kampfflugzeugen auf explizite Anfrage der Regierung Syriens, damit sie erfolgreich die Terroristen, auch die gewalttätigen Rebellen zur Strecke bringt. Mörder sind überall Mörder. Wo und wie sind gemäßigte Mörder zu erkennen? Die sogenannten gemäßigten Rebellen sind eine Konstruktion der USA, um den Frieden in Syrien durch solche bewaffneten aktiven Elemente zu torpedieren und die ihnen unliebsame Regierung zu stürzen. Paris ist mit von der Partie. Schon seit dem verhängnisvollen Angriff auf Libyen 2011 hat Paris seine Rolle im Nahen Osten verspielt und diskreditiert. Umso mehr seit sich der Elysée gegen Syrien an der Seite der USA und ihren Rebellen positioniert hat. In diesem Zusammenhang ist der Kurswechsel der Bundesregierung zu begrüßen. Begrüßenswert ist ebenfalls ein stärkeres Engagement Russlands in der Syrien-Frage. "Ohne Assad und ohne Russland ist eine Beendigung von Krieg und Gewalt in Syrien nicht möglich." Die stellvertretende Vorsitzende der CDU und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte diesen Kurs bereits früher eindeutig geäußert, so schon auf dem NATO-Verteidigungsminister-Treffen in Brüssel am 26.2.2014. 

Politische Verkommenheit Frankreichs

Aber aus den USA ist kein Schimmer von Rationalität, keine Agenda, kein Willen zum Frieden zu erkennen, sondern das Gegenteil, dieselben bekannten willkürlichen Hindernisse. Dieser sich sperrenden Haltung zu folgen, wie es die französische Regierung tut, schafft eine unüberwindbare Divergenz, keine Basis für eine gemeinsame Stellungnahme. Der französische Präsident sollte einsehen, dass seine Forderungen nicht über dem Internationalen Recht und den inneren gesetzlichen Vorgaben eines Landes stehen dürfen. Dieses Verhalten, sich über das Recht und internationale Gesetze zu stellen und seinen eigenen Willen als Gesetz für alle zu halten, ist als Entgleisung der USA zu erkennen. Selbstverständlich ist der russische Präsident mit den Führern von USA und Frankreich uneins. Aber der Friedensprozess geht weiter, trotz eines unwilligen Obamas und trotz eines sich anmaßenden Franzosen Hollande, der glaubt mit Bomben-Angriffen kann er sich versichern, seine verlorene Rolle im Nahen Osten wieder mitzuspielen. So weit zeigt sich die politische Verkommenheit Frankreichs. Selbstbewusst hat sich dagegen die deutsche Bundeskanzlerin geäußert und bekundet, es müsse auch mit dem syrischen Präsident Baschar Al-Assad geredet werden. Mittlerweile haben sich nicht nur die Regierungen Spaniens und Österreichs, sondern auch die von Großbritannien offen für die Möglichkeit ausgesprochen, dass Assad im Amt bleibt. Rom ist auch bei Sinnen und zeigt Realismus. Allein Frankreich beharrt auf einem Abgang des syrischen Präsidenten. Der französische Außenminister Laurent Fabius will nicht eingestehen, dass der Interventionismus des Westens definitiv gescheitert ist und nur Desaster, Tod und Armut hinterlassen hat. Während Frankreich seine Bomben-Angriffe in Syrien nicht mit der syrischen Regierung abstimmt, handelt Russland in voller Übereinstimmung mit Damaskus. Daher sind die russischen Bombenangriffe völkerrechtlich, während die von Frankreich als Aggression gegen ein souveränes Mitglied der Vereinten Nationen zu bewerten sind. 

Das falsche Spiel um Syrien ist aus

Was will Frankreich eigentlich erreichen? Weiteres Chaos und Desaster? Eine verantwortungsvolle Regierung muss sich der Folgen ihrer Handlungen bewusst sein und sich eingestehen, was sie durch Fehlentscheidungen anrichtet.
"Niemand kann hier jemandem die Legitimität geben oder absprechen, das syrische Volk zu vertreten. Das kann nur das syrische Volk selber." Diese weise zutreffende Mahnung des syrischen Außenministers Walid al-Muallim bei der Syrien-Friedenskonferenz in Montreux am 22.1.2014 bleibt für Washington und Paris weiterhin gültig und hoch aktuell, auch allgemein in Bezug auf neokoloniale Haltungen gegenüber allen Ländern der arabischen bzw. islamischen Welt. Das falsche Spiel um Syrien ist aus. Sabotage ist inakzeptabel und strafbar. 

"Transatlantische Werte": Killerbanden engagieren und bezahlen

Will Paris Terroristen und Islamisten weiter bewaffnen und finanzieren? Mit "transatlantischen Werten", die sich darin manifestieren, Killerbanden zu engagieren und zu bezahlen, also Söldner, um Mord und Zerstörung in der Ukraine, in Syrien und im Irak voranzutreiben, entfremdet sich Frankreich dem Rest von Europa. Mit einem solchen Ungeist ist keine gemeinsame Grundlage zu finden. Frankreich sollte von der NATO und ihrer USA loslassen genauso wie Deutschland und alle anderen europäischen Länder. Das heutige US-Amerika ist kein Vorbild - für niemanden. Die USA haben längst ihre eigenen Werte über Bord geworfen. 

Dagegen agiert Russland in Syrien in Koordination mit der syrischen Regierung und Armee. Die harte gerechte Anklage gegen die USA und ihre Komplizen seitens des syrischen Außenministers Walid al-Muallim auf der Friedenskonferenz zu Syrien in Montreux am 22.1.2014 gilt ebenso für den Präsidenten Frankreichs: <... Ein Verlangen, Syrien zu destabilisieren und zu zerstören, indem sie ihr nationales Produkt exportieren: Terrorismus. Sie haben ihre Petrodollars benutzt, um Waffen zu kaufen, Söldner zu rekrutieren und Sendezeit vollzustopfen, um ihre stumpfsinnige Brutalität unter der Tarnung der sogenannten "Syrischen Revolution, die die Hoffnungen des syrischen Volkes erfüllen wird" mit Lügen zu verschleiern. .... Wie können tschetschenische, afghanische, saudische, türkische oder sogar französische und englische Terroristen die Hoffnungen des syrischen Volkes bedienen und womit? ... Wie können sogenannte Revolutionäre in Syrien das Herz eines Menschen verzehren und behaupten, Freiheit, Demokratie und ein besseres Leben voranzutreiben? Unter dem Vorwand der "Großen Syrischen Revolution" werden Zivilisten, Geistliche, Frauen und Kinder getötet, Opfer werden wahllos in den Straßen und in Gebäuden in die Luft gesprengt, unabhängig von ihren politischen Ansichten oder Ideologien; Bücher und Bibliotheken werden verbrannt.... Köpfe werden abgetrennt und in den Straßen aufgehängt, Menschen werden lebendig verbrannt in einem regelrechten Holocaust, den die Geschichte und viele Länder leugnen werden, ohne des Antisemitismus beschuldigt zu werden. ... In der Tat wurde die Misere und Zerstörung, die Syrien erfasst hat, durch die Entscheidung der Regierung Erdogans ermöglicht, diese kriminelle Terroristen einzuladen und aufzunehmen, bevor sie nach Syrien kamen... Sie haben von Tunesien über Libyen bis Ägypten und dann in Syrien für Chaos gesorgt, entschlossen, eine Illusion zu erreichen, die nur in ihren kranken Köpfen existiert ... Niemand brandmarkt das, niemand verurteilt das, niemand überdenkt seine Position ... Trotz allem ist das syrische Volk standhaft geblieben, die Antwort waren Sanktionen für unser Essen, für unser Brot und unserer Kinder Milch, um unsere Bevölkerung verhungern zu lassen, sie in Krankheit und Tod zu treiben. ...> Gegen diese "gemäßigten Oppositionellen", gegen diese "Rebellen" agiert Russland in Koordination mit der syrischen Regierung und Armee und regionalen Mächten wie Irak und Iran. 

Großer Fehler, nicht mit Assads Armee gegen IS zusammen zu arbeiten

Die Führung in Moskau schafft im Kampf gegen die Terrormiliz "islamischer Staat" Fakten - zusammen mit den betroffenen Ländern im Nahen Osten und nicht gegen sie, wie es Praxis der NATO-Staaten ist. Russland, Syrien, Irak und Iran haben ein gemeinsames "Informationszentrum" gegründet. Später könnten von der Einrichtung aus auch gemeinsame Militäreinsätze gegen den IS koordiniert werden. Die seit Jahren anhaltende Unterstützung des Westens für solche Aufständischen in Syrien hat eine enorme humanitäre Krise verursacht, deren Folge jetzt vor allem Deutschland zu spüren bekommt in den Massen von Flüchtlingen, die nach Europa kommen. Die syrische Regierung ist in ihrem Kampf gegen Terrorgruppen zu unterstützen und international einzubinden. Es sei ein enormer Fehler, nicht mit der syrischen Armee zusammenzuarbeiten, die einzige reguläre Armee, die dezidiert gegen den IS auf dem Boden kämpft. Mit dem IS und Terrorgruppen wie der Nusra-Front und anderen Dschihadisten zu paktieren, ist offener Wahnsinn, der dem Westen jede Glaubwürdigkeit für seinen angeblichen Kampf gegen den Terror raubt. Frankreich muss sich entscheiden, entweder bekämpft es den Terror zusammen mit Russland und Syrien oder es bekämpft die syrische Regierung wie das Obama-Regime an der Seite von Söldnern und Terroristen. Das russische Verhalten in Syrien mit den präzisen Bombardements gegen Stützpunkte krimineller Banden und Rebellen macht die Lage extrem kompliziert für die NATO-USA, denn sie sind es, die gerade solche kriminellen Elemente bewaffnet und finanziert haben. Sie sind diejenigen, die mit diesem Söldnertum zusammenarbeiten. Deshalb kommentiert zutreffend das bulgarische Blatt "Standard":<...Die russische Intervention in der Region bedeutet das Ende der Pläne von Katar, der Türkei, Saudi-Arabiens und sogar Washingtons für eine Neuordnung der Karten im Nahen Osten> nach ihrem Gusto. 

Eigentlich bedauerlich, aber nach der langen US-Einflussnahme in Deutschland nicht verwunderlich, dass alle US-Furien mit Desinformation und Verwirrung stiftenden Anschuldigungen in deutschen Medien Eingang finden, um die Öffentlichkeit zu belügen und das Scheitern des Westens samt NATO zu vertuschen. Aber sogar die Redaktion der Süddeutschen Zeitung, dem vermeintlichen Zentralorgan des Pentagon in Deutschland, musste am 7.10. anerkennen, dass die NATO erodiert. 

Deutschland gewinnt Sympathie in der arabischen und islamischen Welt

Vizekanzler Sigmar Gabriel muss sich mit seinem richtigen Vorhaben in der Koalition durchsetzen, Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Das gehört zu einer konsistenten deutschen Außenpolitik, ebenso wie die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien und den Iran. Alles andere ist widersprüchlich und schwächt die Position Deutschlands als Friedensstifter in dieser verwüsteten Region. Deutschland ist im Vordergrund und hat die große Sympathie der arabischen und islamischen Welt, während die USA und die neokolonialen Mächte sie verloren haben. 

Aktuellen außenpolitischen Kurs der deutschen Kanzlerin mittragen

Bei ihrem jüngsten Treffen in Paris (2.10.15) zur Ukraine bestätigte die deutsche Bundeskanzlerin den abgestimmten Kurs der deutschen Regierung: Eine Lösung für die Ukraine-Krise geht nur mit Russland. "Das gilt vor allem für Syrien, wo wir alle seit Jahren wissen, dass es eine Lösung nur mit Russland und nicht ohne Russland geben wird." So Angela Merkel. ZDF-Mittagsmagazin, 2.10.15 und ARD-Tagesschau, 2.10.15 haben die Annäherung zwischen zwei freundlichen europäischen Staatschefs photographisch gezeigt. Aber der Franzose war raus: Keine Pressekonferenz. Dieses wichtige Detail fehlte in der FAZ und ließ Stirnrunzeln aufkommen. Will die FAZ den aktuellen außenpolitischen Kurs der deutschen Regierung, speziell hinsichtlich Syrien, mittragen oder bleibt man in der FAZ bei der alten Linie aus der Zeit von Westerwelle und Co.? Inzwischen haben sich die drei bekannten westlichen Aggressoren, USA, Großbritannien und Frankreich in New York für die diplomatische Pleite in Paris revanchiert: Sie veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, die die russische Militärhilfe für Syrien verurteilt. Leider hat sich der deutsche Außenminister auch dafür einspannen lassen. Konnte er nicht wissen, dass sich seine Chefin davon in Paris völlig distanziert hatte? (PK) 

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war jüngstes Mitglied im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für
> den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit,
> die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen,
> einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland,
> für die deutsche Friedensbewegung,
> für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen.

Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.

 



Online-Flyer Nr. 532  vom 14.10.2015

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